Was macht eigentlich so ein Pfarrer den lieben langen Tag? Dr. Harald Becker, Mitglied des Pfarrgemeinderats der katholischen Pfarrei Mariae Himmelfahrt Zwingenberg, ist dieser Frage nachgegangen. Er hat den 35 Jahre alten Seelsorger Äneas Opitek an einem ganz normalen Arbeitstag begleitet.
Äneas Opitek ist seit fünf Jahren Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde im ältesten Bergstraßenstädtchen - und seit mehr als zwei Jahren leitet er die Pfarrgruppe Fehlheim/Zwingenberg, zu der auch die Gemeinde St. Bartholomäus in Fehlheim gehört.
Es ist Dienstag, acht Uhr morgens. Opitek lebt dort, wo er auch einen Teil seiner Arbeitszeit verbringt, nämlich im Pfarrhaus an der Heidelberger Straße. Von seiner Wohnung in der ersten Etage sind es nur wenige Treppenstufen hinunter ins Erdgeschoss und damit ins Pfarrbüro, wo er zunächst mit der Sekretärin, die halbtags arbeitet, organisatorische Fragen und den aktuellen Tagesplan erörtert. Der Terminkalender ist omnipräsent.
Dann werden Unterschriften geleistet und über bereits eingegangene Telefonate gesprochen. Was auf den ersten Blick dem Arbeitsalltag eines Wirtschaftsmanagers gleicht, ist die tägliche Herausforderung eines katholischen Pfarrers heute.
Opitek vermisst zwei ältere Gemeindemitglieder, die sonst regelmäßig den Gottesdienst besuchen. Die Pfarrsekretärin soll herausfinden, ob sie krank sind und Hilfe benötigen.
Mit einem angehenden Brautpaar werden kurz die notwendigen Formalitäten abgestimmt sowie die Wünsche betreffend Kirchenmusik, Organist und Auswahl der geistlichen Texte.
Um neun Uhr beginnt der Werktagsgottesdienst. Anschließend wird mit einem Mitglied des Verwaltungsrats über die Ausschreibung des Austausches aller Fenster im Pfarrzentrum gesprochen sowie über einen Schaden der Dachabdeckung, der unbedingt behoben werden sollte. Reicht eine kleine Lösung oder muss eine Komplettsanierung vorgenommen werden? Mit welchen Kosten ist zu rechnen?
Der kleine Pfarrbus ist wieder defekt: Benzin tropft aus der Leitung. Da das Vehikel auch an diesem Tag noch für den Transport älterer Menschen vom Mittagstisch nach Hause gebraucht wird, muss eine schnelle Lösung in einer Werkstatt gefunden werden. Es bleibt maximal eine Stunde Zeit für die Reparatur.
Eine junge Frau bereitet sich auf den Beruf als Gemeindereferentin vor. Sie macht ein Praktikum über sechs Wochen in der Pfarrgruppe Fehlheim/Zwingenberg, um die tägliche Arbeit kennenzulernen. Ein Redakteur des Bergsträßer Anzeigers ist daran interessiert, mehr über diesen Beruf zu erfahren. Ein Interview findet statt, an dem ab 10 Uhr auch Pfarrer Opitek teilnimmt.
Das anschließende Beichtgespräch dauert fast eine Stunde. Nun bleibt noch eine halbe Stunde zur Bearbeitung aufgelaufener E-Mails und für Telefonate im Büro des Pfarrers, dann steht der nächste Termin an - von Zwingenberg geht es in den Bensheimer Stadtteil Fehlheim. Dort trifft Äneas Opitek die Leiterin des katholischen Kindergartens. Die Räume der Betreuungseinrichtung werden inspiziert und notwendige Renovierungen besprochen. Außerdem geht es um Fortbildungsmaßnahmen für die Erzieherinnen. In beiden Fällen spielt auch das liebe Geld eine Rolle.
Für den anschließenden Krankenbesuch in Zwingenberg nimmt sich Opitek viel Zeit. Erst um kurz vor 16 Uhr ist endlich Zeit für ein schnelles Mittagessen. Dann geht es wieder zurück nach Fehlheim, um mit der dortigen Sekretärin, einer Halbtagskraft, Termine abzustimmen, Unterschriften zu leisten, Rechnungen zu prüfen und organisatorische Fragen zu besprechen.
Eine Stunde später ist der Pfarrer er wieder in seinem Büro in Zwingenberg, um E-Mails sowie Telefonate zu bearbeiten. Das zeitnahe Abarbeiten ist wichtig - es könnte ja beispielsweise ein dringender Besuch bei einem kranken Menschen notwendig sein. In solch einem Fall lässt der Seelsorger sofort alles stehen und liegen.
Um 18 Uhr findet ein längeres Traugespräch mit einem Brautpaar statt. Gegen 20 Uhr fährt Opitek nach Hochstädten zu einem Taufgespräch mit den Eltern eines neugeborenen Kindes. Viele Besuche verlagern sich mittlerweile in die Abendstunden, weil die Gesprächspartner berufstätig sind.
Gegen 22 Uhr kommt der Pfarrer zurück nach Zwingenberg. Wieder werden der Anrufbeantworter abgehört und E-Mails beantwortet. Am Ende eines ganz normalen Arbeitstags ist Opitek insgesamt 45 Kilometer mit dem Auto gefahren. Um wieder "herunterzukommen", liest er jetzt noch in einem Buch. Kurz vor Mitternacht schläft er ein.
Pfarrer Äneas Opitek leitet die aus den beiden katholischen ...
Pfarrer Äneas Opitek leitet die aus den beiden katholischen Kirchengemeinden St. Bartholomäus Fehlheim und Mariae Himmelfahrt Zwingenberg bestehende Pfarrgruppe Fehlheim/Zwingenberg.
Die 4700 Katholiken leben in Alsbach, Hähnlein, Sandwiese, Zwingenberg, Rodau, Fehlheim, Schwanheim und Langwaden.
Gründe für die Bildung von Pfarrgruppen sind der Priestermangel und die zurückgehende Zahl von Gläubigen. Dass es bei solchen Umorganisationen zu Reibereien zwischen den Gemeinden kommt, ist vorprogrammiert: Gemeindemitglieder befürchten, dass ihnen Eigenständigkeit genommen wird. Das bürdet einem Pfarrer Mehrarbeit auf, verlangt Organisationstalent und vor allem viel Fingerspitzengefühl, alle Interessen zu bedenken und einfühlsame Entscheidungen zu treffen.
In der Pfarrgruppe finden pro Woche sechs Gottesdienste statt. Hinzu kommen noch Schulgottesdienste, Gottesdienste an kirchlichen Feiertagen oder ökumenische Gottesdienste. Unterm Strich kommen so über 550 Gottesdienste pro Jahr zusammen. Hinzu kommen 50 Beerdigungen auf sieben Friedhöfen, 35 Taufen und acht bis zwölf Hochzeiten.
In der Pfarrgruppe gibt es 74 Messdiener, für die Gruppenstunden und Freizeiten zu organisieren sind. An den Freizeiten nimmt Opitek soweit wie möglich teil. Auch Pfarrgemeinde- und Verwaltungsräte verlangen seine Mitarbeit.
Opitek hat Personalverantwortung für 14 Personen. Dazu gehören zwei Gemeindereferentinnen, die sich eine Ganztagsstelle teilen. Sie unterstützen ihn bei der Jugend- und Seniorenarbeit, der Vorbereitung und Gestaltung der Gottesdienste und vielem mehr. Ein Diakon assistiert bei der Eucharistiefeier, kann Wortgottesdienste feiern sowie Taufe, Kommunion und Segnungen spenden. Die Feier der Eucharistie sowie die Spendung der Krankensalbung und des Bußsakramentes bleiben dagegen den Priestern vorbehalten. hb
Evangelische sind in der Überzahl
Die evangelischen Mitchristen sind in den meisten Orten, die zur Pfarrgruppe Fehlheim/Zwingenberg gehören, in der Überzahl. Ihre Betreuung durch Pfarrer ist deutlich komfortabler - für sie gibt es insgesamt sechs Seelsorger. Alle vier Monate frühstückt Äneas Opitek gemeinsam mit ihnen, dabei planen sie auch ökumenische Veranstaltungen.
Circa 40 Prozent seiner Arbeit liegt im seelsorgerischen Bereich, schätzt Opitek. Leitung, Koordination und Administration überwiegen.
Erstkommunion- und Firmvorbereitungen, Glaubenskurse und Bibelstunden delegiert Opitek hauptsächlich an die Gemeindereferentinnen. Für Beerdigungen ist er alleine zuständig. Einmal im Monat besucht er einen Tag lang kranke Gemeindemitglieder. Bei Seniorennachmittagen ist er für den geistlichen Impuls verantwortlich. Verwaltungsaufgaben können nur schlecht abgegeben werden - Opitek trägt die Verantwortung.
Während der Ausbildung zum Pfarrer hat er verinnerlicht, immer für die Gemeinde da zu sein, ein offenes Ohr zu haben und sich auf Veranstaltungen sehen zu lassen. Einladungen nach Taufen oder Beerdigungen nimmt er Opitek gerne an, um intensive Gespräche zu führen -oft macht der große Aufgabenumfang dem Seelsorger aber einen Strich durch die Rechnung. hb
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/zwingenberg_artikel,-zwingenberg-40-prozent-pfarrer-60-prozent-manager-_arid,453320.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/zwingenberg.html