Gedenken

Zeitzeugin berichtete über die Reichspogromnacht in Lorsch

Von 
red
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Karola Kahn gab ihren Urenkeln Sara (l.) und Rachel im Jahr 1993 ein Interview, in dem sie unter anderem über ihre Jugend in Lorsch und die Flucht aus Deutschland berichtete. © Elaine Kahn-Troster / HKV

Lorsch. Am 9. November jähren sich die Schrecken der Reichspogromnacht zum 84. Mal. Diese Nacht der organisierten und flächendeckenden Zerstörung, Schändung, Vertreibung und Verschleppung gilt als Auftakt der Naziherrschaft, die den Holocaust für die jüdischen Mitbürger brachte – auch in Lorsch. Am Ende wurden sechs Millionen jüdische Frauen, Männer und Kinder auf bestialische Weise ermordet und das jüdische Leben in Deutschland war ausgerottet.

Auch in Lorsch griffen Bürger zu Benzinkanistern und setzen das stolze Gotteshaus der Juden, Symbol und Mittelpunkt der Gemeinde, in Brand. Die Feuerwehr, damals unweit des Brandortes in der Kirchstraße 5 stationiert, griff nicht ein. Drei Augenzeugenberichte liegen über diese Nacht vor, in der Nachbarn zu Verbrechern wurden, angestiftet durch eine menschenverachtende Diktatur, unterstützt durch eine schweigende Mehrheit.

Der Magistrat lädt am Mittwoch, 9. November, alle Bürger zum Gedenken um 18 Uhr zur Gedenkstätte in der Schulstraße ein. Hier wird Bürgermeister Christian Schönung sprechen.

Im Anschluss werden im Nibelungensaal des Alten Rathauses Audioaufnahmen der einst bei den Pogromen in Lorsch anwesenden Karola Kahn zu hören sein. Karola Kahn, geb. Mainzer aus Lorsch, gab ihren Urenkelinnen Rachel und Sara 1993 im Rahmen eines Schulprojekts vier Monate vor ihrem Tode ein Interview. Karola Kahn war zu diesem Zeitpunkt 90, die Zwillingsmädchen 15 Jahre alt. Sie hatten einen neuen Kassettenrekorder, mit dem sie die 60-minütige Aufnahme machten.

Nach Schilderungen ihrer Jugend in Lorsch und den Ereignissen nach der Machtergreifung und des 9. November 1938 berichtet Karola Kahn ihren Urenkelinnen von den Vorbereitungen und der Durchführung ihrer Flucht aus Deutschland, dem neuen Leben auf einer kleinen Milchfarm in Ontario, einer Reise nach Israel und ihrer Rückkehr nach Lorsch im Jahre 1964. Die Präsentation und die Tondokumentation wurden vom Heimat- und Kulturverein vorbereitet und editiert.

Mitglieder des Jugendrats tragen das aus dem Englischen übersetzte Interview vor. Im Anschluss sollen verschiedene Thesen zur Schuldfrage gemeinsam mit den Teilnehmern betrachtet werden. red

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