Lorsch. Ein schöner Teppich kann das Zuhause gemütlicher machen. Daran dürfte es kaum Zweifel geben. Dass sich die Aufenthaltsqualität daheim aber auch dadurch verbessern lässt, dass ein Teppich entfernt wird, ist nicht so schnell jedem einsichtig. Alexandra Mandler-Pohen erklärte diesen Fall jetzt in ihrem Vortrag „Wohnen im Alter“.
Zuhörer waren dazu in den Paul-Schnitzer-Saal eingeladen. Mandler-Pohen, Diplom-Sozialarbeiterin und seit über 20 Jahren in der Seniorenarbeit tätig, gab hilfreiche Anregungen, die vor allem aus ihren beruflichen Erfahrungen entstanden sind. „Alle wissen, wie Altwerden sein kann – aber sie beziehen das nicht unbedingt auch auf sich“, machte sie klar, dass Theorie und Praxis oft nicht übereinstimmen. Von ihren vertrauten Möbeln zum Beispiel wollen sich viele Senioren nicht trennen. Das ist zwar verständlich, aber manches Mal gegen jede Vernunft.
Im Alter sind Senioren oft nicht mehr gut zu Fuß, nicht selten entwickeln sie einen leicht schlurfenden Gang. Wenn in der Wohnung aber Läufer auf dem Fußboden liegen, kann das schnell gefährlich werden. Von einem Sturz erhole sich mancher ältere Mensch nicht mehr ohne Weiteres, warnte die Referentin. Partout aber habe eine Seniorin auf ihren Lieblingsläufer nicht verzichten wollen, berichtete Mandler-Pohen von einer zunächst nicht erfolgreichen Beratung, die dann aber dank ihrer Überzeugungskraft doch noch ein gutes Ende fand. Denn der Läufer fand schließlich als Wandbehang einen neuen Standort – so blieb er als der geliebte Blickfang erhalten und doch ohne Risiko für die Seniorin in ihrer Wohnung.
Treppen können isolieren
Auch Häuser mit Wendeltreppe können im Alter ein großes Problem darstellen. Längst nicht jeder Bewohner wolle sich das aber eingestehen, so Mandler-Pohen. Mancher Betroffene scheine lieber zunehmend unbeweglich in seinen gewohnten vier Wänden zu verharren, als über Änderungen oder gar einen Umzug nachdenken zu wollen. Ein Wechsel in eine zumindest barrierearme Umgebung könne aber ein Plus an Lebensqualität sein, statt täglich an einer Treppe zu scheitern und dann beinahe „wie in Einzelhaft“ allein daheim zu bleiben, gab die Referentin zu bedenken. Lebensqualität hänge keinesfalls nur von den zur Verfügung stehenden Quadratmetern ab. Wichtig ist, wie sie genutzt werden.
„Nicht jeder kann alles umbauen“, gab die Beraterin zu. Für größere Maßnahmen fehlt es manchem am nötigen Kleingeld, anderen an Nerven und dem Willen, das Zuhause für einige Zeit als Baustelle zu erleben. Sie selbst habe Schwierigkeiten gehabt, die passenden Handwerker zu finden, als sie vor 20 Jahren barrierearm bauen wollte, erzählte die Fachfrau. Inzwischen aber gibt es Regionale Wohnberatungsstellen. Sie helfen auch bei Möglichkeiten der Finanzierung.
Belegt ist, dass die meisten Menschen möglichst lange in ihrer gewohnten Umgebung bleiben möchten und es daher empfehlenswert ist, sich mit der Lebenszeit 70-Plus rechtzeitig zu beschäftigen. In den bisherigen Räumen ohne fremde Hilfe zurecht kommen, das steht auf der Wunschliste von Senioren ganz oben. Am Ende der Beliebtheitsskala steht nach wie vor der Aufenthalt in einem Pflegeheim.
Mittlerweile gibt es immerhin mehr Möglichkeiten, wie man im Alter wohnen kann. Betreutes Wohnen und den Bergsträßer Verein „Wohnvision“ nannte sie als Beispiele. Weitere Wohnformen wie etwa Senioren-Wohngemeinschaften etablieren sich zumindest in größeren Städten und eine früher übliche Wohnform hat neue Beliebtheit erlangt: das Mehrgenerationenhaus.
Bei ihren Kindern und Verwandten wollen laut Untersuchung knapp 20 Prozent der Menschen leben, wenn sie älter sind. Wichtig ist es vielen Senioren allerdings, ihren Söhnen und Töchtern keinen Stress zu bereiten. „Viele haben Probleme, von den Kindern Hilfe anzunehmen“, weiß Mandler-Pohen. Sie wüssten, dass junge Familien gut ausgelastet seien. „Sie wollen ihnen nicht zur Last fallen“, fasste die Seniorenberaterin zusammen. Dass das Zusammenleben auch nicht in allen Familien funktioniert, verschwieg sie nicht.
Um nicht völlig unvorbereitet ins Alter zu stolpern, ist grundsätzlich eine gewisse Vorbereitung ratsam. Vieles ist eine Frage der Organisation, zeigte Mandler-Pohen auf. Dass es Sinn macht, lange im angestammten Wohnraum zu bleiben, darin sind sich die meisten Menschen einig. Schon deshalb, weil man die Nachbarn kennt, die Einkaufsmöglichkeiten und die Spazierwege und gewachsene soziale Kontakte hat.
Wer vor rund 40 Jahren gebaut habe, der hat sein Haus meist auf das Leben mit Kindern ausgerichtet. Mit dem Alter beschäftigt man sich vergleichsweise spät. Die Referentin rät Älteren dazu, Hilfen zuzulassen und die Wohnung eigenverantwortlich seniorengerecht einzurichten. Das heißt aber auch, sich von manchem guten Stück zu trennen.
Ausräumen und Platz schaffen
Das Aussortieren auch in der Küche gehört dazu. Schwere Töpfe und Utensilien für die Weihnachtsbäckerei sollten nicht wertvollen Platz im Küchenschrank wegnehmen. Was täglich genutzt wird, dagegen griffbereit platziert sein.
Mit Entsetzen berichtete Mandler-Pohen auch von einer Seniorin, die im Alter von 92 Jahren noch auf die Leiter stieg, um ihre Gardinen zum Waschen abzunehmen. Jalousien anzubringen, sei die bessere Lösung. In nicht wenigen Senioren-Haushalten seien die Zimmer gefüllt, die Flure eng, weil dort Schuhe und Kisten die Durchgänge begrenzen. Wenn man auf eine Gehhilfe angewiesen ist, kann es kompliziert sein, sich dort sicher hindurch zu balancieren. Mit Rollator sei es zum Teil unmöglich, ins Badezimmer zu gelangen. Die nicht gerade billigen Treppenlifte aber kann man jetzt auch leasen oder gebraucht kaufen.
Mandler-Pohen empfahl den Zuhörern: „Treffen Sie frühzeitig ihre Entscheidungen.“ Eine große Unterstützung im Alter sind mittlerweile auch digitale Hilfen, die Fachfrau riet, offen dafür zu sein.
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