Lorsch. Es sei schon einige Jahrzehnte her, dass im Kreis Bergstraße im größeren Stil Bier produziert wurde. So hieß es vor einigen Wochen in einem Zeitungsbericht, in dem an das Aus von Guntrum Bräu in Bensheim im Jahr 1979 erinnert und über die Bestrebungen berichtet wurde, das Bier wieder auf den Markt zu bringen. Es ist aber natürlich nicht so, dass an der Bergstraße überhaupt kein Bier gebraut würde, Liebhaber des süffigen Gerstensaftes darben müssten. In Lorsch gibt es schließlich ein Brauhaus – und das mitten in der Stadt, nur einen Katzensprung von Königshalle und Klostergelände entfernt. Seit genau zehn Jahren wird im Lorscher Back- und Brauhaus Helles, Dunkles und Weizen hergestellt und ausgeschenkt, zudem gibt es Spezialbiere.
Bier und Brot sind ein ideales Paar, sie bestehen schließlich zum Teil aus identischen Rohstoffen. Eine „perfekte Symbiose“, meint auch Tonia Drayß, Geschäftsführerin des Hauses in zehnter Generation. Die Tochter des Lorscher Bäckermeisters Friedel Drayß verweist gern auf den fast 300-jährigen Familienbetrieb und auch auf die Klostertradition. Bier und Brot gehören für sie historisch zusammen. Angenommen wird zudem, dass vergorener Brotteig einst Ursache für die erste Bierherstellung war.
Wer ins Back- und Brauhaus einkehrt, kann dort die mächtigen mit Kupfer verkleideten Edelstahlkessel bewundern und manchmal auch dem Braumeister bei der Arbeit zusehen, der fast täglich vor Ort ist. Frederik Otterbein heißt er. Heutzutage seien nur wenige Landwirte bereit, Braugerste anzubauen, bedauert der 52 Jahre alte Hesse, dessen Großvater bereits Braumeister war. Viele Großbrauereien, die auf lange Haltbarkeit ihrer industriell gefertigten Biere setzten, nähmen eiweißreiche Gerste ungern ab. Der Eiweißgehalt im Korn ist ein wichtiges Qualitätskriterium für die Bierherstellung. Brauer wie Otterbein setzen auf natürlich eiweißreiche Gerste. „Vollmundig und schaumreich“ schmecken die Biere, wenn ein erfahrener Handwerksmeister am Werk ist, der sich auf die Braukunst versteht.
Auch in Lorsch könnte das Bier pasteurisiert, lange haltbar gemacht und der Vertrieb so gesteigert werden. Man verzichte aber bewusst darauf, sagt die Familie Drayß, und produziere „ehrliches Bier“, das unfiltriert und naturbelassen ins Glas fließt. Auch andere Brauer verwenden nur Hopfen und Malz, Wasser und Hefe, wenn sie sich ans deutsche Reinheitsgebot halten. Von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln ist dort jedoch ebenso wenig die Rede wie von deklarationsfreien Zusatzstoffen. In Zusammenarbeit mit Lauresham – im Freilichtlabor werden alte landwirtschaftliche Traditionen erforscht und gepflegt – wird in Lorsch bereits Emmer für Emmerbrot angebaut. Ab diesem Jahr gibt es auch Lauresham-Braugerste. Emmerbier braute Otterbein bereits.
Von Miami bis Dubai
Er habe zu den ersten seiner Zunft gehört, die auch glutenfreie Biobiere produzierten, sagt der Braumeister, der viel herumgekommen ist auf der Welt, mehr als 70 Länder bereist hat und Interesse auch an neuen Kreationen hat. Deutsche Braukunst genieße international sehr hohes Ansehen, so Otterbein, dessen Wissen sogar in Dubai und Miami gefragt ist.
Im Lorscher Back- und Brauhaus ist das Helle, ein naturtrübes Bier nach Pilsener Brauart, die meistverkaufte Sorte. Derzeit werden auch Spezialbiere wie ein Winterbock gebraut. Wer schon einmal die Gelegenheit hatte, eines der großen Waldfeste der Lorscher Pfadfinder zu besuchen, kennt vielleicht auch das dafür produzierte Georgsbräu.
Das Brauhaus wolle manche alte Tradition wieder aufleben lassen, sagt Friedel Drayß. Frisches Bier gehöre in diesem Fall auf jeden Fall dazu. In früheren Generationen seien Kinder oft abends mit der Milchkanne losgeschickt worden, um eine Ration für den Vater abzuholen. Heutzutage sind die Hygienebestimmungen sehr viel strenger. Auch wer nur eine einzige Flasche für daheim mitnehmen will, kann das im Brauhaus aber tun.
Hygiene spielt in der Braukunst eine wichtige Rolle, sagt auch Frederik Otterbein. Bierbrauer übten einen der saubersten Berufe überhaupt aus. „Putzen ist das A und O in der Brauerei“ , erklärt Otterbein, häufiges Desinfizieren der Hände gehört zur peniblen Sauberkeit beim Brauen selbstverständlich gleichfalls dazu. Die großen Läuterbottiche und Sudpfannen liegen im Lorscher Back- und Brauhaus im Obergeschoss über der Gaststube.
Das Besinnen auf gutes Handwerk überzeuge durchaus auch junge Leute wieder, weiß Tonia Drayß. Zwei junge Lorscher hätten jedenfalls bereits angekündigt, den Beruf des Brauers erlernen zu wollen, freut sich die 32-Jährige.
Drittes Haus wird eröffnet
Weil sie mit ihrem Familienunternehmen erfolgreich sind, werden die Lorscher auch weiter wachsen. In Bürstadt gibt es bereits seit rund fünf Jahren ein Back- und Brauhaus. Ein weiteres Haus will die Familie in Kürze in der Region eröffnen.
Von Oli Kahn und Sebastian Vettel Das Back- und Brauhaus, ...
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