Lauresham

Wenn Hühner im Freilichtlabor Lauresham Legepause haben

Das Lorscher Freilichtlabor vermittelte einen Eindruck davon, was Winter in der Karolingerzeit bedeutete.

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zing
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Im selbst gebauten Ofen wurde ein Forelle geräuchert. Beim Wintertag in Lauresham konnten Besucher unter anderem erfahren, wie viel Arbeit Menschen im Mittelalter aufwenden mussten, um auch in der kalten Jahreszeit zu essen zu haben. © Neu

Lorsch. Zu einer Winterreise ins Mittelalter waren Besucher in Lauresham eingeladen. Das Wetter spielte mit. Im Freilichtlabor war es knackig kalt.

Am Eingang wurden Besucher von einer aufsteigenden Rauchschwade auf dem Gelände begrüßt, das einem rekonstruierten karolingischen Herrenhof nachempfundenen ist. Der Rauch stieg von einem selbst gebauten Ofen auf. Er bestand aus einem Weinfass ohne Boden, welches auf einer Steinplatte mit Loch stand und von zwei kleinen Stützmauern getragen wurde. Unten knisterten brennende Tannenzweige und der Rauch verlieh einer Bachforelle im Inneren des Fasses ein besonderes Aroma.

Wie auch bei den Arbeiten mit den mittelalterlichen Pflügen auf dem Feld geht es beim Projekt Räucherofen „in erster Linie um das Sammeln weiterer Erfahrung“, erklärte Claus Kropp, Leiter des experimentalarchäologischen Freilichtlabors. So soll etwa ermittelt werden, welche Temperatur ideal ist, wie lange der Räucherungsprozess dauert, welches Material zum Heizen geeignet ist. „Am besten ist Buchenholz“, weiß Kropp. Da dieses aber gerade nicht griffbereit war, wurde ein dem Freilichtlabor von der Stadt Lorsch geschenkter Tannenbaum, der kürzlich noch den Bereich neben der Königshalle schmückte, nun wissenschaftlichen Zwecken zugeführt.

Pferdeschweifhaare als Angel

Vor dem „Mampf“, dem Essen einer geräucherten Forelle, stand aber für unsere Vorfahren erst einmal der „Kampf“, das Fangen eines Fisches. Auch darüber wurde informiert. Als Angelschnur dienten den Menschen zur Zeit Karls des Großen Pferdeschweifhaare. Die Anzahl der Haare variierte je nach Größe und Schwere des Fisches, den der Angler fangen wollte. Während für kleine Fische noch zwei bis drei Haare ausreichten, waren für den Hecht sechs Strähnen notwendig. Die Haare wurden gern gefärbt und so an Jahreszeit und Gewässerart angepasst. Der Fisch sollte die Schnur schließlich nicht gleich bemerken.

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Konservieren ohne Kühlschrank

Sehr viel Zeit mussten die Menschen früher in das Beschaffen und Konservieren von Nahrungsmitteln investieren. Das Räuchern stellte nur eine von mehreren Möglichkeiten dar. Wie hat man zum Beispiel früher ohne Kühlschrank Eier genießbar gehalten? Im Winter hatten Hühner einst schließlich eine natürliche Legepause. Ina von Lehsten zeigte Besuchern, wie die wertvollen Lebensmittel etwa in Asche gelegt wurden. Auch mit Wachs wurde hantiert. Das Anstreichen der Eier mit diesem Material sollte verhindern, dass Sauerstoff durch die Poren in der Schale dringt und das Ei so schneller schlecht wird.

Im Mittelalter musste man kreativ und erfinderisch sein, wenn man überleben wollte und immer wieder auch längere Entbehrungen mit wenig Nahrung ertragen können. Gemüse und Getreide wurde oft in ausgehöhlten und getrockneten Flaschenkürbissen, den sogenannten Kalebassen, aufbewahrt und in Erdgruben gelegt. Stets aber drohten Gefahren, etwa durch Nager. Sollte es ihnen gelungen sein, die Essensvorräte anzugreifen, so war damit nicht nur der Vorrat, sondern oft auch die nötige Aussaat für das neue Jahr verloren, gab die Lauresham-Mitarbeiterin den Zuhörern im Vorratshaus zu bedenken.

Ein Lagerfeuer in Lauresham flackerte, an dem man sich Stockbrot zubereiten konnte. Es ging beim Wintertag aber nicht nur ums Thema Essen. So konnte bei einem Feinschmied etwa auch das Gießen von Zinn und die Fertigung kleiner Amulette aus der Legierung beobachtet werden. Als Vorlage dienten Frank Trommer Fundstücke, die bei Ausgrabungen entdeckt wurden.

Anna Hennings zeigte, dass man aus dem Mittelfußknochen eines Rindes eine Art Schlittschuh fertigen konnte. Auch einen filigranen Kamm und eine Flöte aus Knochen konnte man bewundern.

In einer großen Lehmhütte mit zur damaligen Zeit weit verbreitetem Reetdach wurde die Kunst des Drechslers präsentiert. „Wie haben sich die Menschen damals vor kalten Füßen schützen können?“, wollte eine Besucherin wissen, die durch den Schneematsch stapfte. „Sie haben sich zum Beispiel Stroh in die Schuhe gelegt“, erfuhr sie. Generell wurde viel barfuß gelaufen, wer bei Frost nicht aus dem Haus musste, blieb daheim. Obwohl es auch in den Innenräumen natürlich nicht so angenehm warm war, wie man es sich heute machen kann. Trotz Isolierung mit Lehm konnten Temperaturen von null Grad herrschen.

Körperwärme gegenseitig nutzen

Solange es Tageslicht gab, wurde gearbeitet. Beim Schlafen wurde eng aneinander gerückt, um gegenseitige Körperwärme zu nutzen. Einzelbetten gab es kaum. Von den abgehärteten Menschen im Mittelalter könne sich so mancher in der heutigen Zeit eine „Scheibe abschneiden“, war in Lauresham zu hören. Die Information, dass jedoch die durchschnittliche Lebenserwartung im neunten Jahrhundert nur etwa 45 Jahre betrug, wurde nicht vergessen.

Die meisten Kinder genossen keine Schulbildung, sondern mussten früh im Handwerk, etwa an der Drechselbank, helfen. Lothar Rist erinnerte daran eine Familie, die das Drechseln ausprobierte. Sie durfte auch schätzen, in welchem Alter Mädchen damals ihren Ehemann kennenlernten. Die junge Besucherin hätte nicht mehr viel Zeit gehabt. Denn schon mit zwölf Jahren wäre das der Fall gewesen. zing

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