Junge Familien

Unerwartetes Aus für die Betreuung von Schülern in Lorsch

Von 
Nina Schmelzing
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Um die hohe Nachfrage nach Schülerbetreuung zu decken, hat das Mütterzentrum im vorigen Somer mit Unterstützung der Stadt die „Regenbogengruppe“ gegründet. Nun aber wird sie vorzeitig Ende März wieder geschlossen. Für betroffene Eltern kam diese Entscheidung völlig überraschend. © Neu

Lorsch. Zu Weihnachten werden zumeist freundliche Grüße verschickt. Mehrere Lorscher Familien erhielten jetzt allerdings alles andere als erfreuliche Nachrichten. „Das Jahr neigt sich dem Ende zu und es beginnt die Zeit, das Jahr zu reflektieren“, heißt es in dem Schreiben des Mütter- und Familienzentrums („Mütze“) an die Eltern, deren Kinder die Schülerbetreuung „Regenbogengruppe“ besuchen. Der „Mütze“-Vorstand teilt darin anschließend mit, dass die Betreuungsgruppe vorzeitig geschlossen werde. Ab April soll Schluss sein.

Wie der Blitz aus heiterem Himmel

Viele Eltern traf diese Information Ende Dezember wie der Blitz aus heiterem Himmel. Jonas Schmittinger zum Beispiel. Der Lorscher hat seinen Sohn im vorigen Jahr in der „Regenbogengruppe“ angemeldet. „Er hat sich dort wohlgefühlt“, unterstreicht der Vater auf Nachfrage. Auch mit der Mittagsversorgung sei man sehr zufrieden gewesen. Wo der Erstklässler zukünftig eine vergleichbare Betreuung findet, ist für die Familie noch offen. Natürlich sei die Situation mit der ungewissen Aussicht für sie als Eltern, die beide arbeiten gehen, jetzt nicht schön, bestätigt Schmittinger.

„Der Wahnsinn geht schon wieder los“, beschreibt ein anderer betroffener Vater die Lage. Die „Regenbogengruppe“ entstand im vorigen Jahr schließlich aus dem Grund, weil es für mehrere Lorscher Familien keinen Platz mehr in der bestehenden Schülerbetreuung gab. Der Betreuungsverein kümmert sich seit 20 Jahren darum, dass Kinder nach dem Unterricht am Wingertsberg bestens aufgehoben sind. Inzwischen allerdings ist die Kinderzahl auf acht Gruppen mit insgesamt 200 Plätzen gewachsen. Die Ehrenamtlichen hatten erklärt, damit an der Kapazitätsgrenze gelangt zu sein.

Weil sich Eltern, die damals leer ausgingen, nicht damit abfinden wollten, ohne Schülerbetreuung dazustehen und sie eine Lösung forderten, hatte sich die „Mütze“ bereit erklärt, einzuspringen. Mit Unterstützung der Stadt gelang es dem Verein beeindruckend schnell, ein passendes Angebot auf die Beine zu stellen. Im vorigen August wurde die „Regenbogengruppe“ eröffnet, garantiert ist dort Betreuung bis 14 Uhr.

Möglich war das unter anderem deshalb, weil die Stadt die ehemalige Nibelungenstube zur Verfügung stellte. Die Räume, früher einmal als Gastwirtschaft genutzt, wurden für die Betreuung unentgeltlich überlassen und entsprechend umgestaltet. Sie sind auch deshalb ideal, weil sie sich in unmittelbarer Nähe der Wingertsbergschule befinden.

Dauerbetrieb war dennoch in der Nibelungenstube für die Betreuung nie beabsichtigt. Die „Regenbogengruppe“ war im Gegenteil ausdrücklich nur für ein Jahr konzipiert. Sie sollte eine Übergangslösung bieten, bis die Lorscher Schülerbetreuung unter neuer Trägerschaft arbeitet. Erklärtermaßen ist es das Ziel, dass sich die Schule einem Programm des Kreises Bergstraße anschließt, das die Betreuung für alle Eltern, die das wünschen, komplett abdecken kann. Die Ausschreibungen sollen bereits laufen.

„Betriebliche Gründe“

Umso überraschender kommt jetzt die „Mütze“-Ankündigung für das vorzeitige Aus schon im Frühjahr. Genaue Gründe führt der Vorstand für seinen Beschluss nicht an. „Leider sind wir nun an einem Punkt angelangt, an dem wir aus betrieblichen Gründen die Betreuung nicht mehr weiterführen können“, heißt es im Schreiben an die Eltern lediglich.

Dass der Verein „anfängliche Startschwierigkeiten“ mit der neuen Zusatz-Aufgabe Schülerbetreuung zu bewältigen hatte, verschweigt die „Mütze“ um Vorsitzende Lisa Drax nicht. Von zwei Betreuerinnen habe man sich wieder trennen müssen, schnell aber habe man die freien Stellen wieder besetzen und die Betreuung ohne Einschränkungen weiter sicherstellen können.

Keine Hinweise vor den Ferien

Nun kann das Mütter- und Familienzentrum diese Arbeit aber offenbar nicht mehr stemmen. Dass der Verein seinen Beschluss zur Schließung der Gruppe mit einem überraschenden Brief mitten in der Ferienzeit mitteilt, kommt bei betroffenen Eltern nicht gut an. Im Rahmen eines Elternabends hätte sich vielleicht doch gemeinsam eine tragbare Lösung finden lassen, bedauert ein Vater, dass es keine Hinweise auf Probleme gegeben habe.

Jetzt sei man nicht genau informiert, welche unerwarteten Schwierigkeiten zur Schließung führten, kritisiert der Vater. Mit dem Einspringen in die Bresche habe der Verein schließlich eine gewisse Verantwortung für die Verlässlichkeit der Betreuung übernommen. Persönlich ärgert er sich auch deshalb über die Plötzlichkeit des Beschlusses, weil er vor wenigen Wochen dem Betreuungsverein abgesagt hatte, als dort ein Platz für Nachrücker frei geworden war. Er wollte den Sohn zu diesem Zeitpunkt nicht mehr aus der „Regenbogengruppe“ herausnehmen, in der der Erstklässler längst Freunde gefunden hatte.

Mit dem Wissen von jetzt hätte er wohl anders entschieden. Bei einem Elternabend im November sei aber der Eindruck vermittelt worden, alles laufe gut, so der Vater, der sich deshalb jetzt „geschockt“ zeigt.

Beim Betreuungsverein sind nun schon mehrere Anfragen von Eltern auch der „Regenbogengruppe“ eingegangen, die nach freien Plätzen dort fragen. An der grundsätzlichen Situation, dass die Nachfrage nach Betreuungsplätzen höher ist als das Angebot, hat sich dort aber nichts geändert. Nach den Ferien soll es eine Sitzung geben.

Möglicherweise wird dann auch noch einmal über den schon im Vorjahr diskutierten Vorschlag beraten, für eine kurze Zeit eine Überbelegung der bestehenden Gruppen zuzulassen. Diese Übergangslösung wurde im vorigen Jahr auch von Stadtverordneten als Idee vorgebracht, bevor sich die „Regenbogengruppe“ gründete.

Dass es alles andere als einfach ist, gut ausgebildetes und engagiertes pädagogisches Personal zu binden und die Fluktuation hoch ist, wird jeder bestätigen können, der mit Kinderbetreuung zu tun hat. In der „Regenbogengruppe“, in der anfangs alle 25 Plätze belegt waren, hatte es offenbar zuletzt auch einige Abmeldungen von Familien gegeben. In der „Mütze“ habe mancher daraufhin ein „Draufleg-Geschäft“ für den Verein befürchtet, wenn weitere Elternbeiträge wegfielen, ist zu hören.

Dass es möglich sein sollte, eine Lösung für die drei zu überbrückenden Monate bis zu den Sommerferien zu finden, wird in Lorsch nun gehofft. Die Stadt jedenfalls stellt die Räume wie vereinbart weiterhin zur Verfügung, bekräftigt Alexander Löffelholz auf Nachfrage. Der Erste Stadtrat vertritt derzeit den urlaubenden Bürgermeister.

Eltern sollen schnell handeln

„Wir bitten Sie, schnellstmöglich eine Alternative für ihr Kind zu finden“, heißt es im Brief der „Mütze“ an die Eltern mit Blick auf die Schließung ab dem 1. April. Bis Ende März sei die „Regenbogengruppe“ gesichert, ist Löffelholz zuversichtlich, dass genug Zeit bleibt, bis dahin noch eine Lösung zu finden. Man werde sich nach dem Ende der Weihnachtsferien mit allen Beteiligten zusammensetzen.

Die „Mütze“ arbeitet weiter

Das Mütter- und Familienzentrum („Mütze“) hatte zuletzt viel Arbeit zu stemmen. Der Verein um Vorsitzende Lisa Drax ist umgezogen – von der angestammten Adresse im Stadtzentrum in das neue große Domizil in der Dieterswiese.

Corona macht dem Verein, der die Kinderkrippe „Flohkiste“ gründete, sich um Anliegen von jungen Familien kümmert und Eltern und Kindern ein abwechslungsreiches Kursprogramm bietet, natürlich auch zu schaffen. Nur „singulär“ aber sei die Entscheidung der „Mütze“, die Schülerbetreuungsgruppe vorzeitig zu schließen, beruhigt der Verein jene, die ein Aus auch für den Verein befürchten könnten.

Die umfangreiche Arbeit des Mütter- und Familienzentrums gehe selbstverständlich weiter, heißt es auf Nachfrage aus dem Vorstandsteam. Alles, was im Programm trotz Corona möglich ist, werde auch weiterhin angeboten. sch

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