Bildung

So läuft ein Unterrichtstag an der Lorscher Schule am Hang

Eltern und Nachbarn waren zu einem Tag der offenen Tür in der Grundschue eingeladen. Großes Interesse an den modernen Lernmethoden

Von 
Nina Schmelzing
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Konrektorin Nicola Helwig freute sich ebenso wie die Lehrer und ihre Schüler über viele interessierte Besucher beim Tag der offenen Tür an der Schule am Hang. © Thomas Zelinger

Seit gut einem Jahr läuft der Betrieb in der „Schule am Hang“. Das Gebäude, in Modulbauweise aus acht schwarzen Unterrichtscontainern auf dem ehemaligen Bolzplatz unterhalb der Wingertsbergschule errichtet, kennen von außen inzwischen fast alle Lorscher. Von innen haben es aber noch nicht so viele gesehen – und einen persönlichen Eindruck vom Unterricht der Erst- bis Viertklässler in diesem Teil der Wingertsbergschule hat sich noch kaum ein Lorscher bisher verschaffen können. Jetzt aber waren Eltern sowie die Nachbarschaft der Grundschule erstmals zu einem „Tag der offenen Tür“ eingeladen – mitten in den Unterrichtsalltag.

Das Betreten des Schulgeländes und aller Klassenzimmer war für zwei Stunden lang ausdrücklich erlaubt. Viele Lorscher nahmen die Gelegenheit gerne wahr, Einblick in einen typischen Tagesablauf zu erhalten – und nicht wenige waren erstaunt und beeindruckt. Die Schule am Hang ist sehr modern ausgestattet. In jedem der acht Klassensäle gibt es Whiteboards statt Kreidetafeln und auch das weitere Mobiliar sieht ganz anders aus als in Schulen früherer Zeit: es ist bunt, leicht zu bewegen und rückenfreundlich. Schulbänke, in denen man zu zweit nebeneinander büffelt, sucht man dort vergeblich.

Trainingszeit statt Hausaufgaben

Unterrichtet wird schließlich ebenfalls nach neuen pädagogischen Erkenntnissen. Klassische Hausaufgaben, die täglich daheim zu erledigen sind, gibt es für die Lorscher Grundschüler nicht. Geübt und vertieft wird der Lernstoff in der sogenannten Trainingszeit an der Schule. Das habe unter anderem damit zu tun, dass zahlreiche Kinder heutzutage ganztags bis in den späten Nachmittag an der Schule bleiben oder daheim keine Unterstützung bei den Aufgaben hätten. Eine Erweiterung der Stundentafel – zwei Stunden zusätzlich pro Woche – macht die Trainingszeit an der Schule möglich.

Bedenken, über den Lernstand ihrer Kinder ohne Hausaufgaben so nicht mehr informiert zu sein, müssten die Eltern trotzdem nicht haben, erfahren Skeptiker. Regelmäßig bekämen sie Rückmeldung, erzählt eine Mutter zufrieden. Jede Woche erhalten die Eltern Informationen darüber, wie ihr Kind gearbeitet hat und wo es bei einem Thema vielleicht abgelenkt gewesen sei, berichtet Konrektorin Nicola Helwig auf Nachfrage.

Die Trainingszeit erlaubt in stärkerem Maß individualisiertes Üben und Fördern nach dem jeweiligen Lernstand. Moderne Pädagogik stellt das Kind in den Mittelpunkt. Ein Großvater unter den Besuchern, der das Abschaffen der Hausaufgaben zunächst mit Kopfschütteln kommentierte, freut sich darüber, am „Tag der offenen Tür“ einen eigenen Einblick an der jungen Schule zu bekommen. Die „ganz anderen Lernmethoden“ seien zum Teil „schon super“, erklärt ein anderer Senior sehr interessiert.

Der Anblick von Kindern, die schriftliche Aufgaben nicht nur am Tisch sitzend, sondern auch kniend oder auf einer Matte am Boden liegend erledigen, ist für frühere Schülergenerationen gewöhnungsbedürftig. „Mein Sohn findet das gut“, unterstreicht ein Vater auf Nachfrage. „Gott sei Dank“, sagt ein anderer Besucher, seien die Zeiten angsteinflössender und einschüchternder Schultage mit zahllosen strikten Regeln für Kinder Vergangenheit. „Ich glaube an mich und was ich kann“, ist an der Lorscher Schule als ein ermutigendes Motto zu hören.

Pflichten gibt es neben den Rechten an der Schule am Hang aber ebenso. Rücksicht auf andere nehmen, gehört etwa dazu.

Arbeitszeit ist Flüsterzeit

Auch die Regel „Arbeitszeit ist Flüsterzeit“ ist zu beachten. Zur Hausordnung zählt zudem, dass in den Innenräumen Haus- statt Straßenschuhe getragen werden. Selbstständigkeit und Verantwortung werden großgeschrieben. Ein „Graduierungssystem“ erlaubt Schülern, die sich an die Grundregeln halten, viele Freiheiten. Sie dürfen dann alleine auch außerhalb des Klassenzimmers im mittig gelegenen sogenannten Marktplatz-Bereich und im Pausenhof eigenständig in ihrem Rhythmus arbeiten. Wer mit der Eigenständigkeit und dem Vertrauensvorschuss nicht zurecht kommt, Regeln nicht einhält, wird zurückgestuft.

Die rund 200 Kinder an der Schule am Hang hätten diesen Schulalltag gut angenommen, berichtet Helwig. Auch die meisten Besucher zeigten sich beeindruckt davon, wie es am Hang funktioniert. Begrüßt wurden sie im Pausenhof mit einem selbst getexteten Lied, das die Kinder über ihre Schule sangen, von Lehrerin Iris Gärtner auf der Gitarre begleitet. „Gemeinsam sind wir stark“, hieß es darin.

Einen Morgenkreis konnten die Gäste anschließend miterleben. „Schön, dass du da bist“, sagte jeder Schüler dabei der Reihe nach seinem jeweiligen „Nebenmann“, spricht ihn mit Vornamen an, legt ihm die Hand auf die Schulter und gibt kurz auch Auskunft über das eigene Befinden. „Mir geht‘s gut, weil ich heute noch Fußballtraining habe“, teilt ein Kind mit, „mir geh‘s mittel“, meint ein anderes. Dass die Kinder lernen, auch über ihre Gefühle reden zu können, finden die Erwachsenen, die am Tag der offenen Tür zuhören, gut.

In allen Räumen durften die Besucher Schülern und Lehrern an diesem Vormittag über die Schulter schauen. Den Mathelernweg mitverfolgen oder beim Lesenlernen dabei sein. Am Tag der offenen Tür ging es in der 1f um den Buchstaben „n“. Auf dem Whiteboard werden kleine Bilder eingeblendet und es wird gefragt, in welchen Worten dieser Buchstabe steckt. Ein Lautsignal ertönt, wenn man sich fürs Zebra statt fürs Nashorn entscheidet: Pling. Digitale Tafeln mögen Großeltern als Besonderheit erscheinen, für heutige Grundschüler sind sie aber längst völlig normal.

Die Gäste hörten in der „Autorenrunde“ der Schüler zu, in der sich die Kinder gegenseitig Texte vorlesen und Feedback erhalten. Sie besichtigten den Garten und das Bewegungsangebot und bewunderten die tolle lange Rutsche im Hof. Wenn bald die neue Marie-Curie-Schule im Lorscher Süden fertig ist und dann die alte Wingertsbergschule modernisiert und verkleinert ist, wird die „Schule am Hang“ voraussichtlich nicht mehr benötigt und abgebaut. Derzeit aber sind die meisten Kinder und Eltern sehr froh, dass es sie gibt und dass sie so gut läuft.

Die Resonanz auf den ersten Tag der offenen Tür war gut, freut sich Konrektorin Nicola Helwig und bilanziert „erstaunlich viele“ Besucher.

Blick in einen Morgenkreis an der Lorscher Schule am Hang. © Thomas Zelinger

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