Lorsch. Eine übersehene Wurzel – und klatsch, begrüßt einen nasses Laub über weichem Waldboden. Im Sturzflug Richtung 2024. Und das 300 Meter vor dem Ziel. Also flott aufstehen und dreckig das Jahr zu Ende bringen. Im Stadion stimmen Glühwein, Tee und Kuchen milde. Bei neun Grad greifen manche auch zum Bier. Insgesamt haben sich nach Angaben der Veranstalter am Sonntag zwischen 360 und 380 Läufer auf den Weg gemacht. Ohne Anmeldung, Startgeld und Zeitmessung. Lockere Atmosphäre ohne Stress. Ein Volkslauf im Wortsinn.
Auch beim Leichtathletikclub Olympia Lorsch (LCO) war man mit dem Silvesterlauf 2023 überaus zufrieden, wie Ehrenvorsitzender Erhard Schäfer mitteilt. Dabei hatte es eine Dreiviertelstunde vor dem Startschuss um 14 Uhr noch recht übersichtlich ausgesehen. Doch danach setzte die Welle ein: Zahlreiche Freizeitläufer, ambitionierte wie tiefenentspannte, füllten das Stadion am Birkengarten, wo der Verein seit der Premiere 2013 gemeinsam mit dem Lauftreff alljährlich seinen Traditionstermin organisiert.
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Der leichte Regen hatte sich gerade rechtzeitig verabschiedet, bevor die Teilnehmer, junge wie alte, auf der 400-Meter-Bahn an den Start gingen. Nach dem Countdown ging es los – zunächst eine Runde durchs Stadion und dann raus in den Stadtwald, der gerade auf den ersten und letzten Metern viel Aufmerksamkeit erforderte.
Die Masse, noch sehr kompakt beisammen, zwängt sich durch schmale Pfade über hinterlistiges Wurzelwerk, tiefe Erde und andere Unebenheiten. 90 Prozent der Strecke sind Waldwege. Vor allem auf den ersten zwei Kilometern warten scharfe Wendungen und enge Passagen. Kein Kurs für Bestzeiten. Dafür bisweilen aber sehr kommunikativ. Die Kurzstreckler hatten knapp fünf Kilometer zu bewältigen. Nach gut 3000 Metern zweigen die beiden Rundkurse ab – wer links abbiegt, wählt die 10-Kilometer-Variante. Am Ende sagt die Laufuhr 10,3 Kilometer.
Der Weg führt in südlicher Richtung parallel zur A67 und überquert diese über die erste kleine Brücke. Die Weiche ist leuchtend gelb gut erkennbar. Das war in der Vergangenheit nicht immer so und hatte bisweilen zu Verwirrung geführt. Diesmal gab es keine Orientierungsprobleme. Während eines weiten Bogens westlich der Autobahn zieht sich das Feld auseinander, die Räume werden größer und der Boden fester.
Ein umgestürzter Baum versperrt den Weg komplett
Hier können Läufer mit Blick auf die Uhr richtig Tempo machen. Viele Vierer- und Fünfergrüppchen bleiben zusammen und motivieren sich gegenseitig. Solisten mit Musik im Ohr genießen Sound und Umgebung, während der Körper seinen eigenen Rhythmus findet. Unterbrochen wird der Fluss lediglich zwischen Kilometer sechs und sieben – dann aber richtig: Ein umgestürzter Baum versperrt den Weg komplett. Jeder muss sich unter dem Stamm durchquetschen.
Das kostet zwar nur wenig Zeit, stört aber den Takt und bedeutet für manch älteren Läufer eine gewisse körperliche Herausforderung. Der nächste, vergleichsweise schmale Stamm, der tiefer über der Erde quer liegt, wird mit einem kernigen Sprung überwunden. Bloß nicht stürzen (das kommt später).
Mit der diagonal verlaufenden Autobahnbrücke nahe der Raststätte wartet noch einmal eine lange Gerade. Asphaltiert zwar, doch die sanfte Steigung hat es in sich. Von der Mannheimer Straße geht es dann links ab in Richtung Ausgangspunkt. Die letzten Meter sind wieder enger und kurviger. Irgendwann hört man schon die Musik aus dem Stadion, wo die Finalisten mehr oder weniger beklatscht werden. Freunde und Verwandte machen Fotos. Das Thekenpersonal ist flott und freundlich, alles wird über freiwillige Spenden abgerechnet.
Die Läufer kamen aus unterschiedlichen Gründen in die Klosterstadt Lorsch
Auch die LCO-Vorsitzende Claudia Specht ist im Einsatz. „Alles harmoniert gut“, kommentiert Erhard Schäfer das Engagement der Vereinskollegen. Der Termin erfordere wenige Personal und logistischen Aufwand, locke aber jedes Jahr viele laufbegeisterte Menschen an. Man habe die Strecke nach bestem Bemühen gut ausgeschildert. „Verlaufen“ habe sich diesmal wohl keiner, so Schäfers erstes Resümee kurz nach 15 Uhr.
Natürlich war auch Michael Baumgartner als „De Lorscher Haas“ unterwegs. Ansonsten war der Promi-Faktor am Sonntag eher gering. Auch Landrat Christian Engelhardt hat in Lorsch das Jahr sportlich ausklingen lassen und eine persönliche Bestleistung erzielt. Er lobte das ehrenamtliche Engagement des Clubs später auch auf Facebook. Sportlicher Ehrgeiz, entspannte Trainingseinheit oder dynamischer Hundespaziergang: Die Läufer kamen aus unterschiedlichen Gründen in die Klosterstadt. Darunter viele Stammgäste, wie Erhard Schäfer betonte.
Einige ließen sich eine Teilnahmeurkunde ausstellen. Wer dem Lorscher Silvesterlauf treu ist, der weiß vieles zu berichten: vom Dezember-Frühling im vergangenen Jahr mit 19 Grad plus und 350 Läufern bis zum eisigen Trab durch den verschneiten Lorscher Winterwald 2014 mit gerade einmal 150 Teilnehmern.
2015 gingen 270 Freizeitsportler an den Start. Tendenz weiter steigend. Von 330 (2017) ging die Marke hinauf auf 380 am letzten Tag des Jahres 2018. 2019 wurde mit über 400 Joggern ein Rekord notiert. Nach Corona scheint sich der Lauf auf einem stabilen Niveau eingependelt zu haben. 2020 und 2021 wurde die Veranstaltung aufgrund der Pandemie abgesagt.
„Das ist ein Familienfest“, so eine Mutter aus Bensheim, die zwei Söhne mitgebracht hatte. Andere hatten den Hund an der Leine oder das Baby im Buggy. Im Vordergrund stand die Lust am Laufen. Der LCO Lorsch hat einmal mehr eine tolle Einstimmung auf das abendliche Silvestermenü serviert. tr
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