Lorsch. Im ältesten Lorscher Gasthaus, das zugleich zu den ältesten in ganz Deutschland zählt, sind die Türen geschlossen (wir haben berichtet). Die Pächter des "Wirtshauses im Weißen Kreuz" haben ihre Arbeit allerdings nicht nur "vorübergehend" eingestellt, wie interessierte Besucher am Eingang schriftlich informiert werden. Sie haben jetzt Insolvenz angemeldet. Statt der Gastronomen hat nun ein Verwalter aus Mannheim das Sagen im repräsentativen Fachwerkbau im Herzen der Stadt.
Die Gäste, die einkehrten ins "Weiße Kreuz", werden es bedauern, dass den beiden jungen Betreibern - beide erst 26 Jahre alt - ein erfolgreicher Sprung in die Selbstständigkeit nicht gelungen ist. Kochen konnte das Duo, das auf moderne und kreative deutsche Küche als Spezialität setzte, ausgezeichnet. Ihren Beruf hatten die jungen Männer von der Pike auf gelernt, Erfahrung in der Spitzen- und Sterne-Gastronomie gesammelt - und sogar Ausbildungen als Hotelbetriebswirte hatten die beiden absolviert.
Businessplan überzeugte
Von ihrem Businessplan, den die Jung-Köche in Lorsch realisieren wollten, war die Bank überzeugt. Und von den Kandidaten mit Ambitionen war auch Karl Netzer sehr angetan. Er habe von den jungen, dynamischen und doch schon geübten Neu-Betreibern einiges erwartet.
Sie seien schließlich beileibe nicht die einzigen Interessenten gewesen, die die leerstehende Immobilie am Marktplatz nach dem Auszug der einstigen Pächter 2011 wiederbeleben wollten, berichtet der Eigentümer der bekannten Gaststätte. "Ich habe alle laufen lassen und auf die beiden gewartet", so Netzer. "Besser kann es nicht sein", habe er damals gedacht. Von der Entwicklung sei er nun "menschlich enttäuscht".
Er habe die Pächter unterstützt und sei ihnen weit entgegengekommen, meint Netzer. So habe er den jungen Leuten für einen langen Zeitraum eine günstige Miete für das liebevoll und aufwendig renovierte Gasthaus gewährt, das vor 1000 Jahren auf klösterlichem Boden erbaut wurde. Den historischen Benediktinerkeller habe er ihnen noch gratis hinzugegeben. Und als es Zahlungsschwierigkeiten gab, habe er die Miete gestundet, weil die Gastronomen versicherten, im Sommer könnten Rückstände problemlos ausgeglichen werden.
Geld, Zeit und Gefühl investiert
Mit der Herausforderung, das "Weiße Kreuz" langfristig zum Erfolg zu führen, war das Duo aber offenbar letztlich doch überfordert. Statt Ratschläge anzunehmen, hätten die Pächter eher "beratungsresistent" gewirkt, meint der Eigentümer, der das "Weiße Kreuz" vor 20 Jahren erworben und zu einem schmucken Bau umgestaltet hat.
Nur genau ein Jahr lang haben die vielversprechenden jungen Pächter das "Weiße Kreuz" betrieben. Jetzt geht die Suche nach einem Gastronomen mit erfolgreichem Konzept von Neuem los. "Ich habe viel Zeit, Geld und Gefühl investiert in das Problemhaus", sagt Netzer. Und er erklärt rückblickend: "Ich würde es nicht mehr machen, weil ich es leid bin."
Gespräche mit Interessenten
Für die nahe Zukunft hat der Unternehmer erst einmal weiterhin Arbeit mit dem "Weißen Kreuz" - und Ärger. Dass der Insolvenzverwalter Außenmöbel in den Gastraum verfrachten ließ, obwohl er ihm eine kostenfreie Lagermöglichkeit anderswo angeboten hatte, findet Netzer "empörend". Schankraum und die nach Kaiser Karl benannte Karlsstube seien auf diese Weise zum Lager degradiert und "verschandelt". Ein wenig verlockender Anblick für neue Interessenten jedenfalls. Etwas hinderlich für laufende Gespräche ist es auch, dass noch nicht klar ist, wann der Insolvenzverwalter seine Arbeit beendet hat.
Unstrittig ist, dass Netzers Engagement für das Haus in prominenter Lage - in unmittelbarer Nähe der Königshalle - für Lorsch ein Glücksfall ist. Es sollte eigentlich auch im Interesse der Stadt sein, dass das "Weiße Kreuz" nicht lange ein Leerstand bleibt, sondern dass dort bald wieder eine attraktive Gastronomie einzieht, meint Netzer.
Spätestens dann, wenn in der Klosterstadt 2014 die 1250-Jahrfeier ansteht. Netzer hofft auf eine "adäquate Küche" für sein Haus. "Schnellrestaurants gibt es schließlich überall."
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