Zwevegem

Lorschs Partnerstadt Zwevegem offenbart ihren Charme erst auf den zweiten Blick

Von 
Marcella Märtel
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Ein mehrere Meter hohes Kreuz aus alten Fahrrädern (l.) ist vor der Kirche St. Amadeus im Stadtzentrum von Zwevegem zu sehen. Durch ein Bullauge kann man Innere des 15 Meter hohen Tauchturms blicken (r.o.). Große Figuren am Straßenrand machen auf Zebrastreifen aufmerksam (r.u.). © Bilder. Märtel

Lorsch/Zwevegem. Wenn es darum geht, was Lorsch besonders macht, steht an erster Stelle natürlich das Kloster. Ein Unesco-Weltkulturerbe kann nicht jede Stadt vorweisen. So auch nicht die belgische Partnerstadt Lorschs. Zwevegem, gelegen in der Provinz West-Flandern, offenbart seinen Charme erst auf den zweiten Blick. Dennoch lohnt sich ein Besuch: Bei einem Stadtspaziergang lässt sich viel Interessantes und Sehenswertes entdecken.

Im Zentrum steht markant die Kirche St. Amandus, die 1938 gebaut wurde, um die Hallenkirche aus dem 16. Jahrhundert zu ersetzen. Auffallend ist vor dem Eingang das mehrere Meter hohe Kreuz aus Metallstangen. Darin sind verschrottete Fahrräder zusammengepresst, die Rahmen ineinander verkeilt. Das Radfahren hat für Zwevegem einen besonderen Stellenwert: In den 1930er bis 1950er Jahren fuhr der in Zwevegem geborene Rennradprofi Marcel Kint viele Siege ein. Noch heute gibt es jedes Jahr im September ein großes Radrennen, das nach ihm benannt ist.

Süßes für die Festtage

Städtepartnerschaft

Lorsch ist seit 1973 mit der belgischen Kleinstadt Zwevegem verschwistert.

Zwevegem hat etwa doppelt so viele Einwohner wie Lorsch, knapp 25.000, und liegt je rund eine Autostunde von Brügge und Brüssel entfernt.

Die Partnerschaftsvereine der beiden Städte pflegen einen regen Austausch, aus dem langjährige Freundschaften entstanden sind.

Eine Besonderheit an der Städtepartnerschaft ist, dass sowohl Lorsch als auch Zwevegem mit dem französischen Le Coteau verschwistert sind. cel

Vom Parkplatz an der Kirche aus lassen sich die Straßen der Innenstadt erkunden. Da sieht es ganz ähnlich aus wie in Lorsch: Viele Wohnhäuser, Geschäfte und Cafés. Allerdings sind die Fassaden wie für das Land typisch oft aus Backstein. In einer Bäckerei liegen die sogenannten Klaaskoeken in der Auslage, süße Hefeteilchen, die hier zu Festtagen gegessen werden. Jetzt, erzählt die Verkäuferin, denke man dabei schon an Weihnachten.

Auf dem Weg durch die Straßen fällt auf, dass die Verkehrssicherheit für Kinder einen hohen Stellenwert hat. An Zebrastreifen, die oft von Schülern genutzt werden, ziehen übergroße Kinderfiguren die Aufmerksamkeit auf sich – und sorgen dafür, dass die Kleinen beim Queren nicht übersehen werden. Auch an anderer Stelle müssen die Autos Platz machen, nämlich auf den eigens ausgewiesenen Fahrradstraßen.

Abenteuer mit Industriecharme

Etwas außerhalb liegt ein besonderer Anziehungspunkt von Zwevegem: Hier werden vor ungewöhnlicher Kulisse Hochzeiten gefeiert, im Hochseilgarten wird geklettert und Taucher gehen ins Wasser. Auf dem Gelände eines alten Elektrizitätswerks, das von 1911 bis 2001 in Betrieb war, entstehen unter kommunaler Aufsicht immer neue Möglichkeiten.

An einem Samstag im Oktober etwa stehen ein Duzend Menschen in voller Tauchermontur vor der Öffnung eines 15 Meter hohen Tanks, in dem bläulich und klar das Wasser schimmert. Der Tauchübungstank ist eingebettet in einen alten Öltank des Kraftwerks, praktisch ein Tank im Tank, und seit sechs Jahren in Betrieb. „Wir üben hier, bevor wir im Urlaub ins Meer gehen“, erzählt ein junges Paar.

Wer nur zu Besuch kommt, kann im Bistro im Erdgeschoss etwas trinken und durch eins der Bullaugen beobachten, wie die Taucher durchs Wasser gleiten und am Grund eine U-Bootattrappe erkunden. Draußen vor dem Tank lädt bei schönem Wetter ein Biergarten zum Verweilen ein. Nur ein paar Meter weiter toben Kinder auf einem großen Spielplatz. Ein Hochzeitspaar lässt sich vor einer der alten Backsteinhallen fotografieren.

Zwevegem hält für den Besucher also durchaus ein paar Überraschungen bereit. Wer von der Bergstraße kommend Brügge oder Brüssel als touristisches Ziel auserkoren hat, kann sich hier bei einem Zwischenstopp ein Abenteuer im Transfo-Park suchen. Oder im gar nicht touristischen Stadtzentrum die Ruhe genießen.

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