Sapperlot

Comedian springt in Lorsch als Moderator ein

Starkes Programm im Kultursalon

Von 
Thomas Tritsch
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Lara Ermer, Psychologin und Poetry-Slammerin, unterhielt das Publikum mit einem Auszug aus ihrem Programm „Zuckerjokes und Peitsche“. © Neu

Lorsch. Der erste Kultursalon im neuen Jahr hatte alles. Viel Musik, saftige Comedy und eine hoch gelobte Newcomerin. Nur eins hat am Dienstag im Theater Sapperlot gefehlt: Moderator Daniel Helfrich. Der Klavierkabarettist musste seine Teilnahme aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig absagen. Und dann passierte das, was in mehr als 15 Jahren und weit über einhundert Terminen nur drei Mal notwendig war: ein Kollege übernahm das Mikrophon. Diesmal war es ein Künstler, der ohnehin auf der Gästeliste stand.

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Der Comedian und Parodist Thomas Nicolai bewies vor ausverkauftem Haus seine Entertainerqualitäten und moderierte die Show cool bis ins Finale. Binnen Augenblicken verwandelt sich der Sachse in schräge Typen und prominente Köpfe.

Thomas Nicolai begeistert mit brillanten Parodien

Nicolais Stärke sind sprachliche und Dialektale Feinheiten. Zum Beispiel das Genuschel von Herbert Grönemeyer oder die phonetischen Charakteristika unterschiedlicher Sprachen. Die Parodie einer TV-Dokumentation über internationale Winzer geriet im Sapperlot grandios: die Sounds gelingen brillant, Nicolai zeichnet Typen und Töne wie ein Karikaturist ein Porträt.

Comedian Thomas Nicolai kann auch Moderation. © Neu

Der Komödiant, der auch Hörspiele spricht, hat tausend Stimmen im Kopf und leidet dennoch nicht an Wahnvorstellungen – zumindest wirkte er in Lorsch kerngesund, publikumsnah und in jeder Sekunde souverän. Nicolai spielt Schallplatten verbal rückwärts, ohne auf satanische Botschaften zu stoßen, und er schießt spontane Pfeile ins Publikum, die piksen, aber nicht langfristig wehtun.

Thomas Nicolai als "Ersatz" für Daniel Helfrich

In Leipzig geboren und groß geworden, hat er nach der Hochschule „Ernst Busch“ in Berlin sein vielseitiges Talent unter anderem durch die Vertonung von Gedichten von Joachim Ringelnatz und Christian Morgenstern sowie als Produzent, Regisseur und Autor weiter verfeinert. Im Sapperlot war Thomas Nicolai zur richtigen Zeit am richtigen Ort: seine Conférence war ein starker „Ersatz“ für Daniel Helfrich.

Und weil er mit seinem dramaturgischen Vorgänger Tobias Gnacke in bestimmten Humornischen eine humoristische Schnittmenge bildet, hatte Nicolai in seinem Solo in ebenso weiser wie kollegialer Manier seine Promi-Parodien zurückgenommen.

Lara Ermer bietet eine unterhaltsame Reise vor ihrem abendfüllenden Solo

Gnacke ist ein Vollblut-Entertainer und eine veritable Rampensau. Okay, ihm hätte man die Moderation des Abends wahrscheinlich auch anvertrauen können. Ein Typ mit unzähligen Stimmen und Gesichtern, der irgendwo zwischen Comedy, Kabarett und klassischer Unterhaltungsshow pendelt und im Sapperlot eine Starparade aus dem Koffer zaubert.

Seine Variationen über den Schlager „Der Jäger aus Kurpfalz“ mit Parodien von Peter Maffay, Andreas Gabalier, Michael Jackson oder den Toten Hosen haben das Haus auf den Kopf gestellt. Danach spurtet er durch eine Galerie von Musikgrößen wie Udo Lindenberg, Freddie Mercury, Joe Cocker und Tina Turner – und viele weitere mehr. Auch Gnacke gelingt es mit minimalen Mitteln, die Posen und Styles der Vorbilder gestisch und mimisch zu spiegeln.

Bevor die erste Hälfte mit dem Pianisten und Sänger Eden Noel, ein Wahl-Mannheimer aus Haiti, mit samtigem Soul von Jennifer Hudson bis Lionel Ritchie und einer feinen Eigenkomposition zu Ende ging, hatte Lara Ermer ihren großen Auftritt. Vor ihrem abendfüllenden Solo am 18. April an gleicher Stelle servierte die 27-jährige Newcomerin eine unterhaltsame Reise durch menschliche Biotope auf die bittersüße Comedy-Tour.

Zuckerjokes und Peitsche

Die studierte Psychologin und Ex-Poetry-Slammerin schlägt auch ernste Töne an, redet über Sexismus und Ausgrenzung, ohne dabei mit erigiertem Zeigefinger zu verkrampfen. Ihr erstes Soloprogramm titelt „Zuckerjokes und Peitsche“ trifft ins Hirn, aber ohne Moralkeule. Lara Ermer hinterlässt dem Publikum reichlich Denkstoff, aber keine blauen Flecken auf der Seele. Damit hat sie einen eigenen Bühnenstil entwickelt, der – auch im Theater Sapperlot – als aussichtsreiche Genre-Bereicherung gehandelt wird.

Trost für den abwesenden Moderator: der Auftakt 2024 war anders, aber erfolgreich. Die vier Künstler haben den Abend sauber über die Bühne gebracht. Gute Besserung!

Freier Autor

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