Eine Einstimmung auf das neue Herbstprogramm der Kreisvolkshochschule (Kvhs) gab es jetzt im Nibelungensaal – und der Auftakt war wortwörtlich zu nehmen. Denn es ging ums Singen. Jeanette Giese und Peter Moss brachten das Kunststück fertig, den ganzen Saal zum Mitsingen zu motivieren und sie benötigten keine drei Minuten, um das Publikum mitzureißen.
Beliebte Dreistimmigkeit: Laut, falsch und mit Freude singen
Selbst wer sonst nur im Auto oder unter der Dusche trällert, ließ sich anstecken und fiel mit ein. Giese, die in dieser besonderen Musikstunde auch über allerlei wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Welt des Gesangs informierte, versicherte schließlich, dass jeder Mensch diese Dreistimmigkeit beherrsche: „Laut, falsch und mit Freude – das geht immer.“
„Singen verändert die Hirnchemie“, berichtete die Musikerin. Dass diese Veränderung durchweg positiv ist, haben längst zahlreiche Studien belegt. Wer singt, reduziert zum Beispiel Stresshormone und verbessert seine Atmung wie es bei leichteren Sportübungen der Fall ist. Dass die Wirkung unmittelbar einsetzt, war beim Kvhs-Auftakt in Lorsch mitzuerleben. „Es ist wie Magie“, sagte Jeanette Giese: „Singen macht glücklich.“ Die Zuhörer, die alle zu Mitsängern wurden, bewiesen es. Die Freude war den meisten anzusehen.
Textblätter waren nicht erforderlich. Musikalische Kenntnisse ebenso wenig. Die Stimmungssteigerung funktioniert bereits, wenn man lediglich ein einfaches, ausdauerndes „La, la, la“ zustande bringt. Nicht in der perfekt einstudierten Melodie, sondern im Mitmachen und selbst aktiv werden, liegt das Geheimnis. Ob man einer Mozart-Arie nacheifert oder einem albernen Schlager, ist für die erwünschte Wirkung jedenfalls zunächst zweitrangig.
Für die Profis ist es harte Arbeit
Gut und professionell zu singen, ist natürlich etwas anderes. Dass dieses Können nicht vom Himmel fällt, sondern hart erarbeitet werden muss, daran ließ Giese keinen Zweifel. Viele Muskeln müssen dann ideal zusammenspielen und die Tiefatmung muss sitzen – und Talent braucht es selbstverständlich sowieso. Dass vielen Menschen Gesang heutzutage vor allem in Castingshows begegne, bedauerte sie, nannte etwa „schlimme Spektakel“ wie Dieter Bohlens „Superstar“-Sendung und zitierte einige seiner oft hämischen, derben und demütigenden Kommentare gegenüber manchen „armen Hascherln“.
Früher sei auch bei der Arbeit mehr gesungen worden. Giese ließ den romantischen Song der Fischer „Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt“ hören, und selbst Bundespräsidenten wie Walter Scheel sangen „Hoch auf dem gelben Wagen“ ebenso selbstverständlich öffentlich wie auch die Nationalelf 1974 ihren Hit „Fußball ist unser Leben“.
Wie sehr Gesang verbinden und berühren kann, daran erinnerte Giese mit einer bekannten Begebenheit aus dem Ersten Weltkrieg. An Weihnachten 1914 sangen deutsche Soldaten an der Westfront „Stille Nacht“, daraufhin antworteten die Briten mit einem englischen Song. Die Waffen schwiegen, für einige Momente war Frieden.
Auch Orpheus, der Held der griechischen Sage, der mit seiner Musik sogar seine Geliebte wieder zum Leben erwecken konnte, war ein Thema. Giese sowie Moss mit der Gitarre präsentierten Reinhard Meys Song „Ich wollte wie Orpheus singen“. Die Zuhörer applaudierten nach jedem Stück gerne und sangen sogar dann mit, wenn „Voice-Coach“ Giese sie nicht eigens aufgefordert hatte.
Von „Atemlos“ bis zur
„Rocky Horror Picture Show“
In dem einstündigen Mitmach-Konzert sangen sich die Teilnehmer durch ein breites Repertoire – von Helene Fischers „Atemlos“ über „Don‘t worry, be happy“ bis zum „Time Warp“ aus der berühmten Rocky Horror Picture Show, der die Besucher – die Hände in die Hüften gestemmt, einen Jump nach links und einen Step nach rechts – dann sogar zum Tanzen bringt. Singen befreit, weiß Giese, die mit einem Lied auf den Lippen auch durch die Publikumsreihen läuft und singend mit den Zuhörern spielt. Peter Moss begleitet sie mit Ukulele, am E-Bass oder am Klavier und singt gleichfalls mit.
Singen soll lebensverlängernd sein, das Praktizieren ist dabei verletzungsfrei. Was braucht es noch mehr Argumente? Jeannette Giese ermunterte im Nibelungensaal mit Temperament und Hingabe immer wieder dazu, es öfter zu tun. Das Duo verabschiedete sich mit dem italienischen Hit „Volare“, wurde mit kräftigem Applaus und Zugabe-Rufen belohnt und kam für eine solche auch gern noch einmal zurück.
Landrat Christian Engelhardt hatte die Besucher anfangs begrüßt. Nirgendwo sonst im Kreis Bergstraße sei ein so vielseitiges Programm wie bei der Kvhs unter einem Dach zu finden, unterstrich er, zählte etwa die Sparten Sprachen, Gesundheit, Weiterbildung, Kreativität auf und warb dafür, die grauen Zellen lebenslang zu trainieren. Er lobte die Arbeit des Kvhs-Teams mit Iwona Cissarz an der Spitze und rief dazu auf, die Chance zu nutzen, über die Kvhs den Erfahrungshorizont zu erweitern.
Er bekannte aber auch, dass er selbst erst einen Kurs belegte. „Spanisch kochen und essen“ war dieser betitelt und habe großen Spaß gemacht. Im vom Deutschen Musikrat 2025 ausgerufenen „Jahr der Stimme“ habe die Kreisvolkshochschule auch im Themenbereich Musik eine Reihe passender Angebote, so Engelhardt.
Sprechen, tanzen, musizieren
Seit 25 Jahren hat die Kreisvolkshochschule ihren Sitz in Lorsch. Daran erinnerte Iwona Cissarz, die im vorigen Jahr die Kvhs-Leitung übernommen hat, in ihrer Ansprache zum Semesterbeginn im Nibelungensaal.
Seit mehr als 20 Jahren gehört auch Jeannette Giese zum Team der Kursleiter. Die erfahrene Musikerin und Sängerin ist auch im aktuellen Herbstprogramm der Kvhs mit mehreren Angeboten vertreten. „Singen macht schön“ heißt einer ihrer Workshops“, den Interessierte Ende September sowie Mitte November belegen können.
Bei ihrem Auftritt zum Semesterstart in Lorsch machte Jeanette Giese mehrfach darauf aufmerksam, dass singen auch all denjenigen hilft, die beruflich bedingt viel sprechen und den Mund aufmachen müssen. Singen stärkt das Immunsystem, verbessert Atmung und Haltung und nicht zuletzt auch das Selbstbewusstsein.
Neben „Voice Coach“ Giese unterrichten auch weitere Kursleiter bei der Kvhs Bergstraße im Bereich Stimme und Musik. In Kürze startet zum Beispiel ein Workshop namens „Heilsames Singen“ unter der Leitung von Jutta Weis.
Wer möchte, kann auch Tanz-Kurse belegen, einen von mehreren Ukulele-Workshops absolvieren oder bei der Kreisvolkshochschule trommeln sowie Songwriting lernen. sch
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