Lorsch. Am Sonntag konnten sich die Besucher beim „Tag der experimentellen Archäologie“ im Lorscher Freilichtlabor ein gutes Bild vom Leben, Wohnen und Arbeiten im Mittelalter machen. Die Besucher genossen es, den Mitarbeitern und Wissenschaftlern bei ihrer Tätigkeit über die Schulter schauen zu dürfen und hatten zudem viele Fragen.
Wie wurden im Mittelalter eigentlich Straßen gebaut, und wie hat man das schwere Material damals transportiert? Wie wurde Ackerbau betrieben und welche anderen handwerklichen Arbeiten mussten verrichtet werden?
Alles spannende Fragen, und bei vielem können wir uns heute nicht mehr vorstellen, dass diese Dinge früher so abgelaufen sind. Statt Kleintransporter gab es den Ochsenkarren, und natürlich mussten auch alle Werkzeuge zuerst einmal angefertigt werden, die man später zur Be- und Verarbeitung brauchte.
Die Menschen im Mittelalter mussten zudem noch sehr viel Kraft wie Mühe und Zeit reinstecken, um einfachste Werkzeuge zu bauen, damit sie die Feldarbeit erledigen und die Ernte einbringen konnten.
Schon bei der Eröffnung um 10 Uhr waren bereits so einige Besucher auf dem Weg zum Eingang. Darunter viele Familien mit Kindern. Über mehrere Stunden bestand Gelegenheit, sich mit Wissenschaftlern und Gästeführern auszutauschen. Altes Handwerk aus nächster Nähe mitzuerleben, war mehr als spannend. Auf dem 4,1 Hektar großen Gelände, das dem Leben, Wohnen und Arbeiten im 8. und 9. Jahrhundert nachempfunden ist, konnte man unter anderem frühere Waffen, Fechtwaffen sowie eine Art Panzerweste (Panzerreiter) bewundern, die dekorativ auf den Tischen lagen.
Die Versuche, zusammen mit Partnern die komplette Ausrüstung eines frühmittelalterlichen Panzerreiters zu rekonstruieren, war für die Fachleute ebenso spannend. Solch ein Oberteil sieht zwar aus wie ein Gürteltier, doch die Sicherheit des Trägers stand dabei natürlich im Mittelpunkt. „Ein Kettenhemd bestand aus rund 25.000 Ringen, die miteinander verbunden werden mussten, und das war eine ziemliche Fleißarbeit“, informierte einer der Fachleute an einem anderen Stand.
Zugrinder konnten kurzzeitig bis zu 200 Kilogramm ziehen
Ein Höhepunkt waren die beiden Zugrinder, die demonstrierten, wie man früher gepflügt hat. Um die 800 Kilogramm wiegt ein Tier, und für kürzere Strecken kann die Zugkraft auch mal kurzzeitig bei 200 Kilogramm liegen, erfuhren die Besucher. Was die Zugkraft und eine längere Zeitdauer betrifft, seien das realistischerweise eher 130 Kilogramm, hieß es.
Anhand dieser Präsentation folgte noch eine ergänzende Information zur Pflugtechnik und der Art von Pflügen, die früher genutzt wurden. Aus längst vergangener Zeit lassen sich auch für heute Punkte ableiten, die für die Landwirtschaft der Zukunft in Verbindung mit dem Klimawandel und anderen Herausforderungen noch eine wichtige Rolle spielen könnten, erfuhren die Gäste. Mit dem Auerrindprojekt, welches Beweidungsprojekte in ganz Deutschland initiiert hat, kooperiert man in Lauresham mittlerweile auch mit anderen Stellen und einem aDNA-Labor. Ziel ist, dass man aus genetischer Sicht dem im 17. Jahrhundert ausgestorbenen Auerochsen wieder näher kommen will.
Neben praktischen Vorführungen konnten die Besucher ihr Wissen durch drei Fachvorträge ergänzen. Nebenan hatten die Jüngeren Gelegenheit, aus Tierknochen Dekoratives zu gestalten. Eine harte Arbeit, im wahrsten Sinne des Wortes, doch dies reizte am Ende sogar besonders.
Eher beschaulich ging es in der Küche eines Hauses bei der Käseherstellung zu. „Das dauert aber noch ein bisschen, bis er fertig ist“, informierte die Mitarbeiterin den kleinen Jungen, der gerne einmal probiert hätte. Für den Hunger zwischendurch war man an anderer Stelle entsprechend gut vorbereitet, und es gab sogar Eis.
In einem weiteren Haus konnten die Besucher den Frauen beim Weben zuschauen, und gegenüber wurden Dachschindeln aus Holz gefertigt. Überall hatten die Besucher die Möglichkeit, auf ihre Fragen die entsprechenden und kompetenten Antworten zu bekommen. Mit diesem umfangreichen Gepäck gingen die Gäste am Ende nach Hause.
Die verschiedenen Stationen, an denen sie sich umschauen konnten, gaben einen umfassenden Eindruck über das ganz andere und ziemlich beschwerliche Leben im Mittelalter.
EAm 24. Mai gibt es eine Sprichwortführung in Lauresham, am 7. Juni führt Oda durch den Herrenhof.
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