Theater Sapperlot

Finale zum Lorscher Abt auf der Klosterwiese

Von 
Thomas Tritsch
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Kandidaten für den Lorscher Abt 2021: (o.v.l.) Friedemann Weise, Mr. Leu, (u.v.l.) Nils Heinrich und Jan van Weyde. © Sapperlot

Lorsch. Die klösterliche Stille ist vorbei. Nach vielen Monaten Verzicht und Entsagung kehrt der Lorscher Abt zurück. Und zwar genau dorthin, wo er früher einmal gewohnt hat, so Hans-Peter Frohnmaier augenzwinkernd. Der Theaterchef freut sich auf die Gala, die am 7. September auf der Sommerbühne an der Klosterwiese stattfinden wird. Ein Lichtblick. Denn durch die aktuelle Entspannung in der Corona-Pandemie sind Veranstaltungen unter freiem Himmel zum Glück wieder möglich. Für das Theater Sapperlot ein softer Restart im Grünen – mit der Hoffnung auf eine stabile Situation, die der Kultur wieder Luft zum Atmen lässt.

Im vergangenen Jahr pausierte die Preisverleihung. Zunächst wollte sich das Theater ab Juni eine schöpferische Auszeit gönnen. Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung war es nicht auszudenken, wie sich die weiteren Monate entwickeln sollten. Die Kulturmacher mussten am Ball bleiben, immer wieder neu planen und mit Ersatzterminen jonglieren. Auch der Kultursalon als Live-Forum für die Auswahl der Finalisten hatte seit Beginn der Pandemie keine Chance mehr. Nach der letzten offenen Bühne in der alten Tabakscheune im Februar 2020 ging es erst im September in der Einhäuser Mehrzweckhalle vorsichtig weiter.

Letzter Sieger war Kay Ray

Jetzt kommt der Abt zurück. Aus sechs Shows mit insgesamt 35 Künstlern in der Spielzeit seit Herbst 2019 wurde eine Shortlist mit den Top 10 erstellt. Die Finalisten 2021 heißen Mr. Leu, Friedemann Weise, Nils Heinrich und Jan van Weyde. Das Publikum und eine unabhängige Jury werden am 7. September den Gewinner küren. Zuletzt hatte sich 2019 Kay Ray den Kleinkunstpreis gesichert, der in Lorsch seit 2014 vergeben wird. Voraussetzung ist ein Kurzauftritt im Kultursalon, der von Anfang an vom Klavierkabarettisten Daniel Helfrich koordiniert und moderiert wird.

„Wir freuen uns wie Bolle, dass es auf der Sommerbühne weitergehen kann“, so Hans-Peter Frohnmaier, der mit den vier Kandidaten mehr als glücklich ist. „Ein sehr reizvoller Mix mit spannenden künstlerischen Kontrasten.“

Friedemann Weise (Jahrgang 1973) ist selbsternannter „King of Understatement“. Der Liedermacher, Satiriker und Autor aus Köln ist vielseitig unterwegs. Sein erstes Soloprogramm „Der große Kleinkunstschwindel“ wurde 2013 mit dem großen Passauer Scharfrichterbeil ausgezeichnet. 2015 war er Finalist beim Prix Pantheon. Aktuell präsentiert er sein drittes Solo „Bingo“. Premium-Quatsch mit feinen Musikeinlagen. Seinen Stil beschreibt am besten der Titel des zweiten Programms: „Die Welt aus der Sicht von schräg hinten“.

Jan van Weyde ist ein Stand-Up Comedian und Synchronsprecher aus Köln. Er begann seine Karriere als Schauspieler, doch sein Slapstick-Talent spülte ihn zusätzlich auf die Kleinkunstbühne. Mit seinem abendfüllenden Solo-Programm „Große Klappe – die Erste“ tourt der 41-Jährige durch die Lande, wenn er nicht gerade in TV-Serien („Sturm der Liebe“) für Wallungen sorgt.

„Es gibt keine Gewissheiten mehr. Nicht im Politischen und schon gar nicht im Privaten“, so Nils Heinrich. Geboren 1971 im Sächsischen, gestaltet er gekonnt Pointen und Szenarien aus scheinbar harmlosen Zutaten, die er auf der Bühne in explosive Sprengsätze verwandelt. Klug, zynisch und bisweilen makaber, inszeniert er in seinem Solo „Deutschland einig Katerland“ eine Rundreise durch die deutsche Moderne der Nachwendezeit. Er freut sich über tätowierte und gepiercte Mainstream-Eltern („Früher hatten nur Knackis so was“) und blickt frech auf die Merkwürdigkeiten des Lebens. Feine Andeutungen, gefühlvoll dosierte Bösartigkeit und ein Hauch melancholischer Zynismus sind die Zutaten, mit denen er es ins Finale des Lorscher Abts gebracht hat.

Mr. Leu kennt man nicht nur als virtuosen Tastenmann von „Evi & das Tier“ neben seiner Frau und Bühnenpartnerin Evi Niessner: Als Derwisch der Tasten und facettenreicher Bühnencharakter steht er in etlichen eigenen Shows auf der Bühne. Mit seinem Programm „Invitation To The Blues“ hat er eine famose Hommage an Tom Waits im Repertoire. Er singt die bildstarken Texte im englischen Original oder hat sie pointiert ins Deutsche übertragen. Daraus entsteht eine musikalische Tour durch die Randbezirke des Lebens, zu gebrochenen Träumern, fatalistischen Großstadthelden und abgehalfterten Desperados. Mr. Leu bringt die pathetische Schönheit und epische Dichte der knorrig-lyrischen Schwarz-Weiß-Songs brillant auf den Punkt. Seine Lieder sind, obwohl immer ganz Waits, auch immer einhundert Prozent er selbst.

„Kunst braucht alle Menschen“

„Die Kunst braucht alle Menschen, und alle Menschen brauchen Kunst“, so der 2019er-Preisträger Kay Ray in einer Notiz an die Veranstalter. In diesem Sinne soll es auf der Klosterwiese alles andere als still werden. Hans-Peter Frohnmaier hofft auf einen reibungslosen Neustart der Lorscher Kulturszene an einem ganz besonderen Spielort.

Die Sommerbühne

Die Sommerbühne ist ein Gemeinschaftsprojekt der Stadt Lorsch mit verschiedenen Kooperationspartnern.

Das Sapperlot steuert vom 31. August bis 12. September acht Veranstaltungen bei. Darunter Gastspiele von Mundstuhl, Florian Schröder und der Band Dreiviertelblut. Der Vorverkauf läuft ausschließlich über die Homepage www.sapperlottheater.de

Die Veranstaltungen auf der Klosterwiese sind nach dem Stand der Dinge voll bestuhlt und für bis zu 200 Personen genehmigt. Ob bis dahin noch Testnachweise benötigt werden, bleibt abzuwarten. Grundsätzlich gelten die aktuellen Anordnungen der hessischen Landesregierung.

Ermöglicht wird die Sommerbühne durch eine Förderzusage im Rahmen des Programms „Ins Freie“ (Kulturpaket II) vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, unterstützt von der Stadt Lorsch und der lokalen Entwicklungsgesellschaft EGL.

Der Lorscher Abt ist eine handgefertigte Skulptur des Lorscher Metallbildhauers Jürgen Heinz. Die Trophäe zeigt einen stark abstrahierten Mönch aus bearbeitetem Stahlrohr.

Die Jury 2021 besteht aus dem HR-Moderator Christian Maatje, der Lorscher Kulturamtsleiterin Gabi Dewald, dem Hemsbacher Bürgermeister Jürgen Kirchner, dem Bensheimer Journalisten Thomas Tritsch sowie den Kabarettisten und Autoren Severin Groebner (Frankfurt, Wien) und Frederic Hormuth aus Heppenheim.

Musikalisch umrahmt wird der Abend vom Huub Dutch Duo. tr

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