Persönlich - Lorscherin Andrea Bienia steht im Finale für den hessischen Gründerpreis / Alleinerziehende Mutter überzeugte mit "mutiger Existenzgründung"

Erst arbeitslos, jetzt die eigene Chefin

Von 
Nina Schmelzing
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Andrea Bienia hat sich in Lorsch mit einer Nähschule selbstständig gemacht. Jetzt ist die 46-Jährige Finalistin beim hessischen Gründerpreis. Jens Hohmann, Leiter des Gründerzentrums in Lorsch, hat sie dabei erfolgreich unterstützt.

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Lorsch. Am 18. November wird der hessische Gründerpreis verliehen - und die Chancen stehen nicht schlecht, dass eine Lorscherin die Auszeichnung erhält. Andrea Bienia hat jedenfalls bereits den Einzug in die letzte Runde geschafft. Nur zwei Mitbewerberinnen können der 46-Jährigen den Preis jetzt noch abjagen.

Geldgeber winkten ab

Bienia betreibt in Lorsch eine Nähschule. Der Weg, bis sie Chefin in ihrem eigenen Laden wurde, war allerdings alles andere als einfach. Als sie sich eine neue Existenz aufbauen wollte, hatte sie jede Menge Hürden zu überwinden. An Ideen und Engagement fehlte es Bienia nicht, aber an Kapital.

Die Mutter von drei Kindern war alleinerziehend und arbeitslos, als sie sich auf die Suche nach Geldgebern machte. Ihren Vater wollte sie ungern anpumpen. "Das muss ich jetzt alleine rocken", hatte sie sich vorgenommen. Frustrierende Erfahrung allerdings: Diejenigen, bei denen sie vorstellig wurde, winkten dankend ab.

Bevor sie ans Aufgeben dachte, führte sie der Weg aber auch zu Jens Hohmann. Der Leiter des Regionalen Gründerzentrums in Lorsch habe sie "großartig unterstützt", berichtet Bienia. Folge: Bienia konnte ihre Geschäftsidee im Februar 2014 verwirklichen. Und weil sie das erfolgreich gegen vielerlei Widerstände hinbekam, schlug Hohmann seine Kundin anschließend für den Wettbewerb um den Gründerpreis vor. Damit hatte er ein gutes Händchen bewiesen.

Hart: Businessplan erarbeiten

Wie hat Hohmann helfen können? Nicht mit Geld. Aber mit vielen professionellen Tipps für einen richtigen Businessplan beispielsweise. "Eine harte Nummer", sagt Bienia, ausgebildete Schaufensterdekorateurin, wenn man nicht genau wisse, worauf es bei diesem Dokument ankommt. Auf 67 wohl durchdachte Seiten wuchs das Werk dank der guten Zusammenarbeit an - und führte zum Ziel.

Hohmann berät im Gründerzentrum in der Bahnhofstraße - unter dem Dach der Entwicklungsgesellschaft Lorsch (EGL) - interessierte Existenzgründer bei den ersten Schritten in die Selbstständigkeit. Die Beratung ist kostenlos - und hilfreich. Viele Gründer mit guten Ideen, weiß Hohmann, schätzen ihren geplanten Umsatz vorschnell als ausreichend ein. Sie vergessen aber nicht selten, dass sie diesen Geldbetrag nicht zur freien Verfügung haben. Dass sie auch ihre Krankenversicherungsbeiträge selbst bezahlen müssen und für die Rente vorsorgen, werde oft nicht bedacht.

Hohmann rechnet aber nicht nur. Andrea Bienia hat er auch beim Marketing und der Homepage unterstützt. Und er hat sie - als er sie für den Gründerpreis vorschlug - gecoacht. Die Lorscherin hat er ganz bewusst für die Kategorie "Mutige Unternehmensgründung" ausgewählt.

Dass Bienia den Preis verdient hätte, das ist für Hohmann ganz klar. Auch die zwölfköpfige Jury muss aber überzeugt werden. Die Lorscher setzen da auf gute Vorbereitung. Vom Aufbau eines Spannungsbogens über die Powerpoint-Präsentation bis zum attraktiven Messestand denkt Jens Hohmann an alles.

Tarek Al-Wazir ist Schirmherr

Dotiert ist der Gründerpreis nicht. Wichtiger ist es den Veranstaltern - die Schirmherrschaft hat Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir übernommen - erfolgreiche Gründer bekannt zu machen. Abgesehen von mutigen Gründern werden auch innovative Unternehmer sowie Gründer ausgezeichnet, die neue Arbeitsplätze schaffen.

Andrea Bienias Laden ist in Lorsch inzwischen nicht mehr wegzudenken. Ihre Nähkurse für Kinder, ihr Ferienprogramm und die Workshops für Mutter und Kind beziehungsweise Vater und Kind sind gefragt. Teilnehmer ab acht Jahren sitzen in der Nibelungenstraße an den Nähmaschinen und lernen, eigene Kuscheltiere und Lese-Knochen zu nähen - und mit etwas Übung schneidern sie stolz sogar ihre eigenen Jogginghosen und T-Shirts.

In den Kursen näht jeder, was er möchte. "Schwierig", gibt Bienia zu, dass Frontalunterricht einfacher und nervenschonender wäre. Das individuelle Angebot mache aber trotz der Mehrarbeit letztlich mehr Freude.

"Bei mir lernt jeder nähen"

Bienia vermittelt den Teilnehmern nach jeweiligem Bedarf alle wichtigen Fertigkeiten - vom Knopf annähen bis zum Schließen einer Wendeöffnung. Auch Crashkurse, Nadelpartys und Wochenende-Kurse gehören zu ihrem Programm. "Bei mir lernt jeder nähen", versichert sie.

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