Lorsch. Mit Bären, Büffeln und jeder Menge unsichtbarer Halunken mussten sich die beiden berühmtesten Gutmenschen aus dem Wilden Westen, Old Shatterhand und Winnetou, am Sonntag auf der Sapperlot-Bühne herumschlagen: Mann gegen Mann, Mann gegen eine Bande von Räubern, Mann gegen Tier - und umgekehrt.
Gewaltige, imaginäre Kämpfe mit Faust und Knarre wurden auf engstem Raum ausgefochten, was bei den Zuschauern Lachkrämpfe bis an den Rand der Erschöpfung hervorrief.
Old Shatterhand und Pierre Brice
Wer bis dato felsenfest überzeugt war, dass Lex Barker der charismatischste, tapferste Old Shatterhand aller Zeiten war und Pierre Brice der charmanteste, glutäugigste Winnetou, der je auf einem Pferd gesessen hat, der wurde in Lorsch eines Besseren belehrt.
Der schwäbische Tausendsassa Herr Hämmerle (jener, der das Sapperlot schon früher als Elvis zum Beben brachte), alias Bernd Kohlhepp, und sein Kompagnon Chris Boettcher stellten alle bisherige Heldentaten des Gespanns in den Schatten und ließen die Originale ganz schön alt aussehen.
Eine bleibende Erinnerung
Wer Kohlhepp & Boettcher gesehen und erlebt hat, wird die beiden Blutsbrüder, Apachenhäuptling Winnetou und Old Shatterhand, den Erfinder des legendären Henrystutzens, so schnell nicht vergessen.
Was einst Karl May verpasste - oder einfach nicht aufschreiben wollte -, was Filmemacher unter den Tisch beziehungsweise Präriesand kehrten, holten die beiden Erzkomödianten jetzt ans Tageslicht und spielten und sangen bislang nie gespielten Szenen.
Verzicht auf Feder und Pferd
Und weil es ein irre komischer, dazu musikalischer Western für Erwachsene war, verzichtete das Gespann auf jeglichen "Firlefanz": nicht eine einzige Feder, kein Fransenhemd, kein Stirnband, kein Pferd, keine Friedenspfeife. Nichts.
Die beiden bärenstarken Typen im schwarzen Anzug brauchten keine Verkleidung.
Wer ihnen bei den "Schaukämpfen" zusah und sie auf ihrer aberwitzigen, höchst spannenden Reise in den Westen begleitete, war auch so hin und weg. "Wir brauchen eine Lösung. Ein Problem haben wir schon", lautete ein Satz aus dem "Winnetou IV"-Streifen der beiden Spaßmacher. Ein anderer: "Alkohol ist keine Lösung. (Pause). Alkohol ist ein Destillat."
Die Zeiten, in denen Mario Adorf überzeugend den Oberbösewicht gespielt hat, sind laut Kohlhepp & Boettcher auch längst Vergangenheit. Ein Ersatz war schnell gefunden.
Keines der Wildwest-Klischees ließen die beiden aus, und ihre klitzekleinen Seitenhiebe auf Besserwisserei und Scheinheiligkeit verpackten sie so geschickt, dass sie kein bisschen schmerzten.
In der herrlich schrägen Comedy-Pantomime, in der Spontanität, große Gesten und großartige Mimik mehr sagten als tausend Worte, durfte ein wichtiges Detail natürlich nicht fehlen: die Liebe.
Auch das begeisterte Publikum im Sapperlot-Theater spielte perfekt mit. Zumindest die beiden Pärchen in der ersten Reihe, die in die Handlung nahtlos mit eingebunden wurden, gaben wunderbare Statisten ab.
Die übrigen Besucher konnten sich beruhigt zurücklehnen und das Szenario nach Herzenslust genießen. Sie mussten jedenfalls keine Fangfragen beantworten. gs
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