Neues Angebot

Dokumentationsstätte für jüdisches Leben öffnet im März in Lorsch

Von 
Nina Schmelzing
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Lorsch. In Lorsch wird es in Kürze eine Dokumentationsstätte jüdischen Lebens in der Region geben. Eingerichtet wird sie in der Stadtmitte, im ehemaligen Schulhaus, das aus dem 16. Jahrhundert stammt. Das Fachwerkgebäude wird seit eineinhalb Jahren renoviert. In ehrenamtlicher Initiative kümmern sich vor allem der Lorscher Heimat- und Kulturverein sowie die Verein Kurpfalz darum, die Räume für die neue Bestimmung zu gestalten. Im Anschluss an die Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht gab es für Interessierte am Dienstagabend erstmals die Möglichkeit, die künftige Dokumentationsstätte zu betreten.

Die Initiatoren Thilo Figaj und Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard führten Interessierte in kleinen Gruppen durch die Räume, die im Obergeschoss des Hauses direkt über der Kurpfalz-Bibliothek liegen. An mehren Wänden sind bereits Info-Tafeln angebracht, die über jüdische Kultur unterrichten. Man erfährt zum Beispiel, dass der jüdische Kalender im Jahr 3761 vor Christus mit der Zählung beginnt und jetzt das Jahr 5781 erreicht ist.

Zu den Exponaten, die schon ausgestellt sind, gehört unter anderem eine alte Schreibmaschine. Sie gehörte dem Lorscher Siegbert Mann. Juden mussten in der Zeit des Nationalsozialismus Schmuck und Wertsachen abgeben, sie durften keine Zeitungen mehr beziehen, keine Radios behalten, keine Schreibmaschinen. Mann, der in der Lorscher Bahnhofstraße wohnte, wurde in Auschwitz ermordet.

Folgen werden unter anderem noch ein Thora-Vorhang sowie die Reste eines 1938 fast verbrannten jüdischen Gebetsbuches – ein wertvolles Lorscher Relikt aus der zerstörten Synagoge. Einige der losen Seiten mit Brandspuren der Pogromnacht hatte Figaj im Vorjahr im Rahmen der Veranstaltung zum 9. November gezeigt. Sie sollen einen besonderen Platz in der Dokustätte erhalten, die in unmittelbarer Nähe der Gedenkstätte in der Stiftstraße liegt.

Weder als ein reines Archiv, noch als Museum soll die neue Dokumentationsstätte fungieren, erläutert Figaj. Die Initiatoren hoffen, dass viele Schüler den Ort auch als Bildungsstätte nutzen. Die Räume, mit QR-Codes für weitere Informationen versehen, sollen auf gut 60 Quadratmetern dauerhaft auch audiovisuelle Zeugnisse jüdischen Lebens beinhalten. Zum Beispiel soll ein Interview, das Karola Kahn mit ihren Urenkelinnen führte, abrufbereit aufbewahrt werden.

Das Gespräch der Lorscherin, geboren in der Nibelungenstraße, wurde im Original auf Kassette aufgenommen, ist inzwischen aber auch digitalisiert worden. Sie erinnert sich auf Nachfragen der Mädchen an den jüdischen Alltag in den 1920er und 1930er Jahren in Lorsch, Bensheim und der Region. Sie berichtet von den Festnahmen ihres Mannes durch die Nazis – und wie es ihr einmal gelang, die Gestapo „auszutricksen“ und Leben zu retten. Sie berichtet auch von schönen jüdischen Festen, die sie in der Zeit vor dem Nationalsozialismus erleben konnte.

Besichtigungstermin vorab

Die Renovierungsarbeiten sind abgeschlossen. Eröffnet werden soll die Dokumentationsstätte für jüdisches Leben in Lorsch, Südhessen und der östlichen Kurpfalz im März, so der Heimat- und Kulturverein, der Trägerverein wird. Weil am Dienstag – wegen der Corona-Auflagen, die eine maximale Zahl von nur fünf Besuchern je Gruppe erlaubte– nicht alle Interessierten die Räume besuchen konnten, bietet der Verein vor März noch einen weiteren Termin zur Begehung an: am 20. November, 18 Uhr. Anmeldung unter t.figaj@kulturverein-lorsch.de.

Redaktion

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