Hofflohmarkt

Bücher, Puzzles, Pflanzen oder auch ein „Papamobil“ kaufen

An 200 Adressen im Stadtgebiet konnten Interessierte fündig werden – manches wurde sogar verschenkt.

Von 
Nina Schmelzing
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Das Flohmarkt-Angebot war riesig, Hausrat war vielfach dabei. © Jürgen Strieder

Lorsch. Nur mal gucken und ein bisschen schlendern, denn eigentlich brauche ich ja nichts. Das hat sich mancher am Sonntag vielleicht vorgenommen und sich auf den Weg durch die Stadt gemacht. Wahrscheinlich aber kamen auch die Spaziergänger, die mit dieser Devise loszogen, am späteren Nachmittag dann doch mit ein bisschen Gepäck wieder nach Hause. Immerhin 200 Verkaufsstände, quer über das Stadtgebiet verteilt, verlockten schließlich beim inzwischen vierten Lorscher Hofflohmarkt zum Stöbern. Da ist es fast unmöglich, nicht doch plötzlich fündig zu werden.

Wer gerne liest, hat mit Sicherheit einen Abstecher in die Schulstraße unternommen. Denn im Haus Nummer 19 ist die Bücherei untergebracht. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter wollten Platz in den Regalen schaffen. Titel, die sie aus dem Bestand ausgemustert haben, präsentierten sie in Kartons und langen Buchreihen auf dem Parkplatz – und das waren erstaunlich viele.

Stapelweise Kriminalromane auf Spendenbasis zu haben

Einen ganzen Stapel mit Krimis von Ingrid Noll konnte man mitnehmen – und spannende Taschenbücher von ihren Kollegen Bernhard Schlink und Wofgang Burger noch dazu. Für Leser, die sich gerne gruseln, gab es einen dicken Band namens „Horror vom Feinsten“ mit Geschichten von Stephen King, Clive Barker und anderen. Der Nachwuchs, der noch nicht lesen kann, freute sich über ein neues Wimmelbuch, ältere Geschwister griffen zu einem der inzwischen 19-bändigen köstlichen Reihe von „Gregs Tagebuch“, eine Großmutter zu Märchen.

Die „Weisheiten des Buddha“ standen direkt neben Charles Bukowskis „Liebesleben der Hyäne“. Ein schmaler Band mit „Koreanischen Erzählungen“ entführt Leser auf anspruchsvolle Art nach Ostasien, mehr als 1000 Seiten kann man dagegen im „Distelfink“ schmökern, für den Roman wurde die amerikanische Autorin Donna Tartt mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Den Ratgeber mit Einschlaf-Tipps konnten Leser getrost liegen lassen, sie können auch künftig abends einfach irgendwann sanft über neu erworbener schöner Literatur einnicken.

Trotz des Abverkaufs, der auf Spendenbasis erfolgte, werden die Leser beim nächsten Besuch in der Bücherei noch genügend Lesestoff zum Ausleihen finden. Das versicherte das Bücherei-Team auf Nachfrage. Knapp 10.000 Titel umfasst das Sortiment in der Schulstraße. Das ist für eine ehrenamtlich organisierte Bücherei eine Menge.

Nur wenige Schritte weiter weckten gleichfalls mehrere Bücherkisten die Neugier. Erstmals hatte sich die Kurpfalz-Bibliothek am Hofflohmarkt der Stadt beteiligt. Fündig wurden dort alle diejenigen, die sich für Heimatgeschichte interessieren. Gegen Spenden wurden Dubletten aus dem ebenfalls beachtlichen Bibliotheksbestand abgegeben. So freute sich eine Besucherin, Literatur zum Lorscher Arzneibuch mitnehmen zu können, eine andere blätterte in Karl-Heinz Mottauschs Lorscher Mundartbuch. Publikationen, die man anderswo kaum finden wird, die Lesenden aber die Augen öffnen auch für die Kommunen in der Nachbarschaft, sind in der Kurpfalz-Bibliothek versammelt.

Wann hat man sonst Gelegenheit, über die Bensheimer Schulgeschichte zu lesen, das Reichenbacher Heimatbuch oder zahlreich Literatur über den Odenwald in der Hand zu haben? Petra Schöppner, die die Bibliothek betreut, hatte die Auswahl zusammengestellt. Neubürger könnten zum Beispiel eine ganze Kiste mit Büchern über Heppenheim erwerben und wären umgehend detailliert über ihre neue Heimat informiert, meinte Thilo Figaj. Der Vorsitzende des Lorscher Heimat- und Kulturvereins bot am Sonntag auch Führungen durch das Dokumentationszentrum Landjudenschaft an, das im Stockwerk über der Bibliothek im Alten Schulhaus eingerichtet ist.

Glücklich mit Schaukelpferd und batteriebetriebenem Hund

Gebrauchtes Spielzeug, das Kinder begeistert, gab es fast an jeder Ecke: ein prächtiges Playmobil-Piratenschiff, Barbie-Puppen, Autos, Bauklötze und Legosteine gehörten dazu. Selig schien ein Kleinkind, das auf einem alten Schaukelpferd wippte, glücklich zogen auch zwei Mädchen weiter, die für nur zwei Euro einen knuffigen, batteriebetriebenen Hund kauften, der ihnen nun treu durch die Wohnung nachwackeln wird.

So bleibt Papa mobil und unabhängig

Vom Zubehör für Computerspiele, Gaming-Lenkrad und Gaspedalen, wollten sich zwei Jugendliche trennen. Ein „Papamobil“ zog in der Heppenheimer Straße die Blicke auf sich. Es handelte sich zwar nicht um ein päpstliches, aber um ein praktisches Gefährt. Den solarbetriebenen Rollstuhl hatte der frühere Besitzer, „unser Papa“, wie die Verkäufer zum Namen erklärten, mit Regenschutz-Plane noch einsatzfähiger gestaltet. Auch mit Gehbehinderung sei er so unabhängig und bei jedem Wetter überall hingekommen. Für 150 Euro war das komfortable „Papamobil“ mit drehbarem Sitz und allerlei Extras jetzt abzugeben.

Mehrere Lorscher hatten einen Stand aufgebaut, weil sie gerade neu zugezogen sind und das bisherige Mobiliar nicht in das jetzige Zuhause passt oder weil sie ausräumen und im Begriff sind, fortzuziehen aus Lorsch – nach Heppenheim ins Haus der Urgroßeltern, wie eine Lorscherin erzählte, die einen kleinen Rasenmäher anbot. Im neuen Haus steht ein größeres Modell zur Verfügung.

Für Kinder gab es auf dem riesigen Flohmarkt fast alles: Reitkleidung und Taucherflossen ebenso wie Inliner in allen Größen. Manche Mutter war fast so gut sortiert wie ein Kindermodengeschäft und beriet Interessierte auch freundlich und fachkundig. Wer wollte, konnte am Sonntag eine Trompete kaufen – oder neben zahlreichen Fahrrädern auch ein Suzuki-Motorrad. Das Schöne am Flohmarkt ist unter anderem, dass man nicht weiß, was man entdecken wird.

In einer Straße nutzten Verkäufer das ideale, sonnige Flohmarkt-Wetter auch, um mit Sekt auf ihre gute Nachbarschaft anzustoßen und sich gegenseitig von ihren Sommerurlaubs-Erlebnissen zu erzählen. An zahlreichen Ständen kam man sofort miteinander ins Gespräch. Um die Verkaufspreise oder ums harte Feilschen ging es dabei selten, man unterhielt sich lieber über alle möglichen anderen angenehmen Themen.

An mehreren Ständen mussten Interessierte ihr Portemonnaie sogar überhaupt nicht zücken. Die Verkäufer freuten sich, wenn Teile, die sie ausrangierten, zu jungen Familien kamen, die sie gerade sehr gut gebrauchen konnten. Baby-Bodys, Trinkflaschen und Rasseln wurden ebenso verschenkt wie Luftballons, Papp-Bilderbücher und Plastikfiguren.

Manchmal werden Eltern, die daheim Ordnung schaffen wollen, aber auch zurückgepfiffen von ihren eigenen Kindern. Die wunderschöne selbstgebaute Seifenkiste auf dem Flohmarkt verscherbeln? Das kommt nicht in Frage, entschieden die Söhne eines Vaters, die das Schmuckstück sofort wieder selbst in Betrieb nahmen.

So sorgt die Ruinenstadt Petra für eine wohltuende Pause

Auch Puzzles mit 700 Teilen wurden verschenkt – nur leider kann man nirgendwo die Zeit mit dazu kaufen, die es braucht, um zum Beispiel das gewaltige Bild der weltberühmten Ruinenstadt Petra langwierig zusammenzusetzen. Um Geduld und Muße muss man sich dann schon selbst kümmern, um in den 700 Teilen, alle gleichfarbig sandbraun, konzentriert die jeweils richtigen Anschlüsse für die Felsenstadt zu finden, die zu den Weltwundern zählt.

Aber es lohnt sich, versicherte die Lorscher Familie, die große Puzzles auch als eine Möglichkeit empfahl, aus dem hektischen Alltag der digitalen Geräte allerorten regelmäßig auszusteigen und so für eine wohltuende Pause für sich selbst und seine Kinder zu sorgen.

Redaktion

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