Die Ökumenische Flüchtlingshilfe (ÖFL) unter Vorsitz von Margot Müller organisiert eine Fülle von Terminen. Die Mitglieder des Vereins kümmern sich um Sprachkurse und übernehmen dabei auch selbst den Unterricht, sie helfen bei der Ausbildung und Jobsuche und sie bieten auch Ausflüge und Freizeitveranstaltungen für die Geflüchteten an. Damit diese die neue Heimat auch ein Stück weit abseits der bereits vertrauten Wege kennenlernen können, vereinbarte Müller zuletzt eine Tour mit Werner Groß, dem Lorscher Ehrenvorsitzenden der Bergsträßer Schutzgemeinschaft Deutscher Wald.
„Es wird nicht langweilig“, versprach der pensionierte Forstamtsrat und exzellente Waldkenner der Gruppe, in der sich nun Menschen aus Afghanistan, Äthiopien und Guinea, die bereits über gute Deutschkenntnisse verfügen, ebenso wie einige langjährige Bergsträßer zusammenfanden, die gerne etwas mehr erfahren wollten über den Lorscher Wald. Auch eine Jägerin mit ihren beiden jungen und sehr interessierten Hunden „Calle“ und „Alwin“ schloss sich der Wanderung gerne an.
Start an der 300 Jahre alten Eiche
Los ging es unweit des Vogelparks am Birkengarten und der Brücke über die Autobahn, beziehungsweise an der „Amtsrichter Fischer“-Eiche. Der Baum ist rund 300 Jahre alt und zählt zu den Naturdenkmalen der Stadt. Das Amtsgericht war ab dem Jahr 1879 im Gebäude am Kaiser-Wilhelm-Platz ansässig, das heute Stadthaus ist. Der „Schöffensaal“ darin erinnert noch heute an die frühere Funktion. Ein Schild, das am Baum auf die Bedeutung der mächtigen Stieleiche hinweist, fehle jedoch leider, stellte Werner Groß fest. Im Jahr 1934 wurde das Amtsgericht aufgehoben, der Lorscher Gerichtsbezirk wurde dem Amtsgericht Bensheim zugewiesen.
Ein Lob an die Stadt sprach Groß dagegen am Waldlehrpfad Erlengarten aus. Die Beschilderung entlang des rund 2,5 Kilometer langen Rundwegs ist nämlich vor einigen Jahren erneuert worden. Den Pfad habe er in den frühen 1970er Jahren als damaliger Geschäftsführer des Naturparks Bergstraße-Odenwald einrichten können, so Groß. Die Schilder mit Texten von Reinhard Diehl und dem verstorbenen Hans Ludwig, informieren über Tiere und Pflanzen in dem Lorscher Laub-Mischwald.
So können Spaziergänger zum Beispiel etwas über die Waldameise lesen und die Schwarze Johannisbeere und den Kuckuck, der sich in diesem Jahr allerdings nicht hören ließ, wie Groß bedauerte.
Im Rahmen der Waldtour wurden die Teilnehmer daran erinnert, dass Lorscher Wasser sehr gefragt ist und bis nach Frankfurt gepumpt wird, um die Großstadt-Bevölkerung mit Trinkwasser zu versorgen. Den Appell, Wasser nicht zu vergeuden, schloss der Referent an.
Vor vielen Jahren, als sein Vater als Förster in Lorsch tätig war, seien die Bäume in der Region noch gesund und bei Schreinern begehrt gewesen, erinnerte Groß. Heinrich Groß habe erfolgreich Eichen auch auf Sandböden gepflanzt. Das Holz vieler heutiger Bäume sei leider nur noch als Brennholz zu gebrauchen. Der Wald leidet unter Trockenheit, zahlreiche Bäume sind krank. Auch für die Buche, die als „Mutter des Waldes“ gilt, trifft das zu, erfuhren die Zuhörer.
Sein persönlicher Lieblingsbaum sei die Birke, bekannte der Förster. Die Baumart sei zu jeder Jahreszeit schön anzusehen, sogar bei Frost. Groß wies während des Spaziergangs auf Nistkästen für Vögel hin, zeigte forstwirtschaftliche Rückewege auf und machte die Teilnehmer auf den starken Harzfluss einer Kiefer aufmerksam. Mit diesem Abwehrmittel versuche der durch eine Maschine verletzte Baum seine Wunde zu schließen und sich gegen Schädlingsbefall zu wehren.
Die Autobahn A67 zwischen Darmstadt und Mannheim, die den Lorscher Wald tangiert, wurde im Oktober 1935 eröffnet. Dass Sand für ihren Bau direkt vor Ort abgetragen wurde, ist heute noch zu sehen. Der Lorscher Wald gehörte einst dem Kloster, heute größtenteils als Staatswald dem Land Hessen.
Tierpräparate, Felle
und Geweihe versteckt
An Kiefern, Eichen und Buchen vorbei ging es unter Leitung des 89 Jahre alten Forstexperten durchweg flotten Schritts voran. Werner Groß versorgte die Exkursionsteilnehmer nicht allein mit zahlreichen Informationen, er sorgte zudem dafür, dass diese auf abwechslungsreiche Art und Weise vermittelt wurden. So hatte er im Wald vorab Tierpräparate versteckt und holte dann zur Überraschung aller zum Beispiel einen Edelmarder hinter einem Baum hervor und erzählte, wie Fuchs und Dachs zusammen in einem Bau wohnen können.
Auch verschiedene Felle sowie ein mächtiges Hirschgeweih machten Eindruck bei der Gruppe. Der einst beachtliche Rotwildbestand spiele heute keine Rolle mehr, so Groß. Wo Jogger, Spaziergänger und Radler den Wald in großer Zahl für Sport und Erholung nutzen, zieht sich das Rotwild zurück. Wildschweine aber fühlen sich weiterhin im Lorscher Wald wohl, zeigte Werner Groß am Rand einer großen Suhle entsprechende Spuren der Schwarzkittel auf.
Auch die Vorboten eines der kommenden Großprojekte kann man mit geschultem Auge sehen – die geplante Schienenneubaustrecke Frankfurt-Mannheim. Werner Groß machte auf die Untersuchungen für den möglichen Tunnel aufmerksam. In mehreren Meter Tiefe ließ die Deutsche Bahn die Bodenschichten des Waldes nicht nur einmal analysieren.
Dass sie Sand und Kies im Untergrund finden werden, hatten die Forstexperten den Bahningenieuren bereits vor 20 Jahren mitgeteilt. Am Ergebnis habe sich in all den folgenden Untersuchungen natürlich nichts geändert, berichtete Groß. Ob man für die von der DB immer wieder neu ermittelte Erkenntnis so viel Geld ausgeben musste? Das Thema wurde beim ÖFL-Rundgang nicht vertieft.
Werner Groß unterhielt die Gruppe auch mit Jagd-Anekdoten und Fachwissen. Einen Bock im Bast zu jagen, ein Tier also mit noch nicht fertigem Geweih zu schießen, ist hierzulande nicht erlaubt. Zum Abschluss der Tour wurde eingekehrt und beim Essen und Trinken konnte man sich über die vielen neuen Erkenntnisse gut austauschen.
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