Lorsch. Unter mehr als 320 Ausbildungsberufen können junge Leute hierzulande wählen. Wer das Abi oder Fachabitur hat, für den gibt es außerdem fast 2000 Duale Studienangebote. Wie soll man in jungen Jahren aber wissen können, welcher Beruf zu einem passt – zumal man von manchen neuen Möglichkeiten noch nicht einmal weiß, dass es sie gibt? Die Entwicklungsgesellschaft Lorsch (EGL) bot jetzt eine ideale Entscheidungshilfe für alle diejenigen, die die Schule bald verlassen.
Zum zweiten Mal stellte sie die Aktion „One Night In Lorsch“ auf die Beine. 17 Lorscher Unternehmen, die ausbilden, öffneten dazu ihre Türen. Direkt in den jeweiligen Betrieben und in manchen Bereichen, die für Außenstehende üblicherweise nicht zugänglich sind, konnten sich Schüler umschauen. Chefs, Mitarbeiter sowie Auszubildende standen als Ansprechpartner für alle Fragen bereit. Auch Eltern und Freunde der Schüler waren als Begleiter überall willkommen.
Direkter Einblick in den Berufsalltag und Gespräche mit möglichen Kolleginnen und Kollegen
Insgesamt konnte man sich über 40 Berufe aus erster Hand informieren. Was macht ein Drogist, was ein Mechatroniker? Wie wird man Bankkauffrau? Welche Voraussetzungen sind mitzubringen, wenn man ein Duales Studium für Tourismusmanagement beginnen will oder eines zum Physician Assistant? Was verdient ein Verwaltungsfachangestellter? Welche Aufstiegschancen hat ein Handelsfachwirt?
Selbstverständlich kann man sich über alle Berufe auch auf Ausbildungsmessen oder im Internet informieren. Einen direkten Einblick in den Berufsalltag zu erhalten und persönlich mit möglichen Kollegen sprechen zu können, ist aber doch noch einmal etwas anderes. Die jungen Mitarbeiter, die in den Betrieben über ihren jeweiligen Berufsweg Auskunft gaben, waren mit Hilfsbereitschaft, Engagement und Offenheit bei der Sache und berichteten gern auch über ihre persönlichen Erfahrungen bei ihrer Berufssuche.
Fünf verschiedene Ausbildungsberufe sind möglich
Wer sich mit Rebecca Rosenberger unterhielt, erfuhr zum Beispiel, dass sie als Schülerin selbst noch nicht genau wusste, was das Unternehmen macht, an dem sie täglich mit dem Bus vorbeifuhr. Heute gehört die Lorscherin bei Expert-Tünkers zum Team der Ausbilder. Sie ist froh darüber, sich damals bei dem Betrieb in der Seehofstraße beworben zu haben. Das in Lorsch gegründete Maschinenbauunternehmen hat Niederlassungen nicht nur in Europa, sondern unter anderem auch in Australien, Indien und Kanada. Gute Monteure können deshalb auch einige Zeit weit weg von Lorsch im Einsatz sein. Ein Kollege habe drei Jahre lang in China verbracht und das als „topspannend“ bewertet, war zu hören.
Bei der Ausbildungsnacht informierten zehn junge Mitarbeiter über fünf verschiedene Ausbildungen, die bei Expert möglich sind: Mechatroniker, Industrie- sowie Zerspanungsmechaniker kann man dort etwa werden. Jasmin Ehret stellte die Aufgaben für Produktdesigner im Karosseriebau der Automobilindustrie vor und machte nebenbei deutlich, dass dieses Berufsbild nicht nur für Jungs attraktiv ist. Auch Führungen waren möglich und mancher staunte, wie großräumig der Betrieb ist, in dem die Produkte entwickelt, konstruiert, produziert und vertrieben werden.
Viele falsche Vorstellungen zum Beruf der Erzieherinnen und Erzieher
Sehr gefragt auf dem Arbeitsmarkt sind derzeit Erzieher. Das Familienzentrum Bensheim hatte sich deshalb mit der Kita Wiesenkinder an der Ausbildungsnacht beteiligt. Sven Gossmann, der die Einrichtung mit Platz für 120 Kinder leitet, hatte sich ebenso wie die drei jungen Mitarbeiterinnen Bianca Sulger, Emely Baumgartner und Helen Heist Zeit genommen, um Interessierten die verschiedenen Berufsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Es sind noch immer viele falsche Vorstellungen über die Ausbildung im Umlauf, machten die Fachkräfte klar. Dass sie fünf Jahre lang dauert und man nichts verdient, zum Beispiel. Man kann nach einem Realschulabschluss Sozialassistent werden und dann die dreijährige Erzieherausbildung anschließen, man kann inzwischen aber auch eine sogenannte Praxisintegrierte Ausbildung beginnen. Sie ist unter anderem für Quereinsteiger interessant, dauert drei Jahre und hat den Vorteil, dass es von Beginn an eine Vergütung gibt.
Die drei jungen Frauen äußerten sich allesamt sehr glücklich darüber, sich für das Arbeitsfeld Kindererziehung entschieden zu haben. Auf keinen Fall hätten sie einen Schreibtischjob in einem Büro haben wollen. In einer Kita warte immer viel Abwechslung auf Erzieher, unterstrichen sie. Und auch wenn es in der sechsgruppigen Einrichtung naturgemäß manchmal laut sei – „Kinder geben einem viel zurück“, betonten die jungen Frauen.
Viel los bei Rewe und in der Schön-Klinik
Einen Beruf, in dem man viel mit Menschen zu tun hat, wünschten sich auch Erik Minich und Lea Almroth. Sie gehören zu den 161.000 Mitarbeitern von Rewe und berichteten in der Nibelungenstraße über die Ausbildungsmöglichkeiten dort.
Almroth, die sich auf die Fachrichtung Feinkost spezialisierte, berichtete von den Aufgaben in der Serviceabteilung. Dass sie gerne hinter der Theke steht, Empfehlungen für Kesselschinken oder für Sülze gibt und Festplatten mit tulpenförmig geschnittenen Radieschen dekoriert, hörten Interessierte sofort.
Viel los war unter anderem auch bei der Schön-Klinik, die größter Arbeitgeber in Lorsch ist, und bei Alnatura, wo man bei einer Führung durch das riesige Verteilzentrum auch die Chaotische Lagerhaltung kennenlernen konnte. Diese ist, anders als der Name nahelegt, überaus durchdacht. Dank elektronischer Systeme funktioniert alles wie am Schnürchen. Wie Güter über Schwerkraftrollenbahnen befördert werden, Shuttels durch die Halle surren und 32.000 Palettenplätze in bis zu 20 Meter Höhe befüllt werden, machte Eindruck. 14 Berufe kann man bei Alnatura lernen.
Positive Rückmeldung zu "One Night in Lorsch"
Sparkasse und Stadtverwaltung, Seeger Lasertechnik, Willmes, Graf und Straub, Römergarten, Gesellschaft für Industrietechnik, Georg Schmitt GmbH, dm-Drogeriemarkt, Reisebüro in der Bahnhofstraße und die CBRE Industrial Services hatten ebenfalls ihre Türen geöffnet. Auch die Agentur für Arbeit war präsent.
Matthias Bender, Technischer Leiter bei CBRE, und seine Kollegen Marcel Hoffmann und Uwe Schulz äußerten sich sehr positiv über „One Night In Lorsch“. Schon im Vorjahr habe ihr Arbeitgeber dadurch vier Auszubildende gewonnen. Diesmal waren wieder viele Interessierte gekommen. Andernorts, in der Kita etwa, hatten die Organisatoren auf mehr Publikum gehofft und waren etwas enttäuscht von der Resonanz. Nicht ganz zufrieden war mancher Nutzer mit dem Shuttleservice. Er war gratis und sehr willkommen, nur der 15-Minuten-Takt klappte nicht immer – die Bahnschranke etwa verlängerte geplante Wartezeit.
Insgesamt etwas weniger Besucher, aber offenbar deutlich mehr Bewerbungen als 2024 – dieses erste Fazit zog EGL-Projektleiter Tim Rückert gestern auf Nachfrage. Er zeigte sich mit der Neuauflage zufrieden, da vor allem die Bewerbungen zählen. Mit den Betrieben geht es nun um die genaue Auswertung.
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