Lorsch. Mehrere Fahrer, die gestern auf der A 67 Richtung Mannheim unterwegs waren, mussten plötzlich einen unfreiwilligen Stopp einlegen. Sie wurden von der Polizei herausgewunken und mussten, begleitet von einem Einsatzfahrzeug, auf die Autobahnrastanlage Lorsch-West abbiegen. Dort wartete bereits jede Menge Polizei.
In Uniform und im Freizeitdress
Rund 100 Einsatzkräfte versahen dort gestern ihren Dienst. Zusätzlich zu den Polizeibeamten waren auch Mitarbeiter des Zolls und der Ausländerbehörde vor Ort. Anlass für das Großaufgebot war eine Aktion im Rahmen der „Sicherheitswoche“ des Polizeipräsidiums Südhessen. Unterstützt wurde diese auch von Polizisten aus Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz.
Die Kollegen, viele von ihnen in Zivil im Einsatz, hatten gut zu tun. Überprüft wurde die Einhaltung von Lenkzeiten bei Lkw- und Busfahrern. Kontrolliert wurde unter anderem auch, ob die Waren vorschriftsmäßig gesichert sind. Für den Fahrer eines Autotransporters zum Beispiel dauerte die Reise wegen der Unterbrechung auf der Rastanlage gestern erheblich länger als geplant.
Nach Drogen und Waffen suchten die Polizisten ebenfalls. Zur Mittagszeit hatten die Beamten zwar noch keinen „großen Fang“ gemacht. Das berichtete Björn Gutzeit auf Nachfrage. Der Polizeipräsident verschaffte sich gestern auch persönlich ein Bild von der Lage. Das Unfallrisiko für alle wird aber natürlich mit jedem Einzelnen gesenkt, der aus dem Verkehr gezogen wird, weil er angetrunken oder bekifft am Steuer sitzt. Nicht wenige fahren offenbar unter Einfluss auch mehrerer Mittel, die die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen.
Die meisten Bürger verhalten sich anders, wenn sie die Polizei auf der Straße nicht sofort als solche erkennen. Das sagt ein Polizist, der gestern in Freizeitkleidung im Dienst war. Mit Handy am Ohr sitze kein Mensch am Steuer, wenn er die Polizei sieht, so der Beamte in Zivil mit mehr als 20-jähriger Erfahrung. Wenn der Verkehrssünder im Nebenwagen aber nur einen Mann im Sweater erblickt, telefoniert er ungerührt weiter. Gestern hatten diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten, dann aber Pech.
Wer mit Smartphone am Ohr oder unsicherer, ruckartiger Fahrweise auffiel oder mit unangepasstem Tempo oder aus anderen Gründen das geschulte Auge der Beamten mit seinem Verhalten beschäftigte, der sah im Auto vor sich plötzlich einen Hinweis aufblinken: „Polizei: Bitte folgen“.
An der Rastanlage wurden Ausweispapiere nicht nur auf Vollständigkeit, sondern auch auf mögliche Fälschungen überprüft. Bei Verdacht auf Drogen wird ein Fahrtauglichkeitstest mit Pupillen-Reaktionstest angeboten. Zeigen sich Auffälligkeiten, wird dem Fahrer ein Drogen-Vortest empfohlen. Der dazugehörige Urintest gleich auf der Rastanlage war freiwillig. In manchen Fällen kann eine Blutentnahme angeordnet werden. Wer sich und andere in Gefahr bringt, weil er mit Drogen unterwegs ist, den kann das leicht bis zu tausend Euro, zwei Punkte in Flensburg und ein einmonatiges Fahrverbot kosten.
Bewaffnete Zollbeamte im Einsatz
Die Mitarbeiter des Zolls, zum Teil ebenfalls bewaffnet, schauten sich in vielen Fahrzeugen gleichfalls genau um. Messer und andere Waffen sowie allerlei Genussmittel haben sie im Blick: Bei Alkohol, Tabakwaren und Kaffee sind bestimmte Richtmengen entscheidend. Wer mehr als vier Stangen Zigaretten dabei hat, bei dem könnte gewerblicher Handel vorliegen.
In Sprintern aus den Niederlanden entdecken die Fahnder inzwischen öfter größere Mengen E-Liquids. Im Nachbarland fallen für E-Shishas keine Verbrauchssteuern an, hier aber durchaus. Massenhaft Waren, bei denen die Vorgaben nicht eingehalten werden, spüren seine Kollegen auch oft bei Kiosk-Kontrollen auf, so ein Zollobersekretär. Dann werden Strafverfahren eingeleitet.
Röntgenmobil dabei
Nicht jede Reisetasche mussten die Kontrolleure gestern per Hand durchsuchen. Der Zoll hatte unter anderem ein Röntgenmobil dabei. Der von außen unscheinbare kleine weiße Transporter ist im Innern mit einem Computer-Arbeitsplatz ausgestattet und das Röntgengerät – es funktioniert ähnlich wie am Flughafen – erspart das zeitaufwendige Öffnen jedes einzelnen Koffers. Verstärkung durch weiteres Personal kann der Zoll aber auch künftig gut brauchen, erfuhr man nebenbei.
Die Arbeit mache Freude, hieß es von Seiten des Teams, das mit zwei Bürobussen, einem Van, dem Röntgenmobil sowie einem weiteren Auto plus Rauschgiftspürhund zur Rastanlage Lorsch-West gekommen war. Und wer keinen waffentragenden Beruf anstrebt – auch in der allgemeinen Verwaltung und den Zollämtern gibt es genug Arbeit.
Drogen liegen natürlich nicht oft einfach auf dem Beifahrersitz, sie werden mitunter geschickt professionell verbaut, im Kotflügel zum Beispiel. Manches Versteckfach öffnet sich aber auch erst, wenn ein bestimmter Mechanismus etwa über die Klimaanlage in Gang gesetzt wird.
Angehalten wurden Fahrzeuge mit Kennzeichen von hier ebenso wie aus aller Welt. Und wer der Aufforderung der Polizei nicht Folge leistet und statt die Rastanlage anzusteuern erst richtig Gas gibt? Die Polizei sei für solche Kontrollen durchaus „anständig motorisiert“, versichert nicht allein Sprecher Bernd Hochstätter. Unter anderem mit 5er BMWs kann sie Tempo machen und weil sie länderübergreifend vernetzt ist, zudem sofort Kollegen informieren, die einen Schnellfahrer aufhalten, falls dieser doch entwischen sollte.
Möglichkeiten sind begrenzt
Manchen müssen die Polizisten weiterfahren lassen, obwohl er bereits eine mittlere zweistellige Zahl an Einträgen in seinem Register stehen hat: mehrere Straftaten gegen ältere Menschen wie Enkeltrick-Betrug zum Beispiel. Aber aktuell lag gegen den Herren im schnittigen Mittelklassewagen, den die Polizei kontrollierte, offenbar nichts vor. So winkte er den Beamten zum Abschied ausdauernd grinsend aus dem Autofenster zu.
Um noch erfolgreicher zu sein, bräuchte es mehr Befugnisse. Manche wollen aber auch, dass Polizei weniger Befugnisse hat, erinnern die Beamten. Die Exekutive habe begrenzte Möglichkeiten. In manchem Fall sei das durchaus frustrierend.
Dass die Polizei gestern in großer Zahl auf der Rastanlage der A 67 im Einsatz war, hat sich sicher schnell über Funk und Smartphones verbreitet und auch dafür gesorgt, dass einige, die eine Begegnung mit den Ordnungshütern vermeiden wollen, von vornherein eine andere Route gewählt haben. Grundsätzlich sei der Ort durch die Nähe auch zur A 5 und A 6 „wunderbar geeignet“, so die Fahnder. Die eigene Liegenschaft der Polizei an der A 67, mit Sanitäranlage, ist ebenfalls ein Vorteil.
Die „Sicherheitswoche“ endet heute mit einem Einsatz an einem anderen Ort. Was die Aktion in Lorsch-West alles erbracht hat, wird nun ausgewertet.
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