Hochwasser - Bei manchem Lorscher Landwirt fällt die Ernte aus / Polder geflutet / Bauern hoffen auf finanzielle Unterstützung

Auf den Äckern verfaulen die Kartoffeln

Von 
Nina Schmelzing
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Lorsch. In vier Wochen wollte Michael Angert eigentlich Kartoffeln ernten. Den Termin muss der Lorscher Landwirt allerdings streichen. Wie gewohnt verkaufen kann er seine Erdäpfel jedenfalls nicht. Ein Großteil seiner Pflanzen ist kaputt, seine Arbeit fast komplett vernichtet. Statt fester Knollen zieht er derzeit matschige Kartoffelbröckchen aus der versumpften Erde, die auf weiten Flächen mit riesigen Pfützen bedeckt ist.

Hohe Schäden

Die Folgen des Hochwassers machen auch seinen Kollegen in der Klosterstadt derzeit enorm zu schaffen. Die Schäden belaufen sich insgesamt auf eine Summe in sechsstelliger Höhe, befürchtet Ortslandwirt Reiner Jöst. Um die 400 000 Euro werde es kosten, bis mit Aufräumarbeiten alles wieder auf Vordermann gebracht ist, schätzt der Sprecher der acht Lorscher Bauern. Etwa 350 Hektar Land seien in Lorsch ganz oder teilweise geschädigt.

Wer mit dem Auto auf der L 3111 in Lorsch Richtung Hüttenfeld fährt, bemerkt die vom Wetter angerichtete Verwüstung nicht. Wer zu Fuß oder mit dem Rad auf den landwirtschaftlichen Wegen in der südlichen Gemarkung im Bruch unterwegs ist, dem schlägt jetzt allerdings ein unangenehmer Geruch entgegen. Es stinkt modrig. Und die Schäden sind deutlich zu sehen, je näher sich die Äcker am Polder der Weschnitz befinden. Der westlich der alten Weschnitz gelegene Polder in Lorsch war vorige Woche geflutet worden, um die Belastung für den Deich bei Biblis zu mindern.

Tote Tiere und jede Menge Dreck

Viele der grünen Blätter der Lorscher Kartoffelpflanzen haben sich durch die Wassermassen inzwischen braun verfärbt. Die Knollen sind verfault. Und auf den Feldern mit Mais und Zuckerrüben, Zwiebeln und Getreide schwimmt jede Menge Dreck. "Fischer haben Karpfen aus den Kartoffeläckern geangelt", berichtet Jöst.

Damit ist das Problem aber nicht gelöst. In den Senken, in denen das Wasser steht, verenden kleine Fische sowie von der Flut überraschte Mäuse und vielleicht auch das ein oder andere größere Tier.

Wenn der Ackerboden wieder bearbeitet werden kann - momentan sinkt man sofort tief ein -, wird der Kartoffelbauer sein Gelände mit dem jetzt wertlosen "Biomüll" unterfräsen müssen. Ein Teil der Zuckerrüben und Zwiebeln ist vielleicht noch zu retten, der Mais kommt wieder.

Gras steht auch unter Wasser

Gras würde bei schönem Wetter jetzt im Juni eigentlich gemäht und zu Heu verarbeitet, es steht aber in Lorsch gleichfalls unter Wasser. Für einige Landwirte ist die derzeitige Lage eine Katastrophe.

Mit ungünstiger Witterung müssen Landwirte immer wieder zurechtkommen. "Unser Berufsstand lebt mit und vom Wetter", sagt Jöst. "Und Wasser ist ja gut", ergänzt der 47-Jährige - "nur nicht in dieser Menge." Auch außergewöhnliche Wassermengen wie derzeit - von Donnerstag auf Freitag fielen bis zu 60 Liter pro Quadratmeter - haben die Lorscher Bauern durchaus schon erlebt. "Aber nicht zu dieser Jahreszeit", unterstreicht Jöst. "An so eine Situation wie jetzt erinnert sich auch von den älteren Landwirten niemand", betont er.

Rehkitz wohl ertrunken

Auch Ulrich Androsch hat eine vergleichbare Situation noch nicht erlebt. Die ersten beiden Polder seien erst bei einem Pegel der Weschnitz von etwa 3,60 Meter geflutet worden, betont der Geschäftsführer des Gewässerverbandes. Die Maßnahme sei zuvor lediglich in den Jahren 1995 und 2011 erforderlich gewesen - das Hochwasser ereignete sich damals allerdings nicht zur Ernte- und Brutzeit. Der westliche Polder - der letzte vor der Rheinmündung - wurde jetzt erstmals in der Amtszeit von Androsch auf Anordnung der Behörden geöffnet, damit auf den Hochwasser führenden Rhein nicht auch noch eine Hochwasser führende Weschnitz trifft. Den flussabwärts gelegenen Landstrichen half das, Szenen wie in überschwemmten bayerischen Kommunen wären andernfalls riskiert worden, so Androsch. Die Lorscher haben jedoch jetzt den Schaden. Auch in der Tierwelt spielten sich "herzzerreißende Szenen" ab, bedauert Androsch.

Wege um den Polder waren gesperrt worden, auch um Tieren eine ungestörte Flucht zu ermöglichen. Ein Reh flüchtete mit seinem Kitz vor den Wassermassen - nur das Muttertier aber wurde anschließend auf dem Deich wieder gesehen.

Mit großen Pumpen aufs Feld

Derzeit wird versucht, zu retten, was zu retten ist. Mit großen Pumpen wird Wasser abgesaugt, weil die Böden vollständig gesättigt und auch die Gräben überlastet sind. Immerhin etwa ein Sechstel des Jahresniederschlages prasselte in den vergangenen zwei Wochen auf die Erde.

Wie hoch die Schäden genau sind, das wird wohl erst in einigen Wochen detailliert erkennbar sein. Wie die Rechtslage in dieser so überaus seltenen Situation ist, muss zudem erst einmal geklärt werden, berichtet Androsch.

Die Lorscher Landwirte werden dem Geschäftsführer des Gewässerverbandes in Kürze eine Liste der Schäden übergeben, die an die Landesbehörden weitergereicht werden soll.

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