Kreisvolkshochschule - Horst Schnur erzählte in Lorsch unterhaltsame Mundart-Geschichten aus dem Odenwald / Viel Beifall

Auch Goethe und Schiller haben Dialekt gebabbelt

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Horst Schnur begeisterte mit Geschichten aus dem Odenwald.

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Lorsch. "Gelooche is erscht, wenns aaner glaabt" - das soll der Raubacher Jockel einmal gesagt haben. Der Mann - er lebte von 1866 bis 1941 - war ein Odenwälder Original. Um ihn ranken sich viele Geschichten. Geschichten vom Odenwald und Informationen zum Dialekt erzählte Horst Schnur, ehemaliger Landrat des Odenwaldkreises, jetzt bei einem Mundartabend im Nibelungensaal in Lorsch auf Einladung der Kreisvolkshochschule.

Gute neunzig Minuten unterhielt Schnur sein zahlreich erschienenes Publikum mit informativen und humorigen Geschichten, Gedichten und Lebensweisheiten.

"Aufhören werde ich erst, wenn ich merke, dass Ihnen die Augenlider runterfallen", versicherte er mit einem schelmischen Lächeln. Der Nibelungensaal war sehr gut besucht, es mussten noch Stühle hinzugestellt werden.

Sprache vermittelt Heimatgefühl

Einen Odenwälder Dialekt gebe es nicht, ebenso wenig wie hessisch, klärte Schnur auf. Er wolle aber niemanden eine Fremdsprache beibringen. Früher habe es geheißen, Dialekt sei etwas für untere soziale Schichten. Dass man Dialekt spreche, falle erst auf, wenn man eine andere Mundart höre, etwa Schwäbisch. Dialekt, meist deftig und derb, verschaffe ein Heimatgefühl. Man merke: "Der schwätzt genauso wie ich."

In der Folgezeit wollten Lehrer den Kindern in der Schule hochdeutsch beibringen. Sie vergaßen dabei, dass die Zweisprachigkeit auch Vorteile haben könnte. Auch Goethe und Schiller hätten Dialekt gesprochen, aber hochdeutsch geschrieben. Die Darmstädter sprächen hochdeutsch, lachten aber über den "Datterich". Der Odenwälder Heimatdichter Horst Bechtel habe für die "Sproach" gekämpft.

Hessens Berge hoch wie die Alpen

Die Odenwälder bezeichneten die Menschen hier als "Ried-Ochsen", so Schnur in Lorsch, und konterten deren Sprüche mit "Unsere Berge sind genauso hoch wie die Alpen, sie stecken nur tiefer im Boden drin."

Als Kind habe er eine neue Kultur erlebt, habe das Wort "Drugstore" erstmals gelesen, bemerkt, dass Namen wie Lisbeth oder Hans-Jersch verschwanden. Es zogen keine "Hoarschneider" mehr über die Dörfer, es gab Friseursalons. Rückblickend spreche man von einem Kulturaustausch, beginnend bei bretonischen Söldnern am Limes. Die Odenwaldbahn sei von Hunderten Italienern gebaut worden, Heimatvertriebene seien gekommen, alle seien "neigeplaggt", Sprachfetzen seien hängen geblieben. Fünfzig Prozent aller Menschen hätten heute einen Migrationshintergrund.

Die Chöre hätten früher "Am Brunnen vor dem Tore" gesungen, erinnerte Schnur. "My Bonnie is over the Ocean" hätte "der Schorsch" nicht verstanden. Bezeichnend dafür sei der Spruch: "Wie dut mer dann e Verdel singe?" Und die Antwort "Verdel dut mer net singe, des lässt mer die Bedienung bringe." Sprache wandle sich, heute spreche man von "denglisch".

Horst Schnur las humorvolle Gedichte vor und gab Sprüche zum Besten, wie "Do dreht sich doch die Kuh erimm un schmeest de ganze Aamer imm." Auch Jiddisch habe sich integriert, wie Massel, was Glück und Pech bedeute oder Maloche für Arbeit. Auch schachern, schäkern, Kabuff zählte er als Worte auf, die in die Sprache eingegangen sind.

Der Kurgastdialekt sei zudem dazugekommen, habe die Mundart schöpferischer und sprachgewaltiger werden lassen. Oberschönmattenwag im Odenwald heiße "Schimmeldewooch" - ein Wort, das die meisten Zuhörer kannten.

Begrüßung: "Gej ford, bleib do"

"Mer Ourewäller schwätze deitsch, bloß eich versteijn mer net", witzelte Schnur. Und wie sagen die Odenwälder zu einem, der beim Zahnarzt war? "Jetz hot er e Gebiss, des fällt em dauernd ins Word, wenn er babbelt." Es gibt Begrüßungsformeln wie "Ei guude - wie?" und die bemerkenswerte Antwort "Gej mer ford, bleib do". Auch der freundliche Ratschlag "Schnaufe net vergesse" ist ein beliebter Gruß.

In Kinderreimen lernte man Dialekt wie "Ene, dene dotz, de Deibel lässt en Drache steije." Geschichten wie Max und Moritz und der Struwwelpeter sind in Mundart übersetzt worden, Wissenschaftler und Heimatkundler haben Wörterbücher in Mundart herausgegeben.

Fünf Kinder und ein Vater

Lebensweisheiten gehören auch dazu. "Erscht do mer mol nix, dann miss mer mol gucke, dann wern mehr seje", zitierte Schnur. Und: "Wann de Pech host, zerbricht de Leffel im Schmeerkääs." Auf Erfahrungen beruht auch die Aussage "Een Vadder ernährt ehnder fünf Kinner als fünf Kinner een Vadder", derb klang die Aussage "Wenn de drei Werde (Wirte) unner aan Hut bringe willst, musste zwee dotschlaache."

Schnur hatte zahlreiche Beispiele dafür, was landauf und landab munter gebabbelt und geschwätzt wird. Niemand nehme es krumm, wenn man sage "Babbel doch kaan Kääs. Die Zuhörer im Nibelungensaal amüsierten sich köstlich und dankten Schnur mit viel Beifall. ml

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