Lorsch. "Mein Gedächtnis ist weg", singen Mathias Zeh und Rainer Schacht über einen geistig bedingten Neubeginn. Wer sich etwas besser erinnern kann, der weiß, dass die Herren bis 2013 als Trio unter dem Namen "Ganz Schön Feist" mit einer markanten Art von Acapella-Popcomedy recht erfolgreich waren. Jetzt ist man als Duo unterwegs. "Da muss man die Beute nur durch zwei teilen", so Rainer Schacht im ausverkauften Sapperlot, wo sich "Die Feisten" am Samstag sehr wohl gefühlt haben.
Lieblich-rauchige Stimmen
Auch in abgespeckter Form ist der Stil erhalten geblieben. Über einem sanften, harmonischen Sound mit lieblich-rauchigen Stimmen liegen intelligent arrangierte Texte von feiner Ironie oder giftiger Bösartigkeit. Neben diesen Kontrasten beherrscht das Duo das Spiel mit verzögerten Pointen, die sich entweder langsam ankündigen oder plötzlich mit der Tür ins Haus fallen. Das Publikum hatte seine helle Freude an dieser kleinen Männergruppe, die mit Vorliebe von den schrägen und bizarren Seiten des Lebens singt.
Sparsamer Instrumenteneinsatz
Die Instrumente - Gitarre, Percussion und Sitar - werden nur sparsam eingesetzt. Im Mittelpunkt des aktuellen Programms "Versuchslabor" stehen das Wort und die leise Klang-Ästhetik, die Zeh und Schacht noch immer bestens beherrschen. Die betörende Papst-Phantasie im Song "Kondomverbot" ("Der Schein heiligt die Mittel nicht") und die traurige Geschichte des armen "Ranjid Schulze", dessen Eltern wohl an einer besonders schweren Form von Namenstrauma leiden, waren beispielhaft für die kantigen Stories dieser Miniband.
Aus "Griechischer Wein" wird "Kriech nicht da rein", ein Song über das Einschleimen beim Chef. Kleine Rap-Passagen sind das Salz in der Suppe.
Diese lyrischen Miniaturen folgen meist dem gleichen Prinzip und erweisen sich als - mehr oder weniger - amüsante Ausflüge in die menschlichen Daseins- und Verhaltensformen. Das lateinamerikanische "Prunzuela" über einen jungen Körper, der eine alte, aber erstaunlich zähe Brieftasche heiratet, war textlich einer der besseren Momente. Auch die "Gammelfleischparty", die von verzweifelter Partnersuche im Reifestadium berichtet, hat dem Zuhörer ein Lächeln auf die Lippen gezaubert.
Weniger gelungen waren Songs wie "Du schnarchst" oder "3sat" über das Medienverhalten der eher bildungsfernen Artgenossen. Hier driften "Die Feisten" in eine banale und arg vordergründige Komik ab. Auch die Menstruationsballade "Tage" kramt die bekannten Mann-Frau-Diagonalen aus der Mottenkiste.
So richtig langweilig wurde es im "Versuchslabor" aber nicht. Und auch mit dem armen Ranjid Schulze freute man sich am Ende des Songs, dass er dann doch jemanden gefunden hat, die ihn verstand: Chantal Doreen Müller.
Langer Applaus im Lorscher Theater Sapperlot.
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