Lorsch. Rund 2600 Menschen kamen 2021 in Deutschland im Straßenverkehr ums Leben. Das geht aus einer Auswertung des Statistischen Bundesamtes hervor. Als besonders vulnerabel gelten Fußgänger und Radfahrer.
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hatte in Kooperation mit dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) für Montagabend zur Eröffnung der Mobilitätswochen in den Paul-Schnitzer-Saal geladen, um auf die Notwendigkeit einer Verkehrswende aufmerksam zu machen. Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken – so steht es im Klimaschutzgesetz der Bundesregierung. „Das werden wir wahrscheinlich nicht schaffen“ betonte Anette Seip in ihrer Eröffnungsrede. Die zweite Vorsitzende des ADFC Bergstraße kritisierte die ihrer Meinung nach „halbherzige Umsetzung“. Besonders der Verkehrssektor habe noch Nachholbedarf.
Lange Planungsverfahren
Die Zahlen geben ihr Recht: Seit 1990 hat Deutschland seine Treibhausgasemissionen um 40 Prozent reduziert. Während Energiewirtschaft, Industrie- und Gebäudesektor überdurchschnittlich viel zu den Klimazielen beitrugen, sparte der Mobilitätsbereich weniger als zehn Prozent ein. Das ergaben Berechnungen des Umweltbundesamtes. Will Deutschland den Transformationsprozess meistern, muss das Ministerium von Volker Wissing nachlegen – und zwar zügig, forderte Seip: „Wir müssen schneller werden.“
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Als Beispiel nannte sie die ICE-Neubaustrecke. Nicht nur die Planung dauere zu lange, auch die Umsetzung solcher Projekte nehme häufig Jahre in Anspruch. Nun sind Effizienz und Dynamik sicherlich nicht die ersten Eigenschaften, die man mit deutschen Behörden verbindet. Doch es wäre den Mitarbeitern nicht gerecht gegenüber, ihnen Trägheit zu unterstellen. Viel mehr seien die Strukturen das Problem, wie Seip in ihrem Vortrag betonte. Selbst vermeintlich einfache Dinge wie das Absenken einer Bordsteinkante dauerten viel zu lange: „Ständig wird an Zuständigkeiten verwiesen, aber niemand will Verantwortung übernehmen“, monierte die ADFC-Sprecherin.
Tempo-30-Zone aufgehoben
Mangelnde Führung kann man dem Kreis Bergstraße nicht vorwerfen. Erst kürzlich hat die Stadt Lorsch auf Anordnung der Straßenverkehrsbehörde eine Tempo-30-Zone in der Nibelungenstraße entfernen müssen – zum Unmut des ADFC. Grund dafür ist eine bundeseinheitliche Regelung, die innerorts – mit wenigen Ausnahmen – Tempo 50 vorsieht.
Die Einführung von schärferen Geschwindigkeitsbegrenzungen wäre nach herrschender Auffassung ein einfaches Mittel, um CO2 einzusparen. Zudem hätte langsameres Fahren positive Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit. Besonders Fußgänger und Radfahrer würden profitieren. Doch während sich Grüne und Liberale in der Bundesregierung darüber streiten, sind den Regierenden vor Ort häufig die Hände gebunden, wie das Beispiel der innerstädtischen Geschwindigkeitsbegrenzung zeigt.
Abhilfe soll das bundesweite 49-Euro-Ticket schaffen, das beim ADFC zwar grundsätzlich auf Zustimmung stieß, aber noch Verbesserungspotential habe. Seip betonte, dass sich der Umstieg für Vielfahrer lohne, aber der Preis für Gelegenheitsfahrer zu hoch angesetzt sei.
Geht es nach dem Kreisverband, braucht es ohnehin mehr, um den Umstieg auf nachhaltige Verkehrsmittel zu erreichen: „Früher sind die Leute zu Fuß oder mit dem Fahrrad zum Bäcker. Heute nehmen sie das Auto“, kritisierte Seip die scheinbare Bequemlichkeit der Bevölkerung – und wies dabei gleich noch auf ein strukturelles Problem hin: In den letzten Jahrzehnten seien die Städte für Autofahrer gebaut worden, nicht für Fußgänger oder Radfahrer.
Daher bietet der Verein zahlreiche Aktivitäten an, um die Bürger von klimafreundlicher Mobilität zu überzeugen. Bereits seit 2012 sind die „Montags-Radler“ unterwegs. Auch dieses Jahr locken die Veranstalter vormittags wieder mit Strecken von 40 bis 60 Kilometern, die mit angepasster Geschwindigkeit zurückgelegt werden. Weitere Ausflüge sind für mittwochabends geplant. Dann finden die Feierabendtouren statt.
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