Sicherheitskonferenz

482 Straftaten wurden im vorigen Jahr in Lorsch gemeldet

Um Einbrüche, Sachbeschädigungen und Straßenkriminalität, um Rohheitsdelikte und Verkehrsunfälle ging es im Paul-Schnitzer-Saal. Dort hatte die Stadt Lorsch zur ersten öffentlichen „Sicherheitskonferenz" eingeladen.

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Nina Schmelzing
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Bei der Sicherheitskonferenz referierten Polizeivizepräsident Rudi Heimann (3.v.r.) und Direktionsleiterin Juliane Ries (Mitte) sowie Bettina Noll (2.v.l.), Bürgermeister Schönung und Yvonne Hanisch (2.v.r.). © Lotz

Lorsch. Um Einbrüche, Sachbeschädigungen und Straßenkriminalität, um Rohheitsdelikte und Verkehrsunfälle ging es am Donnerstagabend im Paul-Schnitzer-Saal. Dort hatte die Stadt Lorsch zur ersten öffentlichen „Sicherheitskonferenz“ eingeladen. Unter anderem gehörte Polizeivizepräsident Rudi Heimann zu den Referenten. 336030 Straftaten wurden in Hessen insgesamt im vorigen Jahr registriert. In den Bereich der Polizeidirektion Bergstraße entfielen davon 8165. Juliane Ries, Leiterin der Polizeidirektion, stellte die Kriminalstatistik vor. Für die Zuhörer hatte sie eine erfreuliche Nachricht dabei: In der Klosterstadt sei ein „sehr geringes Kriminalitätsaufkommen“ verzeichnet worden.

Wenig Wohnungseinbrüche

Von 482 Straftaten in Lorsch berichtete Ries. 2020 waren 529 aktenkundig geworden. Sie konzentrierte sich auf Delikte, die in der öffentlichen Wahrnehmung eine besondere Rolle spielten. Einen „historisch niedrigen“ Stand gab es bei den Wohnungseinbrüchen. Gemeldet wurden 96 für die Polizeidirektion Bergstraße zu bearbeitende Fälle, sechs davon ereigneten sich in Lorsch. Ein „erfreulicher Wert“, urteilte die Fachfrau, die einräumte, dass diese Zahl für die Betroffenen wenig tröstlich ist. Dass die Wohnungseinbrüche weniger wurden, führte Ries zum einen auf die Corona-Zeit zurück, in der viele Menschen daheim blieben und sich für Täter deshalb weniger Einbruchsgelegenheiten ergaben. Zum anderen aber auch auf verbesserten Objektschutz. „Da kann man viel tun“, erinnerte sie Eigentümer an mögliche Nachrüstungen und die Erfahrung: Je länger ein Täter brauche, desto eher werde er von dem Objekt ablassen.

Autoknacker haben hessenweit knapp 10 000 Pkws aufgebrochen und Wertsachen geklaut. In Lorsch wurden im vorigen Jahr acht solcher Fälle aktenkundig.

Deutlich höher ist die Zahl der Sachbeschädigungen. 45 wurden in Lorsch gemeldet. Ries hatte den Wert aber auch mit Zahlen aus der Vergangenheit verglichen, die ähnlich lauteten und stellte deshalb fest: Für Lorsch sind diese 45 Delikte ein Durchschnittswert.

Im Bereich Straßenkriminalität weist Lorsch 2021 genau 71 Einträge auf. Delikte wie Körperverletzung und Raubdiebstähle, die sich im öffentlichen Raum abspielen, werden darunter gefasst. Die Zahl von 71 Fällen sei vergleichsweise „sehr gut“, urteilte Ries, sie bedeutete, dass es wenig Straßenkriminalität gebe.

Wichtig ist Kriminologen die sogenannte Häufigkeitszahl, die polizeilich registrierte Straftaten je 100 000 Einwohner bemisst. Im Bereich der Polizeidirektion Bergstraße betrug sie zuletzt 3013, so Ries. Das sei ein guter Wert. Dass Lorsch diesen mit 3485 nicht erreicht, gab sie zu. Die Lorscher Häufigkeitszahl liege aber dennoch unter der für das Polizeipräsidium Südhessen ausgewiesenen Marke. Man könne hier „sehr sicher leben“, unterstrich Ries.

„Eine Gesellschaft ohne Kriminalität wird es nicht geben“, sagte Juliane Ries. Lorsch sei keine Stadt, um die man sich besondere Sorgen machen müsse. Auch die Aufklärungsquote – 63,7 Prozent in Lorsch – bezeichnete sie als guten Wert. Bei den Rohheitsdelikten, darunter fallen Raubdelikte, Körperverletzungen oder auch Bedrohungen, waren 2020 in Lorsch 51 angezeigt worden, im Jahr zuvor waren es 64.

Keine Brennpunkte

Aus Sicht der Polizei seien keine Brennpunkte oder Kriminalitätsschwerpunkte in Lorsch zu beobachten, fasste Ries die Ergebnisse zusammen. Das Thema Rauschgift streifte sie kurz, man nehme in Lorsch keine aktive Szene wahr. „Warum sitzen wir dann hier zusammen?“, meldete sich verwundert ein Bürger zu Wort. Wenn Lorsch so sicher sei, gäbe es doch keinen Anlass für eine Sicherheitskonferenz, meinte er. Die Polizei schiebe doch bereits Überstunden.

Bettina Noll, Polizeihauptkommissarin, erinnerte daraufhin an die Bürgerbefragung zum Thema Sicherheit. In dieser sollten Lorscher auch Aussagen zu ihrem subjektiven Sicherheitsempfinden machen und „Angstorte“ benennen. Der Bahnhof führte diese Liste an, auch der Waldbereich um die Rastanlage, das Gelände um den Birkengarten, das Klosterareal und der Friedhof wurden genannt. Das subjektive Sicherheitsempfinden weiche oft „exorbitant“ von den objektiven Zahlen der Statistik ab, so die Kommissarin.

Was ist mit den „Spaziergängern“?



  • Die „Spaziergänge“ vermisse er als Thema, meldete sich ein Lorscher in der Sicherheitskonferenz zu Wort. „Horden von Menschen“ zögen seit Ende vorigen Jahres jeden Mittwochabend durch die Stadt, träten zum Teil „beleidigend und aggressiv“ auf. Ihre Demos seien nicht genehmigt, klagte er – Polizisten säßen im Auto und sähen zu.
  • „Das ist ein Thema in Lorsch“, bestätigte Bürgermeister Schönung mit Blick auf die „Spaziergänge“ gegen Corona-Maßnahmen. Es habe verschiedene Herangehensweisen gegeben. Daran erinnerte auch Juliane Ries. Meinungs- und Versammlungsfreiheit seien hierzulande ein sehr hohes Gut. Eine Demokratie müsse es grundsätzlich aushalten, wenn Meinungen „rechts oder links vom Mainstream“ auf die Straße getragen werden, erläuterte die Leiterin der Polizeidirektion Bergstraße. Das gehöre zum Meinungsbildungsprozess, auch wenn man die Meinungen nicht teile. Es stehe Teilnehmern auch frei, wie sie ihre Meinung kundtun wollten.
  • Die Hürden für Auflösungen oder Verbote seien hoch. Es müsse zum Beispiel eine Prognose vorliegen, dass eine erhebliche Gefährdung beziehungsweise Straftaten zu erwarten seien. „Wenn ich das nicht sauber prognostizieren kann, werde ich bei jedem Gericht scheitern“, erinnerte sie an Verfahren in Stuttgart, bei denen Verbote gekippt wurden.
  • Werde ein Verbot im Nachhinein aufgehoben, gebe das anderen „Aufwind“. Es sei nicht zielführend, die Lage zu befeuern. Würde die Polizei härter eingreifen, würden Demo-Teilnehmer Kapital daraus schlagen, stimmte ein Bürger zu.
  • In Lorsch wurden Auflagen erlassen, damit zum Beispiel nicht vor dem Altenheim getrommelt wird. Teilnehmer sind jetzt mit einer „stillen Trommel“ unterwegs. Es waren bei Verstößen Ordnungswidrigkeitsverfahren angestoßen worden und es wurden auch Personalien festgestellt. Die „Spaziergänge“ verliefen bislang zumeist störungsfrei. In Richtung der Teilnehmer wurde allerdings einmal ein Kieselstein geworfen und ein Auto beschädigt.
  • Die Teilnehmerzahl bei den „Spaziergängen“ in Lorsch habe sich inzwischen „deutlich reduziert“, sagte Ries. Man sei präsent und bewerte die Aktion von Mal zu Mal. „Wir schauen nicht weg“, betonte die Leiterin der Polizeidirektion. sch

Ziel seien eine Feinanalyse und Maßnahmen, um Sicherheit gegebenenfalls zu verbessern. In den „Kompass“-Kommunen – Lorsch ist 2020 dem hessischen Netzwerk namens „Kommunalprogramm Sicherheitssiegel“ beigetreten – werde Sicherheit als gemeinsame Aufgabe von Polizei, Stadt und den Bürgern verstanden.

Yvonne Hanisch, stellvertretende Lorscher Ordnungsamtsleiterin, berichtete von den in der Bürgerbefragung geäußerten Sorgen mancher Lorscher. Furcht vor möglichen Übergriffen wird angeführt, an den „Angstorten“ wird über Müll und Alkohol geklagt. Auch Drogen seien ein Problem. In Lorsch ist nach dem „Kompass“-Beitritt unter anderem ein Präventionsrat eingerichtet worden. Täglich seien zudem Streifgänge beauftragt, auch am späteren Abend, so Hanisch. Zudem gibt es in der Stadt mittlerweile 38 sogenannte Leon-Hilfeinseln für schutzsuchende Kinder. Über die Streetwork-Arbeit der städtischen Jugendförderung sei man mit der Jugend im „guten Dialog“, ergänzte Bürgermeister Christian Schönung. Der Friedhof sollte schon insofern kein allgemeiner nächtlicher Angstort sein, als er nachts gesperrt ist.

Auf die Frage eines Lorschers, ob sich die 482 Straftaten Angstorten zuordnen lassen und ob es eine Karte gebe, die gefährliche Regionen aufzeige, verneinten die Polizisten. Diese ließe sich „mit viel Aufwand“ erstellen. Man dürfe jedenfalls nicht den Fehler machen, Kriminalitätsfurcht zu verkennen, warnten sie.

Auch einem Polizisten ist mulmig

Sogar er als erfahrener Experte gehe nur ungern durch eine bestimmte, beschmierte Unterführung in Limburg, gestand Rudi Heimann ein. „Wie geht es dann erst anderen?“, fragte der Polizeivizepräsident. Schmutz und Lärm beeinträchtigten das Sicherheitsgefühl. Er hob lobend hervor, dass Lorsch einen Jugendrat hat. Er appellierte an Erwachsene, sich auch an eigenes Verhalten in der Jugend zu erinnern – manche Dummheit, manche Mutprobe, die vielleicht eher eine Straftat war.

An der „Kompass“-Initiative zeigten immer mehr Kommunen Interesse, so Heimann. Im Rahmen von „Kompass“ wird es in Lorsch noch eine zweite Sicherheitskonferenz geben.

Redaktion

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