Reichenbach. Deutschlands Bauern haben mit vielen Herausforderungen zu kämpfen. Spätestens seit den Demonstrationen Anfang des Jahres im ganzen Land ist die Problematik auch im Bewusstsein der Bevölkerung präsenter. Das in den vergangenen Jahren angefüllte Fass der Landwirte lief im Dezember über, als aus Berlin die Ankündigung kam, dass auch die Landwirtschaft zur Kompensierung des nicht nutzbaren Sondervermögens des Bundes in Höhe von 60 Milliarden Euro herangezogen wird.
Das war auch beim Regionalbauernverband Starkenburg die Initialzündung für „einiges an Aufregung“, wie am Freitagabend beim Informationsabend im Reichenbacher Gasthaus „Zur Traube“ vom Verbandsvorsitzenden Willi Billau zu hören war. Er sei im Frühjahr „noch nie so fertig gewesen, wie in diesem Jahr“, stellte er in seiner Begrüßung der zahlreich erschienenen Landwirte fest und zeigte sich erfreut über das große Interesse.
Er erinnerte an die zahlreichen Protestaktionen der Landwirte in Berlin, Wiesbaden und an vielen Orten in der Bundesrepublik, denen sich auch andere Berufsgruppen angeschlossen hätten. Zwar wurde der geplante Subventionsabbau beim Agrardiesel schon etwas abgespeckt, was Billau als „halben Sieg“ bezeichnete, aber auch gegen die schritt-weise Kürzung wehren sich die Bauern, die schon in der Vergangenheit einiges hinnehmen mussten wie beispielsweise Kürzungen bei den Zuschüssen zu den Sozialleistungen.
Bauernkammern hätten Einfluss
Ein weiteres Problem seien die Verdienstmargen, die beim Lebensmitteleinzelhandel zu groß und bei den Landwirten zu gering seien. „Das muss sich ändern“, forderte Billau. Eine leichte Verbesserung sieht der Verbandsvorsitzende seit zwei Jahren beim Discounter Lidl, bei dem die regionale Ware – wenn sie vorhanden ist – der Importware vorgezogen werde.
Aber auch die Politik mache den Bauern durch Auflagen und Bürokratie das Leben schwer, sieht sich Hans Trumpfheller in der Freiheit seines Handels eingeschränkt. Trumpfheller ist der stellvertretende Verbandsvorsitzende und Sprecher des Odenwaldkreises und als Nachfolger von Billau vorgesehen, der sich Ende März nach 27 Jahren im Amt zurückziehen will.
Trumpfheller ist anders als Grünlandbauer Billau ein „Tierhalter durch und durch“ und fühlt sich „permanent angreifbar“, weil es bezüglich der Tierhaltung offenbar „jeder besser weiß“. Aber er sei an 365 Tagen im Jahr für seine Tiere verantwortlich, die sein Kapital seien und von denen er wisse, was für sie das Beste sei.
Sein Vertrauen in die Veterinärämter hat offenkundig auch gelitten, wie seine Feststellung vermuten lässt, dass die Politik ihre Behörden nicht mehr in der Hand habe. Ebenso sieht auch er die Probleme bei den Verdienstmargen des Lebensmitteleinzelhandels, auch wenn es nichts Nachhaltigeres gebe, als die regionale Vermarktung.
Breiten Raum nahm in der Diskussion der Landwirte das Thema Luchs und Wolf ein. Hier sind die Probleme vielfältig und geben auch innerhalb der Bauern kein einheitliches Bild. Entweder findet sich nach einem Riss nicht schnell genug ein entsprechender Fachmann oder der Kadaver ist zu alt, um eindeutig feststellen zu können, dass ein Wolf der Urheber sei und manchmal gehen die Meinungen auch auseinander.
Einig sind sich die Landwirte aber darin, dass der Vermehrung des Wolfes untätig zugesehen werde. Anstelle von teuren und aufwendigen Herdenschutzmaßnahmen sollte wie in anderen europäischen Nachbarländern die Anzahl der Wölfe begrenzt werden.
Auch wenn die regionalen Landwirte sich mit Großdemonstrationen aktuell eher zurückhalten wollen und mehr auf „kleine Nadel-stiche“ setzen, habe man gezeigt, „was man erreichen kann, wenn man auf die Traktoren geht“, so Trumpfheller. Für die Politik sei nichts schlimmer als Bauern, die an einem Strang ziehen. Aber man müsse sauber bleiben, mahnt der Odenwälder Tierhalter, denn in der Ruhe liege die Kraft.
Auf ein strukturelles Problem wies der Beedenkirchener Landwirt Peter Weber hin. Er erinnerte an das Ende des Ersten Weltkriegs, als die Landwirtschaft am Boden lag. Damals seien die Landwirtschafts-kammern gegründet worden, die auch bei der Politik gehört wurden. Doch diese gebe es nicht mehr und die Möglichkeiten des Bauernverbandes seien zu gering, da er von der Politik nicht gehört werden müsse.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lautertal_artikel,-lautertal-wolf-reichenbach-odenwald-_arid,2179869.html