Reichenbach. Auf den ersten Blick wirkt Wilhelm Buntz wie eine Mischung aus Alt-Rocker, Weihnachtsmann und Apostel Petrus. Doch Buntz ist für viele Verbrechen verantwortlich. Dafür saß er viele Jahre im Gefängnis, wo er beim „Rauchen der Bibel“ zu Gott gefunden hat.
Buntz hat zwei ältere Schwestern und wird 1954 in Ulm geboren. Seine Mutter ließ keine Zweifel aufkommen, dass sie dieses Kind nicht haben will. Die dreijährige Schwester versorgt ihn ähnlich einer Puppe, wickelt ihn mit Zeitungspapier und gibt ihm zu essen. Letztlich setzt ihn die Mutter aus. Buntz wird unterernährt und mit üblen Hautausschlägen von einer Nachbarin gefunden. Er kommt ins Krankenhaus, wird aufgepäppelt und kommt zu seinem Vater zurück, der die Mutter inzwischen aus dem Haus geworfen hat.
Bald wird Wilhelm auffällig, schlägt sich seinen Kopf am Gitterbettchen blutig, Er wird als geistig behindert eingeschätzt. Menschliche Wärme erfährt er nie. Eine Liebenzeller Schwester wird seine neue „Mutter“. Er zertrümmert ihr mit einem Knüppel beide Hüften. Die Stiefmutter bleibt ein Leben lang gehbehindert.
Wilhelm liebt Indianergeschichten und nimmt sich eines ihrer Rituale – den Feind zu skalpieren – zum Vorbild, wenn er den Mädchen ihre Zöpfe abschneidet. Auch begeht er erste Diebstähle.
Psychologen geben zu verstehen, dass hier nichts zu machen sei. So landet Buntz im Heim. Einmal besucht ihn seine Mutter. Er hofft er darauf, mit ihr gehen zu können, Doch sie lässt ihn enttäuscht zurück. Er beschließt, keine Gefühle mehr zuzulassen, damit ihm niemand weh tun kann.
Buntz gilt als eiskalt und liebt Schlägereien, was ihm den Beinamen Blutbad-Willi einbringt. Er landet in einem Heim für Schwersterziehbare, Bei einer Camping-Freizeit in Österreich stiehlt er das Auto des Erziehers. Er rammt ein Polizeiauto im Einsatz. Ein Polizist ist sofort tot, der andere seitdem an den Rollstuhl gefesselt.
Der Vater haut ihm links und rechts eine herunter und geht. „Als mir mein Vater den Rücken zudrehte und ging, war das schlimmer als die schärfsten Haftbedingungen“, berichtete Wilhelm Buntz. Weil er Schlägereien anzettelt und Wärtern das Essen hinterher wirft, sitzt er oft im Kerker und bekommt Strafen: Fastentag, „hartes Lager“ auf dem Fußboden, Prügel. Dann wird Buntz nach Deutschland abgeschoben. Sein Vater gibt ihm unter zwei Bedingungen Unterkunft: nicht kriminell werden und arbeiten gehen. 14 Tage hält er durch, bis er wegen Trunkenheit entlassen wird. Der Vater setzt ihn auf die Straße, neue Verbrechen folgen.
Der Vater will seinen Tod
Er wird über die Fernsehsendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ gesucht. Nach einem Schusswechsel mit der Polizei bringt man ihn nach Stammheim. Dort wird er für 148 Straftaten angeklagt. Er sagt nicht aus. Buntz wird zu 14 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Sein Vater fordert die Todesstrafe für ihn. Buntz droht seinem Vater, ihn zu töten. Da ist er 23.
In der Haftanstalt Bruchsal trifft er auf den Frauenmörder Heinrich Pommerenke, der seit 1959 einsitzt und bis zu seinem Tod 2008 nie mehr freikommen sollte. Das führt aber nicht zu einem Umdenken So verbringt Buntz viel Zeit in Einzelarrest.
Vom Gefängnisseelsorger lässt er sich eine Bibel geben – weil er weiß, dass man mit den Seiten Zigaretten drehen kann. Er liest die Seiten und beginnt, mit Gott zu reden, obwohl er gar nicht ihn glaubt. Er fragt Gott, was er für einen Plan mit ihm habe und ist sich sicher, dass Gott ihn erst besiegen müsse, wenn er ihn ändern wollte.
Wilhelm Buntz wird unauffällig. Es spricht sich herum, dass er sich bekehrt habe. Er lässt sich eine neue Bibel geben und liest sie. Aber der Anstaltsleiter traut ihm nicht, fürchtet, Buntz wolle seinen Ausbruch vorbereiten. Letztlich schreibt er doch an die Strafvollstreckungskammer, die dem Ersuchen auf Haftentlassung mit lebenslanger Bewährung stattgibt.
Am 15. Februar 1985 soll Wilhelm Buntz entlassen werden. Doch er findet keine Ruhe. In der Bibel steht: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist Gott treu und gerecht.“ Buntz bekennt in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft alle Straftaten, die ihm nicht nachgewiesen werden konnten. Nun drohen ihm weitere 20 Jahre Haft. Doch es kommt anders: Der Staatsanwalt verzichtet auf eine Anklage.
Buntz ist fassungslos. Er beschließt, sein Leben in Ordnung zu bringen. Dazu gehört, die Menschen aufzusuchen, denen er geschadet hat. Obwohl er nicht mehr nach Österreich einreisen darf, trifft er dort die Witwe des getöteten Polizisten und deren fünf Söhne. Die gläubige Familie vergibt ihm. Wilhelm Buntz heiratet, bekommt zwei Söhne und findet Arbeit in einem Blindenheim, wo er bis zu seiner Rente 2017 arbeitet. Heute lebt er bei Freiburg und hat eine Ausbildung als Bibel-Lehrer absolviert. Ein Verlag wurde auf seine Geschichte aufmerksam und hat sie unter dem Titel „Der Bibelraucher“ veröffentlicht.
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