Lautertal. Zu den Sorgen von Lautertaler Landwirten vor Krähen hat Stephan Schäfer Stellung genommen, Vogelschutzbeauftrager des Kreises Bergstraße. Die Debatte war aufgekommen, nachdem Landwirte Vogelkadaver zur Abschreckung der Tiere an den Feldern aufgehängt hatten – was Kopfschütteln, aber auch Verständnis hervorgerufen hatte.
Schäfer spricht nun von einem „Horrorbild“ von den schwarzen Vögeln, dem aus fachlicher Sicht entschieden widersprochen werden müsse. „Leider haben längst widerlegte Vorurteile über Krähenvögel ein zähes Leben und lassen sich immer wieder leicht bedienen. Einzelne zufällige Wahrnehmungen werden schnell verallgemeinert und vorgebliche Untaten einer ganzen Artengruppe untergeschoben“, kritisiert er.
Blutige Feldzüge seien schon gegen angebliche Schädlinge in Gang gesetzt worden. Sie hätten in der Vergangenheit schon viele Vogelarten betroffen und sie an den Rand der Ausrottung gebracht.
Die Gruppe der Rabenvögel umfasse in der Region ganz unterschiedliche Arten, von denen vier ein mehr oder weniger schwarzes Federkleid tragen: Von der kleinen Dohle über die häufige Rabenkrähe und die Saatkrähe, einen Koloniebrüter, der in diesen Gefilden nur als Wintergast vorkommt, bis zum großen Kolkraben. Alle diese Arten hätten ein unterschiedliches Aussehen, einen bestimmten Lebensraum sowie ein arteigenes Verhalten, was Brüten, Nahrungserwerb und Wanderungen angeht. Sie alle hätten ihre bestimmte Rolle im Gefüge des Naturganzen. Daraus schon verbiete sich jede Verallgemeinerung und Urteile wie „die Raben“.
Keine „Lämmerkiller“
Was einige dieser Rabenvogelarten auszeichnet, sei eine ausgeprägte Anpassungsfähigkeit an eine vom Menschen veränderte Umwelt, fährt Schäfer fort. Das mache sie zu Überlebenskünstlern in einer ansonsten feindlichen Umgebung. „Ihr Nahrungsspektrum ist sehr breit. Als Opportunisten verzehren sie das, was die Jahreszeit gerade in Fülle anbietet und was sich leicht erbeuten lässt. Das reicht von den Abfällen am Straßenrand über Vogeleier und Saaten im Frühjahr und Insekten und Weichtiere im Sommer bis hin zu Maisresten nach der Ernte im Herbst“, erläutert der Vogelschutzbeauftragte.
Die Rabenkrähe sei in der Brutzeit ein Einzelgänger. Erst nach der Brutzeit treten demnach Jungvogeltrupps auf, die im Land herumstreifen. Von einer „Krähenplage“ könne bei genauem Hinsehen keine Rede sein. Längst aufgeklärt sei auch das Verhalten der Kolkraben auf Schafweiden. Sie seien keine Lämmerkiller, sondern hätten es als Aasfresser auf die Nachgeburten und Totgeburten abgesehen. Damit leisteten sie einen Beitrag, die Umwelt gesund zu erhalten.
„Aus zahlreichen fachwissenschaftlichen Untersuchungen wissen wir, dass es keine Übervermehrung der Rabenvogelarten gibt. Die Bestände regulieren sich sehr erfolgreich selbst, was jeder kundige Beobachter an Krähen - und Elsternestern sehen kann. Nur wenige Paare brüten erfolgreich“, schreibt Schäfer. Daher lehne auch der fachliche Vogelschutz die Bejagung der Rabenkrähen und der Elstern als sinnloses Töten von Wildtieren ab.
Kadaver sollten beseitigt werden
Tote Krähen am Galgen aufzuhängen, um die lebenden Krähen abzuschrecken, sei zudem ein Irrglaube, denn tote Artgenossen würden ignoriert. Besagter Fall im Lautertal habe aber noch zwei andere Seiten: Jäger, die Krähen geschossen haben, müssten die Kadaver einwandfrei beseitigen. „Wie konnten sie da im Freien aufgehängt werden?“, fragt sich Schäfer. Die Gemeinde Lautertal solle sich auch fragen, ob die aufgehängten Krähen an einem beliebten Wanderweg als Aushängeschild für die 50-Jahre-Feiern der Kommune passen. red
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lautertal_artikel,-lautertal-vogelschuetzer-kritisiert-horrorbild-von-den-schwarzen-voegeln-in-lautertal-_arid,1970213.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lautertal.html