Lautertal. Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit – sie lebt von den Menschen, die sie tragen. Getreu dieser Botschaft organisiert die Gemeinde Lautertal eine Dialog-Veranstaltung in der Gadernheimer Mittelpunktschule (MPS). Am 28. Mai sind ab 18.30 Uhr zwei politikwissenschaftlich geprägte Impulsvorträge vorgesehen, die demokratische Strukturen und Facetten einer aktiven Bürgergesellschaft aus unterschiedlichen Perspektiven ausleuchten. Auch die gastgebende Schule wird sich mit Beiträgen von und mit Jugendlichen beteiligen. Bürgermeister Andreas Heun kündigt an, dass es im Laufe des Abends genügend Räume für den Austausch geben wird: „Bürger haben die Chance, auf Augenhöhe mit der Politik ins Gespräch zu kommen.“
Bürgermeister hofft auf mehr junge Leute, die sich engagieren
Es gehe bei der Infoveranstaltung in der Aula der MPS nicht nur um den aktuellen Zustand der Demokratie 75 Jahre nach der Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949, sondern auch darum, die Menschen zum Mitgestalten kommunalpolitischer Prozesse zu motivieren. Laut Heun brauche es heute wieder mehr und vor allem auch junge Akteure, die sich in ihrem unmittelbaren Umfeld engagieren und so zu einer lebendigen Bürgergesellschaft beitragen. Die Schule sei daher der richtige Ort für eine solche Veranstaltung, die in Zusammenarbeit mit dem Bürgernetzwerk, der Technischen Universität Darmstadt sowie dem Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ konzipiert wurde.
Klaus Müller ist seit 13 Jahren Sprecher der regionalen Arbeitsgruppe Südhessen. Seit 1993 engagiert sich der Bildungsträger mit über 2000 Mitgliedern in 40 Regionalgruppen für historische Erinnerungsarbeit und den konkreten Einsatz für Demokratie. Der ehemalige Lehrer, Schulleiter (bis 2009) und Gewerkschafter betont die Relevanz einer gezielten Wissensvermittlung und die allgemeine Verantwortung dafür, dass demokratische Strukturen auf der Basis einer freiheitlichen Grundordnung und breiten Bürgerbeteiligung stabil bleiben.
„Demokratie lebt von der Auseinandersetzung um unterschiedliche Wege zur Lösung politischer Aufgaben“, so Müller, der 1945 in Göttingen geboren wurde und an der Heinrich-Böll-Schule in Hattersheim und später der Gustav-Heinemann-Schule in Rüsselsheim gewirkt hat. Müller war außerdem zehn Jahre lang SPD-Stadtverordneter in Mörfelden-Walldorf und von 1983 bis 1993 Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hessen. Nach seinem Ruhestand engagiert er sich weiter im Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie“.
In Gadernheim wird er unter anderem über die Spielregeln der Demokratie als Plattform des kollektiven Diskurses sprechen – in einer Zeit, in der die Staatsverfassung wieder erheblich ins Wackeln gerät: Auf der einen Seite erkennt er eine andauernde Stabilität des Grundgesetzes, während es in der Zivilgesellschaft zunehmend zu brodeln beginne.
Die Gesellschaft sei heute stark verunsichert, dazu tragen neben dem Krieg im Nahen Osten sowie in der Ukraine auch die Klimakrise sowie die Debatte um Migrations- und Asylfragen bei. Als Folge wachse die Distanz der Menschen gegenüber der Politik, die Kluft zwischen Macht und Menschen sei dieser Tage besonders groß. Eine Situation, die von rechten und rechtspopulistischen Kräften ausgenutzt wird, indem sie diese als Nährboden für systemkritische und antidemokratische Positionen missbrauche.
„Auch im Kleinen muss man um die Demokratie kämpfen“
„Um Demokratie muss immer neu gerungen werden. Sie hat per se keinen Ewigkeitswert.“ Wer sie als Selbstverständlichkeit verstehe, unterliege einer gefährlichen Illusion, so Klaus Müller bei einem Pressetermin mit den Veranstaltern. Stattdessen müsse man auf jeder Ebene um sie kämpfen und für ihre Werte streiten – nicht nur auf der großen Bühne in Berlin, sondern gerade auch im Kleinen. „Deshalb habe ich für diese Veranstaltung gerne zugesagt“, so der Referent, der den Abend mit einem Impulsvortrag bereichern wird.
Neben ihm wird auch Michèle Knodt vom Institut für Politikwissenschaft an der TU Darmstadt erwartet. Ihr Lehrstuhl umfasst die vergleichende Analyse politischer Systeme und die Integrationsforschung. Die Professorin aus Frankfurt wird in Lautertal über digitale Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung sprechen.
Moderiert wird das Programm von Karl-Heinz Schlitt, der in der Gemeinde – genauer gesagt in Elmshausen – das Regionallabor Bergstraße-Odenwald („Open Government“) mit initiiert hat. Bei dem Projekt des Bürgernetzwerks ging es auch um eine Mitwirkung aller Bevölkerungsgruppen an politisch-gesellschaftlichen Prozessen und um die Stärkung des ländlichen Raums. „Demokratie braucht Menschen, die sie leben“, zitierte Schlitt den Juristen und ehemaligen hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der am Aufbau des demokratischen Justizwesens mitgewirkt hatte.
Heun: „Es gibt Gesprächsbedarf über politische Gremienarbeit“
Diese Botschaft soll auch am 28. Mai zur Geltung kommen. Über einen rein akademischen Diskurs hinaus hoffen die Gastgeber, dass die Anregungen nicht nur auf offene Ohren, sondern auch auf einsichtige Hirne treffen: „Wenn sich daraufhin nur zwei Menschen entscheiden, sich an ihrem Gemeindeleben aktiv zu beteiligen, dann haben wir schon viel gewonnen“, ergänzt Andreas Heun. Es gehe um demokratische Teilhabe vor Ort. Die Veranstaltung soll informieren, aber auch eine Wirkung entfalten. Der Bürgermeister schließt nicht aus, dass der Termin ein Startschuss für weitere, ähnliche Formate sein könnte: „Es gibt Gesprächsbedarf über die Zukunft der Demokratie und die politische Arbeit in unseren lokalen Gremien.“
Helmut Adam hofft in der Mittelpunktschule auch auf junge Teilnehmer. Der Vorsitzende der Lautertaler Gemeindevertretung sieht den Ort als ideale Bühne für ein solches Thema. „Politik wird heute von vielen sehr selektiv wahrgenommen“, so Adam. Jeder spreche nur dann mit, wenn ihn etwas persönlich und direkt betreffe. Das Interesse an der Gesamtheit des Zusammenlebens und seiner politischen Organisation sei leider nicht ausreichend entwickelt. Schulleiter Alwin Zeiß kündigt mindestens ein gutes Dutzend Schüler an, die sich an dem Programm beteiligen werden. Auch während der offenen Diskussion, die einen prominenten zeitlichen Anteil haben soll, erwarten die Veranstalter junge Menschen sowie Eltern und Vertreter politischer Ehrenämter zum barrierefreien Austausch.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lautertal_artikel,-lautertal-veranstaltung-zu-demokratie-in-gadernheim-am-28-mai-_arid,2202646.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lautertal.html