Gadernheim. Streuobstwiesen sind wertvolle Lebensräume und sie bieten leckere Obstsorten, die es so oftmals im Supermarkt nicht zu kaufen gibt. Über die „Erhaltung der Streuobstwiesen in unserer Region“ hielt Martin Schaarschmidt nun bei den Gadernheimer Landfrauen einen interessanten Vortrag. Nach der Begrüßung durch Vorstandsmitglied Iris Hiemer stellte sich Martin Schaarschmidt erst einmal selbst vor. Er beschäftigt sich in vielfältiger Weise mit Landschaft, Natur und Erhalt von Lebensräumen. Bekannt ist er als Leiter des Landschaftspflegeverbands, seit 2012 betätigt er sich auch bei der Initiative „Streuobstwiesenretter“.
Früher wurden sogar Prämien für das Roden der Wiesen gezahlt
Inzwischen gibt es Menschen, die erkannt haben, wie wertvoll vielfältige Landschaftsstrukturen sind. Dazu gehören auch die Streuobstwiesen, die allein in den vergangenen 70 Jahren deutlich weniger geworden sind. So gilt es, die vorhandenen zu pflegen, zu erhalten und dafür zu sorgen, dass neue Streuobstwiesen entstehen. Einst fanden sich großkronige und starkwüchsige Obstbäume auf Wiesen und Weiden und auch als Einzelbäume an Rändern von Straßen und Wegen. Bilder, die Martin Schaarschmidt dabei hatte, zeugen von den Veränderungen in der Landschaft, auch von der Ausbreitung der Bebauung und damit dem Verlust von Flächen für den Streuobstanbau.
Anhand von Funden der Apfelkerne ist zu erfahren, dass die Menschen schon in der Jungsteinzeit am Bodensee dieses Obst zu schätzen wussten. Es waren damals wohl eher Fruchtsammlungen, daraus entwickelte sich aber im Laufe der Zeit die gezielte Zucht von Apfelbäumen. Die ersten Bestätigungen finden sich in der Zeit um Christi Geburt. Die Menschen lernten dann auch die Technik der Veredelung von Obstgehölzen. Erste Hinweise stammen aus dem 6. Jahrhundert. Karl der Große befahl im 8. Jahrhundert die Anpflanzung von Obstbäumen zur Verhinderung von Hungersnöten.
Zunächst fanden sich viele Obstbäume in den Gärten der Klosteranlagen, ab dem 17. Jahrhundert dann auch in der Landschaft. Später wurden die Bäume in der Nähe der Ortschaften in großen Flächen angepflanzt. Der Straßenname „Bangertsgasse“ deutet schon auf einen nahen Obstgarten hin. Die Obstbaumkunde, genannt Pomologie, nahm im 18. Jahrhundert ihren Anfang.
Allerdings ist viel von diesem Wissen in den vergangenen 70 Jahren verloren gegangen und wird heute teils mühsam wieder erworben. Die Gründe liegen in der gesellschaftlichen Entwicklung. Die Zunahme der Bebauung und die Intensivierung der Landwirtschaft sind Beispiele. Es gab sogar eine Zeit, in der Prämien gezahlt wurden für das Roden der Streuobstwiesen.
Das ist Geschichte, heute gibt es Förderungen für die Anpflanzung und Pflege. In den 1980er-Jahren wurde nämlich der Wert der Streuobstwiesen für die Artenvielfalt, für Natur und Landschaft erkannt. Inzwischen waren 80 Prozent der ehemaligen Streuobstwiesen verloren. Wie Martin Schaarschmidt ausführte, leben in einer Streuobstwiese bis zu 5000 Arten – von Insekten über Schmetterlinge und Käfern bis zu Vögeln und auch teils selten gewordenen Pflanzen.
Eine Streuobstwiese bereichert zudem das Landschaftsbild. Sie verbessert die Bodenstruktur und wirkt sich ausgleichend auf klimatische Verhältnisse aus. In einer Streuobstwiese gedeihen etwa bei Apfelbäumen Sorten, die von Menschen oftmals besser vertragen werden, als die hochgezüchteten Sorten, die es in den Supermärkten zu kaufen gibt. Ein großes Thema sind allergische Reaktionen. „Die Äpfel von meinen Bäumen kann ich essen, vor allem, wenn sie frisch gepflückt sind“, bestätigte eine Teilnehmerin des Vortrags.
Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf kommerziellen Plantagen
Allerdings gibt es einen Unterschied zwischen den klassischen Streuobstwiesen und den heute vielfach vorkommenden Obstplantagen. Martin Schaarschmidt listete diese auf. Beispielsweise sind die Bäume in den Wiesen kräftige Hochstämme, während in den Plantagen gerne mit niederwüchsigen Bäumen gearbeitet wird.
Der Einsatz von Spritzmitteln in Plantagen sorgt für eine bessere Ernte mit optisch hübschen Äpfeln ohne Madenbeteiligung. Dagegen kann es in Streuobstwiesen je nach Witterung passieren, dass die Ernte mal nicht so zufriedenstellend ausfällt.
Der kommerzielle Plantagenanbau unterscheidet sich in seiner Ökobilanz zudem von der Streuobstwiese. Der Wert einer Streuobstwiese kann sogar noch verbessert werden, wenn diese nicht hundertprozentig aufgeräumt wird. Steinhaufen, Trockenmauern, Reisigablagerungen, Totholz und auch das Stehenlassen von alten Bäumen sorgen für weitere Lebensräume für viele Arten.
Am Ende des Vortrags beschäftigten sich alle mit den mitgebrachten Äpfeln. Alte heimische Sorten sind der Bohnapfel, der Beerbacher Taffetapfel oder die verschiedenen Sorten der Lederäpfel wie der Odenwälder Spitzrabau.
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