Sicherheit - Lautertaler Bürger sehen in geplanten Baugebieten Probleme für den Hochwasserschutz

Sorge vor der Welle aus der Lauter

Von 
Konrad Bülow
Lesedauer: 
Die Lauter, hier bei Gadernheim: Bei Starkregen soll sie das Oberflächenwasser aus den geplanten Lautertaler Baugebieten aufnehmen. © Neu

Lautertal. Sind die Einwohner Lautertals ausreichend geschützt vor Hochwasser infolge von Starkregen? Diese Frage treibt den Elmshäuser Wolfgang Vetter um, vor allem mit Blick auf die Neubaugebiete Im Schmelzig und Destag. „Als Konsequenz der enormen Flächenversiegelungen werden ebenso enorme Mengen an Oberflächenwasser anfallen, die entweder in die Kanalisation oder die Lauter eingeleitet werden müssen“, fürchtet er und fragt sich, ob das Gewässer solche Mengen an Wasser bewältigen würde: „Nach der Fertigstellung der Baugebiete wäre es nicht auszuschließen, dass bei entsprechenden Wetterverhältnissen eine perfekte Welle in Richtung Südwesten rollt.“

Ganz allein ist Vetter mit seiner Sorge nicht. Die CDU fordert wegen häufigerer Unwettersituationen angesichts von Klimaveränderungen eine Neuberechnung für das Rückhaltebecken in Reichenbach und eine Prüfung, wie schnell Warnungen an die Bürger und die zuständigen Hilfsorganisationen übermittelt werden können. Das war auch für Vetter der Ansporn, diese Frage zu stellen. Er ist Mitglied einer Bürgerinitiative, die das Baugebiet Schmelzig unter anderem wegen der aus ihrer Sicht ungeklärten Frage nach der Entwässerung kritisiert.

Behörde: Keine Verschlechterung

Eine fachbehördliche Berechnung aus dem Jahr 1987 gehe davon aus, dass bei einem zweijährigen Regenereignis 186 Liter Oberflächenwasser in die Lauter geleitet werden würden, schreibt Vetter. Das Gebiet Destag Reichenbach ist doppelt so groß wie das Gebiet Schmelzig. „Würde dann auch die doppelte Menge an Oberflächenwasser anfallen?“, will Vetter wissen.

Nachfrage bei der Oberen Wasserbehörde, dem Regierungspräsidium Darmstadt: „Grundsätzlich verursacht die Versiegelung von Flächen die Erhöhung der Menge des Niederschlagswassers, welches in einen Vorfluter eingeleitet wird, was zu einer Erhöhung des Abflusses führt“, heißt es von dort in einer Stellungnahme an diese Zeitung.

Zwar ließen sich extreme Wetterereignisse weder vorausplanen noch verhindern. Unterm Strich sieht die Obere Wasserbehörde aber die Lauter als ausreichend leistungsfähig an und geht davon aus, dass sich der Hochwasserschutz für die Anlieger der Lauter „auch bei einer zusätzlichen Einleitung aus den geplanten Baugebieten nicht verschlechtern würde.“ Nach dem besagten Gutachten aus dem Jahr 1987 sei die Lauter „grundsätzlich“ in der Lage, aus dem Schmelzig 0,19 Kubikmeter Wasser pro Sekunde aufzunehmen, ohne dass es zu Überflutungen kommt. Dann sei der Wasserspiegel des Gewässers aber auch noch nicht bis an die Oberkante der Böschung gestiegen, erläuterte ein Fachmann des Regierungspräsidiums am Telefon.

Auch bei einem Regenereignis wie es nur alle 50 oder 100 Jahre wahrscheinlich ist, sei das Wasser noch knapp darunter. In der schriftlichen Stellungnahme der Behörde heißt es außerdem, aktuelle Berechnungen hätten ergeben, dass „bei Hochwasserereignissen mit einer Wahrscheinlichkeit von 100 Jahren der dazugehörige Abfluss wesentlich geringer ist als 1987 zugrunde gelegt“, heißt es von der Wasserbehörde weiter.

Entscheidung steht noch aus

Die Bebauungspläne „Im Schmelzig“, „Destag“ und „Östlich Auf der Steinaue“ befinden sich noch im Verfahren und sind noch nicht rechtskräftig. Für den Schmelzig liege der Antrag für die Erlaubnis zur Einleitung von Niederschlagswasser in die Lauter vor. „Dieser ist jedoch aktuell noch in Bearbeitung“, heißt es vom Regierungspräsidiums. Für die Bebauungspläne „Destag“ und „Östlich Auf der Steinaue“ seien bislang nur Stellungnahmen bei der Oberen Wasserbehörde im Rahmen des Beteiligungsverfahrens eingeholt worden. „In den Stellungnahmen zu den Bebauungsplänen haben wir gefordert, dass – sofern eine Versickerung des anfallenden Niederschlagswassers nicht möglich ist – der hydraulische Nachweis erbracht werden muss, dass das Niederschlagswasser in den Vorfluter Lauter abgeführt werden kann, ohne dass es zu Überschwemmungen kommt“, erläutert die Behörde.

Die Kanalisation kann den Hochwasserschutz nicht entlasten: Vom Zweckverband Kommunalwirtschaft Mittlere Bergstraße heißt es, er habe darauf hingewiesen, dass nur häusliches Schmutzwasser in die Kanalisation eingeleitet werden kann. Niederschlagswasser sei ortsnahe zu versickern, zu verrieseln oder über eine separate Kanalisation ohne Vermischung mit Schmutzwasser in ein Gewässer einzuleiten.

Es liege ihm fern, Panik zu schüren, betont Vetter. Er sehe jedoch die Gemeinde in der Pflicht, das Thema öffentlich zu behandeln, zumal es jetzt von der CDU angestoßen wurde. Es gelte für alle Bürger, wachsam zu sein. „Alleine die Absicht, Lautertal mit Neubaugebieten als Wohnort attraktiv zu gestalten, genügt nicht“, schreibt er.

Der Hochwasserschutz müsse in Zeiten des Klimawandels und gerade bei solchen „für das Lautertal als Mammutprojekte einzustufenden Baugebiete“, oberste Priorität erhalten, fordert er: „Sonst könnte es mit der Attraktivität schnell vorbei sein.“

Wasser versickert nur langsam im lehmigen Boden

Der Gewässerverband Bergstraße ist informativ in die Bauleitplanung der Kommunen eingebunden und steht der Gemeinde Lautertal sowie den beteiligten Behörden beratend zur Seite. Eine Bewertung zu einzelnen Themenkomplexen wolle er deshalb nicht abgeben, teilt Geschäftsführer Ulrich Androsch mit.

Allerdings sei das das Destag-Gelände schon fast vollständig versiegelt, nennt Androsch eine Rahmenbedingung. Mit einer anderen Bebauung ergäben sich keine allzu großen Unterschiede in Sachen Regenwasser: „Die unbebauten Flächen im Schmelzig entwässern – durch die Hangsituation begünstigt – auch heute schon intensiver Richtung Lauter.“

Bei Starkregenereignissen versickere generell nur ein sehr geringer Anteil der Wassermenge im Boden, bedingt durch die große Menge an Wasser in kurzer Zeit, die bei den starken Geländeneigungen oberflächig oder über Seitengräben der Lauter zufließe. Die Böden der Odenwälder Seitentäler seien überwiegend lehmig bis tonig und hätten ein geringes Versickerungsvermögen. Der Oberflächenabfluss im Einzugsgebiet eines Gewässers wie der Lauter werde – bei Starkregenereignissen – durch den Versickerungsverlust nicht wesentlich reduziert.

Androschs Ansicht nach fehlt es vor dem Hintergrund der Zunahme von extremen Ereignissen grundsätzlich noch an Konzepten für die weitere Flächenentwicklung in der Region. „Die Ballungsräume Rhein-Main und Rhein-Neckar wachsen stetig, damit einhergehend auch der enorme Siedlungsdruck auf die Kommunen in der Peripherie. Die Flächen sind endlich und so manche Kommune steht mit ihrer Flächenausdehnung der letzten Jahrzehnte schon kurz vor der Gemarkungsgrenze“, gibt er zu bedenken. kbw

Ehemalige Mitarbeit

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger