Felsberg

Naturschützer fordern Verzicht auf Baumfällungen am Felsberg in Lautertal

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tm/red
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Das Bild zeigt nach Angaben des Naturschutzbundes zur Fällung markierte Bäume am Felsberg. © Nabu

Lautertal. Mehrere Naturschutzverbände aus der Umgebung haben mit Sorge „Fällzeichen vor allem an älteren Bäumen im FFH-Gebiet Felsberg wahrgenommen“. In einer gemeinsamen Pressemitteilung der Naturschutzbund-Gruppen aus Beedenkirchen, Elmshausen und Seeheim-Jugenheim sowie dem Netzwerk Bergsträßer Wald heißt es, die geplanten Fällungen seien „nicht nur aus Gründen des Walderhalts und Naturschutzes problematisch“.

Bei der Beratung des Waldwirtschaftsplans in der Lautertaler Gemeindevertretung hatten bereits die Grünen auf das Thema aufmerksam gemacht. Eine Fällung der Bäume würde die „Verhandlungsposition der Gemeinde Lautertal zur Einrichtung von Naturwald deutlich verschlechtern und könnte für den kommunalen Haushalt sogar zu direkten finanziellen Verlusten führen“, heißt es nun auch von den Verbänden.

Es spiele dabei keine Rolle, ob man das Naturwald-Modell mit Ökopunkten von Hessen-Forst oder das Angebot der Waldakademie wähle. Auch zur Gewinnung von Ökopunkten werde das Gelände auf die ökologische Qualität hin genau überprüft. „Werden große schattenspendende Altbäume entnommen, wird die Bewertung sehr wahrscheinlich schlechter ausfallen. Das kann entweder zum Absenken des Pachtangebotes oder zu einer schlechteren Bewertung für das Gebiet beim Akquirieren von Ökopunkten führen.“

„Keine Verkehrssicherungspflicht“

Die Naturschützer raten daher dringend dazu, auf diese Fällungen und alle anderen Fällungen im Naturschutzgebiet Felsberg zu verzichten, „zumindest bis Entscheidungen zu dieser Angelegenheit getroffen wurden“. Ein gleichlautender Antrag der Grünen hatte in der Gemeindevertretung allerdings keine Mehrheit gefunden.

Bei den Arbeiten handele es sich „augenscheinlich um Verkehrssicherungsmaßnahmen, da der Großteil der Bäume kleinere oder größere Schäden zeigt. Doch die meisten der markierten Bäume sind noch nicht einmal in unmittelbarer Nähe des Felsenmeeres, ein paar davon sogar weit weg vom Weg. Fast alle markierten Bäume fallen nicht unter die Verkehrssicherungspflicht des Waldbesitzers.“ Die Verbände verweisen darauf, dass diese Pflicht im Wald wegen der sogenannten „waldtypischen Gefahren“ begrenzt sei. Die Bäume seien sind weit weg von Straßen oder Einrichtungen.

„Wenn diese Bäume fallen und dem Ökosystem vor allem durch ihr Kronendach fehlen, fressen sich Hitze und Trockenheit weiter in den Wald hinein. Weitere Trockenschäden, Pilzbefall und die Vermehrung des Buchenborkenkäfers werden die Folge sein. Es entsteht ein Dominoeffekt, der jetzt schon beispielsweise im oberen Bereich des Felsenmeeres beobachtet werden kann.“

Dies führe zu empfindlichen Beeinträchtigungen, die das Ökosystem Wald weiter destabilisierten. Blieben die Bäume hingegen stehen, so spendeten sie noch „Jahre und Jahrzehnte“ Schatten und ermöglichten ein erheblich intensiveres Naturerlebnis für Touristen wie die Lautertaler gleichermaßen. Auch „da es im Naturschutzgebiet wenig Biotopbäume und Totholz gibt, obwohl dies nach dem Bewirtschaftungsplan dieses FFH-Gebietes im Leitbild als eines der vorrangigen Ziele formuliert ist“ seien diese Bäume zu erhalten.

„Der Schutz des Waldes muss jetzt an oberster Stelle stehen. Waldbesucher sollten auf waldtypische Gefahren hingewiesen werden und die Nicht-Haftung des Waldbesitzers deutlich gemacht werden“, fordern die Naturschutz-Verbände. Dazu könne auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs von 2012 zurückgegriffen werden. Dieses Urteil sei in der Folge immer wieder bekräftigt worden, zuletzt vom Oberlandesgericht Naumburg. Dieses habe festgestellt, dass „selbst sichtbar abgestorbene Bäume an Premiumwanderwegen nicht beseitigt werden müssen“. Als Vorbild könne die Gemeinde Mühltal dienen, die Warnschilder in den Wäldern angebracht habe, die Absterbeerscheinungen zeigen.

Auch wenn im Wald viele Menschen unterwegs seien, sollte man ihn nicht für deren absolute Sicherheit weiter auflichten und Folgeschäden riskieren. „Schwindet der Wald, dann haben die Menschen ihn nicht nur als Erholungsort, sondern auch als Kohlenstoff- und Wasserspeicher verloren. Letztlich schwinden auch die Chancen zur finanziellen Nutzung.“

Verbände drohen mit Klage

Die Naturschutzverbände weisen darauf hin, dass der Felsberg ein Europäisches Schutzgebiet ist. Es ist Teil des Natura-2000-Netzes zur Erhaltung gefährdeter oder typischer Lebensräume und Arten. Für diese zu schützenden Wälder gälten besondere Richtlinien. „Das Leitbild für die Wälder ist die Erhaltung und Förderung naturnaher und strukturreicher Bestände mit stehendem und liegendem Totholz, Höhlen- und Habitatbäumen und lebensraumtypischen Baumarten in ihren verschiedenen Entwicklungsstufen und Altersphasen.“

Eine Holznutzung sei nur gestattet, wenn die übergeordneten Ziele erfüllt würden. Die Anreicherung von Totholz spiele eine wichtige Rolle. Es gelte ein Verschlechterungsverbot: Der Eigentümer müsse danach geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen, um eine „Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie erhebliche Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind“ zu vermeiden.

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes von 2018 seien in FFH-Gebieten forstliche Maßnahmen nur noch erlaubt, wenn es eine Verträglichkeitsprüfung gegeben habe. Eine Behörde dürfe einen Plan oder ein Projekt nur dann zulassen, wenn die Verträglichkeitsprüfung vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthalte, die geeignet seien, „jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich des Eintretens von erheblichen Auswirkungen auszuräumen“. Dies sei vom Oberverwaltungsgericht Bautzen 2020 nochmals bestätigt worden.

„In der Wahrnehmung einiger Politiker scheint das Gebiet am Felsberg ein Wald zu sein, in dem weiter ohne Einschränkungen Holzwirtschaft betrieben werden kann“, kritisieren die Naturschützer. Sie seien verwundert, dass die besondere Schutzwürdigkeit dieses Gebietes und der Sachverhalt der Verträglichkeitsprüfung bei der Sitzung des Umweltausschusses der Gemeindevertretung von Hessen-Forst nicht erwähnt worden sei. „Dies hätte deutlich gemacht, dass dieser Wald strengen Schutzkriterien der Europäischen Union unterliegt und dass vor Eingriffen nötige Verträglichkeitsprüfungen mit Aufwand und Kosten verbunden sind.“ Die Leitung des für Lautertal zuständigen Forstamtes Lampertheim sei bereits 2020 vom BUND Bergstraße über die Rechtslage informiert worden.

„Naturschutzverbände können diese Verträglichkeitsprüfung einfordern, falls diese vor dem Eingriff nicht stattgefunden hat und sie Schutzziele in Gefahr sehen.“ Dazu gebe es „erfolgversprechende Klagemöglichkeiten“. Die Verbände gehen davon aus, Hessen-Forst „die Rechtslage kennt und berücksichtigt“. tm/red

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