Reichenbach. Die Lautertaler Gemeindevertretung wird nach den Sommerferien das Hochwasser-Rückhaltebecken zwischen Lautern und Reichenbach besichtigen. Wie der Vorsitzende Helmut Adam (CDU) ankündigte, sind zu dem Termin auch die Bürger eingeladen. Hintergrund ist die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.
Vor rund einem Jahr hatte die Gemeindevertretung einen Antrag der CDU-Fraktion behandelt, mit dem festgestellt werden sollte, ob das Rückhaltebecken für die aktuellen Wetterverhältnisse noch ausreichend sicher ist. Ebenso ging es darum, wie und wie schnell eine Gefahrenwarnung an die Hilfsorganisationen und die Bevölkerung möglich ist.
Im September hatte der Geschäftsführer des Gewässerverbandes, Ulrich Androsch, daraufhin den Gemeindevertretern die Funktion des Stauwerks und die beim Bau berücksichtigten Vorschriften erläutert sowie über die regelmäßigen Prüfungen berichtet, wie Helmut Adam mitteilte. Androsch habe damals auch auf auf die Gefahr hingewiesen, dass es trotz des Staubeckens zu Hochwasser an der Lauter in tieferen Regionen kommen könne. Hier stelle sich die Frage, ob eine Starkregen-Gefahrenkarte für Lautertal sinnvoll sei. Die Erstellung eines solchen Kartenwerks werde vom Land mit Zuschüssen unterstützt, die bis zu neun Zehntel der Kosten ausmachen könnten.
Zweiter Durchlass geplant
Das aus den 70er Jahren stammende Rückhaltebecken soll in den nächsten Jahren umgebaut werden. Es ist dafür konzipiert, Hochwasserwellen kurzzeitig zurückzuhalten, indem der Durchfluss der Lauter begrenzt wird. Es fasst bis zu 104 000 Kubikmeter. Kommt aus Gadernheim und Lautern mehr Wasser an, staut es sich in dem Becken zurück und läuft wieder ab, sobald der Lauter-Pegel gefallen ist. Für eine dauerhafte Stauung – wie zum Beispiel beim Rückhaltebecken im Schlierbach bei Ellenbach – ist der Erdwall nicht geeignet.
Wie Gemeindevertreter Peter Rohlfs (LBL) im Frühjahr von einer Sitzung des Gewässerverbandes berichtet hatte, ist geplant, die Sicherheitstechnik des Beckens zu erweitern. Dazu sei der Bau eines zweiten Durchlasses durch den Damm geplant. Das Hochwasser-Rückhaltebecken hat zwar auch ein Überlauf-Bauwerk. Sollte allerdings das Wasser am Grund nicht mehr abfließen können, müsste das Becken leergepumpt werden, um zu verhindern, dass der Damm aufweicht.
Dass das Rückhaltebecken 1974 errichtet wurde, war eine Folge von vernichtenden Hochwassern im Lautertal. Das Einzugsgebiet der Lauter ist im Oberlauf relativ groß, da sich der enge Talkessel oberhalb von Reichenbach stark aufweitet. Die große Menge an Wasser muss dann aber durch die Engstellen talwärts hindurch, wobei gleichzeitig Nebenflüsse der Lauter weiteres Wasser heranbringen.
Katastrophen in den 30er Jahren
Am 26. Juli 1611 war in Reichenbach laut der evangelischen Kirchenchronik „ein graußam Gewässer gewest“. Am 9. September 1772 wurde der Sohn von Georg Philipp Weyhrauch mitsamt seinem Pferd von der reißenden Lauter fortgerissen. Wohl kam das Pferd wieder aus dem Wasser, doch den Jungen fand man am anderen Morgen tot auf den Wiesen bei der Papiermühle in Elmshausen.
1882 glich der Reichenbacher Marktplatz nach einem Unwetter einem See. Die Lauter war über die Ufer getreten und überschwemmte das mittlere und untere Dorf. In der Nacht auf den 9. Oktober 1930 „war die sonst so friedliche Lauter zu einem reißenden Bach geworden“ und bedrohte Häuser, Tiere und Menschen.
Wohl kam in Reichenbach niemand zu Schaden, doch in Schönberg fiel dem Hochwasser ein Mensch zum Opfer: Der Sohn des Bürgermeisters, der ein Wehr öffnen wollte, wurde von den Fluten erfasst und ertrank.
Am 19. Juli 1931 wurde das Lautertal abermals von einer Katastrophe heimgesucht. Die Dorfstraße glich einem Fluss, Bachmauern stürzten ein. Am Sonntag, 14. August 1938, war Reichenbachs Dorfmitte wieder überflutet. Nach einem Wolkenbruch waren Wassermassen von den Talhängen ins Dorf gestürzt. Die Auswirkungen waren noch in Bensheim zu spüren.
Brücke musste abgerissen werden
Am 23. Juni 2007 kam es nach andauernden Regenfällen erneut zu einem Hochwasser. In Lautern liefen Keller und ein Supermarkt voll, an denen Lauter normalerweise ein gutes Stück unterhalb vorbeifließt. Außerdem wurde eine gepflasterte Straße in Lautern zerstört. In Reichenbach wurden Heuballen von einem Grundstück weggeschwemmt.
Einige davon blieben an der Brücke zwischen TSV-Sportplatz und Nibelungenstraße hängen. Der Abfluss aus dem Rückhaltebecken wurde daraufhin gedrosselt, um die Bergungsarbeiten zu erleichtern. Dennoch musste die Brücke abgerissen werden, um den Wasserabfluss sicherzustellen. tm/he
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