Heimatgeschichte

Herren auf 22 Mühlen im Odenwald

Von 
Heinz Eichhorn
Lesedauer: 

Lautertal. Über Jahrhunderte hinweg waren Wassermühlen wahre Wunderwerke der Technik, die den Menschen ihre Arbeit ganz wesentlich erleichterten. Schon im dritten Jahrhundert vor Christus gab es Mahlmühlen in China. Die Römer brachten sie auch nach Deutschland.

Im Odenwald waren sie besonders zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert gefragt und es gab sie zeitweise in jedem Dorf. Besonders aktiv in dieser Branche waren die Odenwälder Familien Klinger. Gleich in 22 Mühlen wurden sie als Besitzer oder Pächter geführt und waren in weiteren als Mühlenärzte, Mühlenbauer oder Mitarbeiter tätig. Helga Scheichenost aus Elmshausen, deren Großmutter Henriette eine geborene Klinger war, hat die Geschichte ihrer „Mühlen-Vorfahren“ zusammengetragen und in einer 75 Seiten starken und reich bebilderten Chronik „Klinger-Familien auf Odenwälder Mühlen und Nachfahren“ zusammengefasst. Auch über die Arbeitsweisen der verschiedenen Mühlen informiert Helga Scheichenost umfassend und stellt die Technik im Bild vor.

Auftakt an der Gersprenz

Ausgangspunkt aller Mühlenaktivitäten der Klingers war wohl die Wiesenmühle in Pfaffen-Beerfurth, das heute zu Reichelsheim gehört. Dort war ab 1557 Peter Klinger der Besitzer. Seine Nachfolger führten die Mühle bis 1853, also rund 300 Jahre lang. Mit dem Erwerb übernahmen die Klingers die von der Obrigkeit erlaubte Entnahme des Wassers aus der Gersprenz, einem der drei Bäche, die auf der Neunkircher Höhe entspringen.

Zur Mühle gehörten ein Haus und der Mühlplatz sowie landwirtschaftlich genutzte Flächen. Den daraus gezogenen positiven Erfahrungen folgten Aktivitäten in Unter-Ostern (Untere Mühle), Kirch-Beerfurth (Böckelsmühle), Rimbach (Neumühle), Ober Kainsbach (Haalmühle) und Steinau (Untere Mühle).

1744 erwarb Johann Philipp Klinger aus Unter-Ostern die unterschlächtig und mit einem Gang betriebene Mühle im Reichenbacher Unterdorf. Drei weitere Klinger-Generationen waren dort tätig, bevor sie von Peter Marquardt, Wilhelm Metzger und Georg Brücher übernommen wurde. Brücher stellte die von der Lauter betriebene Mahlmühle um und fertigte hier fortan Pappe.

In Hoxhohl und Hochstädten

Nur wenige Jahre verbrachte Georg Heinrich Klinger auf der Hechler-Mühle in Wurzelbach. Die 1719 von Johannes Hechler errichtete Mahl-, Öl- und Schneidemühle mit zwei Wasserrädern wurde 1910 teilweise abgerissen, 1968 wurde der Mühlenbetrieb ganz eingestellt. Die Mühle speiste sich gleich aus zwei Mühlgräben, einem aus Richtung aus Beedenkirchen und einem von Staffel aus. Auch in der Stierbacher Mühle, der Grohmühle in König, der Klinger- / Lortz-Mühle in Langen-Brombach, der Oberen Mühle in Steinau, der Arras-Mühle in Klein-Gumpen, der Pöllnitz-Mühle in Reinheim, der Ölmühle in Billings, der Herrenmühle in Reichelsheim und der Alten Schlossmühle in Nieder-Modau waren die Klingers in ihrem Metier aktiv.

Durch den Tod des Betreibers beendet wurden die Klingerschen Tätigkeiten in der Lochmühle in Hoxhohl. 1846 erwarb Johann Philipp Klinger aus Fränkisch-Crumbach die Mühle, er starb aber bereits 1850. In einer amtlichen Bekanntmachung teilte die Gemeinde Brandau mit, „dass auf freiwilliges Anstehen der Witwe“ dieselbe alle ihre Liegenschaften öffentlich und meistbietend versteigern lässt. Die bestanden aus einem zweistöckigen Wohnhaus mit einer Mahl- und Schälmühle, einer ganz neu erbauten Scheuer, 30 Klafter Grabgarten und 19 Morgen, 216 Klafter Ackerland, Wiesen und Waldungen. Die Mühle liege ganz nahe an der Provinzialstraße von Ernsthofen nach Brandau. Das Anwesen wurde mehrfach erworben und weiterveräußert. 1953 wurde der Mühlenbetrieb eingestellt.

1878 pachtete Adam Klinger aus Reichenbach die Untere Mühle in Hochstädten. Die bereits 1684 erstmals erwähnte Mühle betrieb er bis etwa 1905 und übte noch zusätzlich den Beruf des Mühlenbauers aus. Seine Arbeit wurde mehrfach im Bild festgehalten, die Fotos liegen im Stadtarchiv Bensheim.

Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"

Ehemalige Mitarbeit

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger