Frauenfrühstück - Auf Einladung der Landeskirchlichen Gemeinschaft referierte Seelsorgerin Renate Bachor zum Thema "Was uns aus der Ruhe bringt" / Warnung vor zu viel Ehrgeiz

Dem Stress das Stopp-Schild zeigen

Von 
Monika Hälker
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Reichenbach. "Heute besuche ich mich, hoffentlich bin ich daheim", scherzte einst Karl Valentin. Der Schauspieler und Komiker erweiterte gern die Grenzen der Logik so, dass sie ins Abstrus-Komische abglitt. Dass er, der in den 1920er Jahren erste Erfolge feierte, auch heute noch aktuell ist, machte die Seelsorgerin Renate Bachor im Rahmen ihres Vortags zum Thema "Was uns aus der Ruhe bringt" deutlich. Denn was Valentin auf skurrile Weise beschreibt, widerfährt gegenwärtig zahllosen Menschen: Sie haben sich und ihre innere Mitte verloren. Zum gut besuchten Frauenfrühstück der Landeskirchlichen Gemeinschaft in Reichenbach konnte Ruth Steinbach dementsprechend ein volles Haus begrüßen - vielleicht, weil das Thema angesichts immer größerer gesellschaftlicher Anforderungen so aktuell ist wie selten zuvor.

Die Referentin unterstrich, wie wichtig die Balance zwischen Spannung und Entspannung sei, um dem Alltagsstress Selbstzufriedenheit entgegenzusetzen zu können. Nach Einschätzung von Renate Bachor leiden heute viele Menschen unter einer chronischen Erschöpfung: "Ein Leben ohne Auto und Uhr ist kaum mehr denkbar." Die Zeit habe uns fest im Griff und verursache Stress. Auf der anderen Seite werde beispielsweise immer mehr Zeit für das Surfen im Internet investiert. Fazit: "Viele Menschen sind schlichtweg überfordert."

Zeit für das eigene Umfeld

Die Neuen Medien, die weltweite Kontakte ermöglichen, würden Grenzenlosigkeit nur suggerieren. Sie riet Frauen dazu, ein Stopp-Schild aufzustellen, mal das Handy auszulassen und stattdessen mit einer Freundin auszugehen oder sich Zeit für die Ehe zu nehmen. Es sei wichtig, das eigene Umfeld wieder wahrzunehmen.

Der Druck, dem sich Menschen häufig aussetzen, schade dem Nervensystem. Ursache sei oft ein zu hoher Anspruch an sich selbst. Man wolle sowohl im Beruf als auch in der Familie hundertprozentige Leistungen bringen. Die Folge: Die Frauen spielten Taxifahrerin für die Kinder, seien gute Gastgeberinnen bei Familienfesten, wirkten als Krankenschwester, agierten daheim als Finanzministerinnen, hätten gute Köchinnen zu sein und obendrein auch noch liebenswürdige Nachbarinnen. Mit dem Anspruch, die Rollen in Einklang zu bringen, würden sich viele von ihnen eine Herkulesaufgabe aufbürden. Die Referentin mahnte dazu, mehr auf die eigenen Bedürfnisse zu achten und zu erkennen, dass Mütter nicht immer und überall für das Wohlgefühl der ganzen Familie zuständig seien.

Der Stress als Freund?

Ein erster Schritt, um aus der Spirale herauszukommen, ist Bachor zufolge eine positive Lebenseinstellung. Das Motto sollte sein: Gebrauche den Druck, ehe er dich verbraucht. Den Stress solle man nicht als Feind, sondern als Freund begreifen. Wenn der Druck zum Krampf werde, "raste" die Seele aus. Die Referentin verglich den Prozess mit dem Überfahren eines Stopp-Schilds. "Es liegt in unserer Hand, aus der Spirale auszusteigen", erklärte sie.

Oft gewinne die Arbeit die Kontrolle über den Menschen, so dass sie ihm nicht mehr gut tue. Sie erlebe Menschen, die ihre Identität aus der Arbeit und nicht mehr aus sich selbst schöpften.

Ob jedoch das, was man tut, gelinge, liege allein in Gottes Hand: "Beginnen Sie Gott zu danken und vertrauen Sie ihm die Zukunft an." Mit einem positiven Blick sollte man den Alltag begleiten und lernen, dankbar und zufrieden zu sein.

Ein Lehrstück sei in dieser Hinsicht die Geschichte eines Bauern, der so überarbeitet und zermürbt war, dass er sich dazu entschloss, seinen Hof mitsamt den Tieren zu verkaufen. Per Inserat wollte er einen Käufer finden. Sein Makler stimmte den Text mit ihm ab, in dem die Arbeit auf dem Hof in den positivsten Farben beschrieben wurde. Als der Bauer den Text las, kam er zu dem Schluss: "Einen solchen Hof werde ich nie und nimmer verkaufen."

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