Reichenbach. Gesundheit geht vor. Das galt bei dem erstmals seit langer Zeit wieder möglichen Treffen in der Reihe „Man(n) trifft sich“ der Landeskirchlichen Gemeinschaft in Reichenbach in doppelter Hinsicht. Hermann Heppenheimer achtete genau auf die Vorlage eines Impfnachweises oder eines negativen Corona-Tests, und im Innern wurden Abstands- und Hygienemaßnahmen penibel eingehalten.
Was aber nicht zu beeinflussen war: der für das Treffen angekündigte Referent Wilhelm Buntz sagte aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig ab. Gemeinschaftspastor Manuel Schnee konnte aber auf ein Fernsehgespräch mit Buntz zurückgreifen, in dem der seine ungewöhnliche Geschichte und die drastische Änderung seines Lebens beschreibt.
Viele konnten sich an diesen ungewöhnlichen und inzwischen 67-jährigen Mann erinnern, der als „Der Bibelraucher“ bereits vor drei Jahren als Referent mit seiner „knallharten Geschichte als Ex-Knacki“ in Reichenbach zu Gast war.
Drei Menschen getötet
Wilhelm Buntz wirkt auf den ersten Blick wie eine Mischung aus Alt-Rocker, Weihnachtsmann und Apostel Petrus. Die deutlich sichtbaren Tätowierungen an seinen Armen lassen erahnen, dass sich mehr hinter dem Mann verstecken muss, als es diese Äußerlichkeiten vermuten lassen. Denn Buntz ist für den Tod dreier Menschen und viele andere Verbrechen verantwortlich. Daran lässt er keinerlei Zweifel. Und er saß dafür 14 Jahre in Gefängnis und Sicherheitsverwahrung.
Buntz war schon sehr früh in seinem Leben ein „abgeflachtes Normverhalten“ bescheinigt worden. Er war viele Jahre lang durch zahlreiche Schlägereien nur als „Blutbad-Willi“ bekannt. In seiner Arrestzelle begann er, die Seiten der Bibel als Zigarettenpapier zu nutzen. Jede Seite ergab vier Zigaretten. So las und rauchte er sich nach und nach über sechs Jahre durch das Alte Testament und weiter im Neuen Testament bis zur Bergpredigt. Matthäus, Vers 13, „Du bist das Salz der Erde“ brachte ihn zum Nachdenken über sein bisheriges Leben und in den Dialog mit Gott.
Der Anstaltsleiter traute ihm anfangs nicht, sondern sah in ihm eine Art „Ersatz-Mose“, der Interesse nur vortäuscht und versuchen wird, auszubrechen. Letztlich war aber auch er von der Wandlung Buntz’ überzeugt. Er schrieb an die Strafvollstreckungskammer, die dem Ersuchen auf Haftentlassung mit lebenslanger Bewährung stattgab.
Die Opfer besucht
Am 15. Februar 1985 sollte Buntz entlassen werden. Doch er fand keine Ruhe, weiß er doch, dass in der Bibel steht „Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht“. Das nahm er zum Schrecken des Anstaltspfarrers wörtlich und bekannte in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft alle Straftaten – auch die, die ihm nicht nachgewiesen werden konnten. Ihm drohten nun viele weitere Jahre Haft. Doch es kam anders.
Der Staatsanwalt sah die Schwere der zu erwartenden Strafe gegenüber der bereits verbüßten nicht im Verhältnis, stellt das Verfahren ein und verzichtete auf eine Verfolgung der von Buntz neu eingestandenen Straftaten.
Wilhelm Buntz war fassungslos. Er beschloss, sein Leben nun endlich in Ordnung zu bringen. Dazu gehörte für ihn auch, die Menschen und deren Angehörige aufzusuchen, die er geschädigt hatte. Auch sonst änderte sich sein Leben. Er heiratete, bekam mit seiner Frau zwei Söhne und fand eine Arbeitsstelle. Heute lebt er als ausgebildeter Bibel-Leher bei Freiburg.
Wer sich in die Geschichte des Wilhelm Buntz vertiefen möchte, findet filmische Dokumente im Internet. Zudem hat ein Buch-Verlag seine Autobiografie unter dem Titel „Der Bibelraucher“ veröffentlicht. Vielleicht ergibt sich auch noch einmal die Gelegenheit, Wilhelm Buntz in Reichenbach begrüßen zu können.
Die Veranstaltungsreihe „Man(n) trifft sich“ wird am Mittwoch, 10. November, um 19.30 Uhr, fortgesetzt. Heinrich Löwen wird mit dem Vortrag „Warum Frauen nicht einparken und Männer nicht zuhören können“ erwartet.
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