Marienberg - 20 Jahre nach dem Abzug von Ciba-Geigy gilt das Lautertaler Areal weiter als Musterbeispiel für intelligentes Flächenmanagement

Chemie-Werk wurde florierender Gewerbepark

Lesedauer: 

Der Branchenmix mit unter anderem einem Supermarkt, Handwerkern und Immobilienmaklern hat sich bewährt.

© Lotz

Lautertal. Als sich der damals expandierende Chemiekonzern Ciba-Geigy Mitte der 90er Jahre aus dem Ortsteil Lautern verabschiedete und nach Lampertheim umsiedelte, hielt ganz Lautertal die Luft an - nicht nur wegen der wegbrechenden Steuereinnahmen. Drohte dem weitläufigen Areal rechts und links der B 47 eine Zukunft als gespenstische Industriebrache?

Diesen Begriff hört Dr. Joachim Plentz höchst ungern. "Genau das sollte niemals passieren", sagt der ehemalige Werksleiter der Ciba Geigy Marienberg GmbH. Plentz hatte damals dafür gesorgt, dass der Chemie-Riese keine Ruinen zurücklässt, sondern ein wohl bestelltes Feld für Investoren, die das Potenzial des Gebiets schnell erkannt hatten. Die Vermarktung wurde zu einer in der Region beispiellosen Erfolgsgeschichte, die bis heute andauert. Innerhalb kürzester Zeit wurde im Schulterschluss mit der Gemeinde ein florierender Gewerbepark mit einem bunten Branchenmix entwickelt. Ein Musterbeispiel an intelligentem Flächenmanagement.

Als letzter Chef des Werkes hat Plentz den Standort quasi besenrein übergeben. Als gewissenhafter Nachlassverwalter hatte der promovierte Chemiker den Teppich ausgerollt für neue und ortsansässige Gewerbetreibende und weitsichtige Mittelständler, die hier ihre große Chance witterten. Die geografische Randlage mit ihren logistischen Stolpersteinen - es gibt nur eine Zufahrtsstraße - war in den Augen der umliegenden Unternehmen eine zentrale Lage mit attraktiven Rahmenbedingungen und verlockenden Wachstumsmöglichkeiten.

Dennoch: Bei 30 leerstehenden Gebäuden und rund 60 000 Quadratmetern Boden ist es auch 20 Jahre später noch eindrucksvoll, dass diese Konversion so glatt und flott über die Bühne gegangen ist. "Kein Zufall", betont Dr. Joachim Plentz. Die Zukunft des Standorts wurde minuziös geplant. Schritt eins: das aufgeräumte Zimmer. In die Beseitigung der Altlasten, die Ciba vom alten Ultramarin-Werk übernommen hatte, flossen mehrere Millionen Mark.

300 Erdbohrungen waren nötig. "Wir haben das Gelände in einen Schweizer Käse verwandelt", so Plentz, der die Maßnahme als wesentliche Voraussetzung des späteren Vermarktungserfolgs sieht. Wer lässt sich schon auf einer schmutzigen Scholle nieder? Als klar wird, dass sich das Areal nicht am Stück vermarkten lässt, zerstückeln es die Anbieter in appetitliche, mundgerechte Häppchen. Die bis dahin zentrale Energieversorgung wurde verästelt und den neuen Bedürfnissen angepasst. Einige Gebäude wurden abgerissen, andere zu homogenen Ensembles verschmolzen. Die räumlich wie funktional flexiblen Einheiten waren attraktiv - und bezahlbar. Nach nur drei Jahren hatten sich 21 Betriebe angesiedelt. Heute sind es 35. Bauunternehmer und Immobilienmakler, High-Tech-Start-ups und Autohändler, Dienstleister und Handwerker. Sie alle profitieren von rund 8000 Fahrzeugen, die täglich auf der Nibelungenstraße am Marienberg vorbeifahren. Bis heute gibt es nur einen Abzug. Eine geschäftliche Pleite ist nicht bekannt.

Das Gewerbegebiet ist längst etabliert. 1993 waren bei Ciba Marienberg noch etwa 350 Mitarbeiter beschäftigt. Über 200 Arbeitsplätze wurden im Zuge der Umnutzung bislang neu geschaffen. Dickster Fisch im Teich ist ein Supermarkt, der sich später noch um einen Getränkefachhandel erweiterte und über ein großes Einzugsgebiet verfügt. Etwas unterhalb hatte sich ein Discounter angesiedelt. Auch junge und innovative Unternehmen haben den Standort für sich entdeckt. Darunter auch ein ehemaliger Ciba-Schlosser, der sich am früheren Arbeitsplatz selbstständig gemacht hat. "Immer noch sehr erfolgreich", wie der ehemalige Projektleiter hinzufügt. Der Marienberg gilt als Modell für gelungenes Flächenmanagement nach einer Neuordnung. Und die Gewerbesteuer sprudelt wieder.

Ein Denkmal ist geblieben

Einziges Denkmal aus früheren Zeiten, das sein Gesicht nicht verändert hat, ist der ehemalige Laborkomplex. Das vierstöckige Gebäude steht direkt an der Bundesstraße und war für die Vermarkter von Beginn an ein schwer vermittelbarer Kandidat. Es ist nach wie vor ungenutzt. Nicht zuletzt aufgrund des hohen Investitionsbedarfs für die Sanierung des Baus. Haustechnik, Fenster und Energieversorgung sind veraltet. Auch die innere Aufteilung erfordert ein kreatives Händchen. Eine Loft-Nutzung auf mehreren Etagen bietet sich an. Bleibt abzuwarten, wie dieses noch offene Kapitel in der Biografie des Marienbergs ins Finale gehen wird. tr

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger