Bürstadt. Von seinem Wohnzimmer aus kann Hans-Peter Stumpf so weit schauen wie nie: Der Bürstädter wohnt in der Industriestraße und hat seit dem Abriss der Raiffeisenhallen samt Turm freie Aussicht über Bürstadt. Er vermisst nichts, schon gar keine neue Bebauung an der Stelle. Wie aber geht’s dort nun weiter?
Der Investor, der auf dem schmalen Areal zwischen Bahngleisen und viel befahrener Industriestraße einen großen Komplex mit Wohnungen errichten wollte, ist abgesprungen. Auf Anfrage der Redaktion möchte bei dem international tätigen Konzern niemand etwas zu den Gründen sagen. Der Bauleiter gibt lediglich zu, dass man „viel Leidenschaft und Arbeit in das Projekt“ gesteckt habe. Aus dem Rathaus heißt es, „der favorisierte Investor hat der Stadt aufgrund wirtschaftlicher Bedenken eine Absage erteilt“. Insider erzählen, dass die Abstimmung mit der Bahn hochproblematisch war. Bürgermeisterin Bärbel Schader bedauert den Rückzug, auch „weil der Abstimmungsprozess zum Konzept schon weit fortgeschritten“ gewesen sei.
Abriss der Hallen und des Siloturms
Von Ende Mai bis Mitte Oktober sind die alten Raiffeisenhallen samt Turm in der Industriestraße von Bürstadt abgerissen worden. Dafür hat die Stadt Zuschüsse aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) erhalten.
Für eine Neubebauung hatten zunächst sechs Bauherren ihr Interesse bekundet. Am Ende blieben zwei übrig, und die Stadtverordnetenversammlung entschied sich – nach einem aufwendigen Vergabeverfahren – im September 2021 für einen international tätigen Investor. Allerdings hat sich der vor einigen Wochen von dem Projekt zurückgezogen. Nun verhandelt die Stadt mit dem zweiten, übrig gebliebenen Bauherrn. cos
Die Bürstädter Verwaltung hat nun Kontakt zum Zweitplatzierten im Auswahlverfahren aufgenommen und lotet aus, ob dieser Investor noch Interesse an einer Bebauung hat. Nach Zustimmung durch die Fraktionsvorsitzenden würden nun Gespräche aufgenommen. Sollte das Areal frei bleiben, muss die Stadt laut Schader „die für den Abriss erhaltenen Fördergelder zurückzahlen“. Denn den Zuschuss gebe es nur, weil „eine brachliegende Fläche nun revitalisiert“ werde. Das Areal soll also eine neue Nutzung erfahren, und dabei werde weiterhin der Bau von Wohnungen bevorzugt – wegen der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt.
Sofern die Stadt dort aber doch eine neue Strategie verfolgt, werde dies zunächst mit dem Bauausschuss besprochen, so Schader. Dieser werde – wie sonst auch – eine Empfehlung für die Stadtverordnetenversammlung erarbeiten. „Wenn ein tragbares und diskutierbares Konzept des Nachrückers vorliegt“, werde dieses Gremium auch zuerst darüber beraten.
Die Bürgermeisterin jedenfalls betont, froh zu sein, „dass der Abbruch des Geländes so reibungslos geklappt hat. Dies war der erste Schritt für die Neuentwicklung des Raiffeisengeländes.“ Nebenan werde Rüdiger Engert mit seinem Kultur am Übergang (KamÜ) bald etwas Neues schaffen. „Ich bin zuversichtlich, dass auch die Entwicklung des weiteren Areals mit einem kompetenten Partner gelingen wird.“
Dabei würden die Anwohner allerdings gerne ein Wörtchen mitreden. Sie haben sich schon mehrfach kritisch zu den Plänen geäußert und sogar die „Bürgerinitiative Raiffeisengelände“ gegründet, um sich mehr Gehör zu verschaffen. Auf ihr ausführliches Schreiben, das an sämtliche Gremien in der Stadt und dem Kreis ging, habe sie allerdings kaum Antworten erhalten. „Sehr enttäuschend ist das“, heißt es von Seiten der BI. Lediglich die Freien Wähler sowie Bundestagsabgeordneter Michael Meister (CDU) hätten sich die schwierige Situation in der Industriestraße angesehen.
Vor allem für Radfahrer sei der Verkehr dort lebensgefährlich, betont die BI. Aus Furcht vor den Autos und Lastern wichen viele mit Zweirad – sogar Elektroroller oder Mofas – auf den Gehweg aus, was wiederum Fußgänger in Gefahr bringe. Eine Wohnbebauung, die für noch mehr Verkehrsteilnehmer sorge, halten die Anwohner für „unzumutbar – vor allem einen riesigen Wohnblock mit fünf bis sechs Stockwerken“. Solche Pläne seien ihnen bei einer Anwohnerversammlung vorgestellt worden. Gegen kleine, schmucke Häuschen habe keiner etwas. Wobei in Zeiten des Klimawandels eher an eine Grünanlage gedacht werden sollte, findet die BI. „Das Bahnhofsumfeld soll doch für die Ankommenden einen guten Eindruck machen, das hieß es von der Bürgermeisterin immer“, so die BI.
„Eine Einbahnstraße wäre optimal“, findet Anwohner Hans-Peter Stumpf. Denn seit die Sperrung im Oktober – nach dem Abriss – beendet wurde, rauscht der Verkehr wie zuvor an seiner Haustür vorbei. Der Lärm der Straße hallt zwar nicht mehr so stark wie zuvor herüber, dafür ist das Brummen der Diesellok an der Nibelungenbahn auf den Gleisen nun viel lauter zu hören. Anstelle der Hallen wünscht sich Stumpf nicht viel – jedenfalls keine Bebauung.
„Rasen und Bänke wären gut, vor allem für die Leute, die auf dem Weg zum Friedhof sind.“ Und einige Parkplätze seien dringend nötig in diesem Areal, da die Nutzer der Bahn die vorhandenen belegen. Davon zeugen auswärtige Kennzeichen, vor allem aus Worms und Alzey. „Wenn wir Besuch bekommen, wissen die immer nicht wohin mit ihrem Auto“, sagt Hans-Peter Stumpf.
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