Reichspogromnacht

Wichtiges Gedenken in Zeiten des Krieges

Junge Gemeindevertreter erinnerten an die Verbrechen der Nationalsozialisten, spannten aber auch einen thematischen Bogen zum Krieg in der Ukraine

Von 
Jörg Keller
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Junge Gemeindevertreter gestalteten erneut die Gedenkveranstaltung am Jahrestag der Reichspogromnacht: (v.r.) Michelle Glanzner, Lea May und Mika Hoffmann erinnerten an die Verbrechen der Nationalsozialisten vor acht Jahrzehnten und thematisierten die aktuellen Gräueltaten im Krieg in der Ukraine. © Ernst Lotz

Einhausen. Am 9. November wird auch in Einhausen alljährlich an die Reichspogromnacht 1938, die Verbrechen des Nationalsozialismus und insbesondere an das Schicksal der jüdischen Familie Lösermann erinnert, die seinerzeit aus ihrem Heimatort vertrieben wurde. Gleichzeitig wird auch ausdrücklich der Opfer von Fremdenfeindlichkeit und Gewalt gedacht. Und gerade in diesem Jahr hat das Thema angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine erschreckende Aktualität gewonnen. Und so spannten die Redner bei der in der Kirche begonnenen und vor der Gedenktafel neben dem Rathaus fortgesetzten Veranstaltung einen Bogen von den Gräueltaten vor acht Jahrzehnten in die heutige Zeit.

„Quasi um die Ecke findet aktuell der Krieg in der Ukraine statt. Dieser sollte uns Angst machen und dazu alarmieren, noch mehr als zuvor auf die Vergangenheit hinzuweisen und sich dafür stark zumachen, diese Ungerechtigkeiten gegen die Bevölkerungen beider Nationen schnellstmöglich zu beenden“, sagte Michelle Glanzner (CDU).

Wie erstmals im vergangenen Jahr gestalteten die jüngsten Gemeindevertreter aus allen drei Fraktionen das Gedenken neben dem Rathaus. Dazu gehörten auch Lea May (Grüne) und Mika Hoffmann (SPD). Über 30 Einhäuser waren erschienen.

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red
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„Wenn wir in Richtung Iran, Katar, Russland und China blicken, läuft uns ein Schauer über den Rücken. Und diese vier Länder sind nur vier Beispiele in der Welt, die Menschenrechte verachten und sich durch harte Diktatur, Bestrafungen, Folter und undemokratische, militärisch durchgesetzte Gewalt an der Macht halten“, sagte Michelle Glanzner. Lea May sieht auch Deutschland in der Verantwortung: „Und während wir den Ukrainerinnen und Ukrainern Unterstützung zusagen, führen deutsche Unternehmen weiter Handelsbeziehungen mit russischen Unternehmen.“ Es stelle sich die Frage, „in welcher Form Solidarität umgesetzt wird und wir aktiv verhindern, dass noch mehr Menschen Putins imperialistischen Angriffskrieg zu Opfer fallen“.

Und dabei seien „nicht nur die Regierungen oder einzelne Regime für unfassbares Leid verantwortlich“, sagte Mika Hoffmann: „Die Kriegsverbrechen in Butscha begehen letzten Endes Soldatinnen und Soldaten.“ Ohne Wegschauen und aktives Mitwirken auch der deutschen Zivilbevölkerung seien auch die Ereignisse in der Reichspogromnacht vor 84 Jahren nicht möglich gewesen. „Nicht nur das Schicksal der Familie Lösermann wäre womöglich ein anderes gewesen, hätten Nachbarn und Bekannte etwas zu ihrem Schutz getan“, so Mika Hoffmann.

Die Anwesenden würdigten die Ausführungen der drei Jungpolitiker mit unterstützendem Applaus.

Beim ökumenischen Gottesdienst in der katholischen Kirche St. Michael im Vorfeld hatte Reimund Strauch (SPD) auch die Religion nicht aus der Verantwortung genommen. „Ich erinnere an den unter Christen über Jahrhunderte angestifteten mörderischen Judenhass.“ Man dürfe es nicht zulassen, dass die Religion „zu einem Instrument der Erniedrigung anderer, des Hasses und der Gewalt wird“. Auf einem „schlimmen, ja geradezu glaubensfeindlichen, blasphemischen Irrweg“ sieht Strauch die Führung der russisch-orthodoxen Kirche: Sie rechtfertige „einen Angriffskrieg gegen die Ukraine – gegen ihre und unsere Brüder und Schwestern im Glauben“.

Redaktion Redakteur, Ressorts Lorsch, Einhausen und Region

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