Einhausen. Das Frauenfrühstück im Juni war das letzte vor den Sommerferien, und wie immer war das Evangelische Gemeindehaus bis auf den letzten Platz belegt. Darüber hinaus gab es eine Warteliste für knapp 20 Anmeldungen. Ulrike Peter bedauerte bei ihrer Begrüßung, dass nicht mehr Platz zur Verfügung steht, um weiteren interessierten Frauen den Besuch zu ermöglichen. Als Referentin hatte sie – und das nicht zum ersten Mal – die Bildungsreferentin des Dekanats Bergstraße Birgit Geimer eingeladen. Diese hatte sich im Vorfeld mit dem Thema „Starke Frauen in der Reformation“ befasst und berichtete darüber.
Nach dem ausgiebigen Frühstück mit vielen schmackhaften Leckereien begann Birgit Geimer mit der Feststellung, dass sich die Frauen im 16. Jahrhundert in ihre Rolle gefügt hätten, was bedeutete, dass sie ihrem Ehemann viele Kinder gebaren und den Haushalt führten. Die Liebe, so Geimer, habe in dieser Zeit eine untergeordnete Rolle gespielt, denn im Mittelalter seien die meisten Ehen, zumindest die der besseren und gehobenen Bevölkerungsschicht, arrangiert worden – allein um eine möglichst gute Versorgung der zu verheiratenden Töchter sicherzustellen. Bildung für Mädchen der Mittelschicht gab es nur im Kloster oder bei den Adligen durch Hauslehrer.
Birgit Geimer berichtete, dass solch gut ausgebildete Mädchen lesen und schreiben konnten, Latein und auch andere relevante Dinge für einen großen Haushalt beherrschten, der oftmals ein Wirtschaftsbetrieb war. Mit Katharina von Bora, Gräfin Barbara von Wertheim und Walburga Bubenhagen hatte die Referentin drei Frauen ausgesucht, die sich in der Reformationszeit nicht nur eingemischt haben. Sie wurden von den die Gesellschaft und Religion bestimmenden Männern nicht nur anerkannt, sondern auch um ihre Meinung gebeten.
Katharina von Bora floh mit Luthers Hilfe aus dem Kloster
Als erstes Beispiel nannte Geimer Katharina von Bora, Ehefrau Martin Luthers. Sie wurde 1499 in einer Familie des Landadels geboren und kam nach dem frühen Tod der Mutter schon mit sechs Jahren in ein Kloster, in dem ihre Tante die Äbtissin war. Mit zehn Jahren sollte sie Nonne werden. Sie lernte alle Abläufe einer Haushaltsführung, aber auch nähen und sticken und vor allen Dingen die betrieblichen Abläufe eines großen Haushalts, der schon fast einem Management ähnelte. Dann legte sie das Gelübde ab. Mit 16 Jahren las sie Schriften des Mönches und Religionsprofessors Martin Luther. Auch durch das Lesen der Bibel hatte sie ein anderes Gottesbild bekommen, nach dem Gott die Menschen liebe und sie zu sich emporhebe und der Mensch dazu gar nichts tun könne. So beschloss sie, nicht als Nonne, sondern als Ehefrau zu leben, und mit einigen gleichgesinnten Nonnen und mit Luthers Hilfe bei Nacht und Nebel aus dem Kloster zu fliehen. Martin Luther konnte alle Nonnen an interessierte Ehemänner vermitteln – bis auf Katharina von Bora. Ihr gefiel der Auserwählte nicht.
Und so entschied sie sich, dann doch lieber Martin Luther zu heiraten. Sie bekam sechs Kinder und eine Fülle von Aufgaben in ihrem Haushalt. Der glich schon bald einem Wirtschaftsunternehmen, in dem sie die Managerin war. Sie führte ein Studentenheim, beaufsichtigte die Dienstboten und Mägde, überwachte die Fischteiche und die Viehzucht, betrieb ein Wasch- und ein Brauhaus und pflegte Kranke. Täglich mussten 40 Personen des Haushalts verköstigt werden – und dabei habe es in der Ehe immer ein liebevolles Miteinander gegeben. So nannte Luther seine Frau auch in der Öffentlichkeit anerkennend „Herr Käthe“, mit der er auch theologische Gedanken erörterte.
Barbara Gräfin von Wertheim war eine hochgebildete Frau, die sich aktiv für die Reformation einsetzte. Nach dem frühen Tod ihres Ehemannes Graf Georg von Wertheim übernahm sie die Vormundschaft für ihren Sohn und regierte mehr als 20 Jahre die Grafschaft. Dazu bekam sie vom Kaiser zwei Männer an die Seite gestellt, was sie sehr verärgerte. Sie löste das Problem, indem sie ihre Entscheidungen traf, die sie danach ihren Begleitern mitteilte. Die gebildete Gräfin kannte Luthers Schriften und unterstützte den Reformgedanken, indem sie nach und nach die katholischen Pfarrstellen mit protestantischen Pfarrern besetzte. Sie verstarb im Jahr 1349.
Walburga Bugenhagen lebte von 1500 bis 1569, in einer Zeit, als die Pfarrer auch schon nicht heiraten durften. Sie lebten oftmals mit „Pfarrweibern“ zusammen, die in der Gesellschaft verachtet wurden.
Reisen stellten eine logistische Meisterleistung dar
Johannes Bugenhagen heiratete Walburga, die sich ganz in die Frauenrolle der Reformationszeit einfügte. Sie hatte die häusliche Schlüsselgewalt, führte den Haushalt, zog die Kinder auf und lehrte sie beten. Sie bekam sechs Kinder, von denen nur zwei das Erwachsenenalter erreichten. Sie war ebenfalls eine sehr gebildete Frau und hat ihrem Mann maßgeblich bei der Ausarbeitung der Kirchenordnung geholfen. Sie begleitete ihn auf mehreren Reisen, was bedeutete, dass der ganze Hausstand und das Personal mitreisten, also eine logistische Meisterleistung.
Birgit Geimer hat es einmal mehr verstanden, die Zuhörerinnen mit ihren Ausführungen zu fesseln, und eine Stunde ging viel zu schnell vorbei. Das nächste Frauenfrühstück ist nach der Sommerpause am Mittwoch, 17. September
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