Einhausen. Wenn Matthias Würsching im Sommer Urlaub machen würde, hätte das gravierende Auswirkungen aufs Gewicht. Und zwar auf das seiner Riesenkürbisse, mit denen er seit Jahren bei Meisterschaften Erfolge erzielt. An die 200 Kilo weniger würden die Gewächse der Sorte Atlantic Giant sicherlich auf die Waage bringen, würde er zwei Wochen lang am Strand liegen und die gewaltigen Bollermänner auf dem Gartengelände in der Mathildenstraße sich selbst überlassen, schätzt der Einhäuser.
Und da er in diesem Jahr eigentlich erstmals seit langer Zeit mal wieder richtig Ferien machen wollte, hatte er die Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft in Ludwigsburg am 1. Oktoberwochenende eigentlich schon abgeschrieben. Das Gewächshaus, in dem das jeweilige Prachtexemplar normalerweise zu seiner enormen Größe heranreift, ließ er daher diesmal bei der Auspflanzung seiner Riesenkürbisse leer. „Dort kann sich jetzt ein Jahr lang die Erde regenerieren“, sagt er. Ganz verzichten wollte er auf sein Hobby aber dennoch nicht. „Nur zum Spaß“ zog er im Frühjahr auf einer Freifläche im Garten doch noch ein paar Atlantic Giants heran.
Doch dann kam der Corona-Lockdown. Und damit fiel im Sommer auch die geplante Ferienreise von Matthias Würsching aus. Und da sich die Riesenkürbisse im Freiland unter seiner Pflege erstaunlich gut entwickelt hatten, packte den Einhäuser wieder der Ehrgeiz. Vielleicht könnte es ja doch noch etwas werden mit der Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft am 4. Oktober. Und tatsächlich: Mittlerweile hat eines der gewaltigen Gewächse schon wieder Kampfgewicht. 680 Kilo dürfte das Prachtexemplar mit einem Umfang von viereinhalb Metern aktuell wiegen, schätzt Matthias Würsching. Mit einem Alter von rund 90 Tagen wachse die Frucht jetzt zwar nur noch wenig.
Doch die 700er Marke könnte durchaus geknackt werden, wenn der Einhäuser Riese Anfang Oktober in Ludwigsburg auf die Waage gelegt wird. Das sind zwar noch immer 200 Kilogramm weniger als bei seiner Deutschen Meisterschaft im Jahr 2016, für eine gute Platzierung könnte es dennoch reichen, hofft Würsching. Das kommt auch darauf an, wie gut die Konkurrenz ist. Einen ersten Eindruck davon kann er sich an diesem Sonntag bei der Gartenschau in Kaiserslautern verschaffen. Dort tritt er mit einem kleineren Exemplar – 550 Kilo schwer – bei der offenen Rheinland-Pfalz-Meisterschaft an.
Der Einhäuser vermutet, dass viele Riesenkürbis-Fans in diesem Jahr durchaus große Früchte an den Start bringen werden. „Die meisten hatten wegen Corona sicherlich viel Zeit, um sich zu kümmern“, sagt er.
Intensive Pflege ist wichtig
Und die intensive Pflege ist das A und O, will man wahrlich gigantische Atlantic Giants produzieren. Eineinhalb Stunden pro Tag sei er damit beschäftigt, die Kürbisse zu umsorgen. Hilfe bekommt er dabei auch schon mal von seinem zwölfjährigen Neffen Mika Vinson.
Zu einem einzigen Riesen, der pro Pflanze wachsen darf, gehören Triebe und Blätter auf einer Fläche von 60 bis 80 Quadratmetern. Sie sorgen dafür, dass die im Juni noch tennisballgroße Frucht innerhalb von drei Monaten auf einen Umfang von über vier Metern anwächst. In der Hauptwachstumsphase kann der Kürbis über einen längeren Zeitraum 17 bis 20 Kilogramm pro Tag zulegen. An heißen Tagen braucht die Pflanze dazu 400 bis 500 Liter Wasser täglich. Ein Großteil davon kommt aus einer zu einer Zisterne umgebauten Güllegrube auf dem Grundstück der Familie Würsching an der Mathildenstraße. Befüllt wird das Behältnis durch Niederschlagswasser von den Dachflächen von Wohnhaus und Scheune.
Doch das alles reicht nicht, um am Ende einen Sieger an den Start zu bringen. Notwendig ist jede Menge Know-how. Das notwendige Wissen kann man sich in der umfangreich vorhandenen Fachliteratur anlesen. Hinzu kommt dann noch ein hohes Maß an eigener Erfahrung.
Seine ersten Versuche mit den Atlantic Giants startete Matthias Würsching vor etwa 15 Jahren – in erstem Jahr mit einem noch mäßigen Ergebnis. Im zweiten Jahr konnte er mit einem 385 Kilogramm schweren Exemplar allerdings bereits die Vizemeisterschaft in Ludwigsburg erringen.
Das Gewicht würde heute kaum mehr ausreichen, um einen der vorderen Plätze zu belegen. Denn die zunächst von den Nordamerikanern dominierte Riesenkürbiszucht gewinnt auch in Deutschland immer mehr Anhänger, die ihr Hobby von Jahr zu Jahr professioneller Betreiben. Mittlerweile hätten die Europäer den USA-Züchtern den Rang abgelaufen, berichtet Würsching.
In diesem Jahr brachte Ruben Mendi aus Spanien den zweitschwersten jemals gezüchteten Kürbis mit 1157 Kilogramm auf die Waage.
Da kommt Würsching in diesem Jahr mit seinem eher aus der Not geborenen Einhäuser Exemplar nicht ganz heran. Dafür ist sein Kürbis besonders schön – gleichmäßig gewachsen und rosa- und orangefarben. Und so wird er sicherlich ein Hingucker werden, wenn er nach dem Wiegen im „Blühenden Barock Ludwigsburg“ ausgestellt werden wird. Aufgrund der Corona-Pandemie wird es nämlich in diesem Jahr kein öffentliches Wiegen geben. Die Sieger der Deutschen Meisterschaft werden nur unter Beisein der teilnehmenden Züchter ermittelt. Besucher können sich die Giganten dann später bei einem Besuch der Parkanlage an verschiedenen Stellen ansehen. Da die publikumswirksame Veranstaltung mit üblicherweise mehreren hundert Zuschauern entfällt, wurde in diesem Jahr auch das Preisgeld gekürzt. Statt 1000 Euro warten nach Angaben von Matthias Würsching diesmal nur 500 Euro auf den Besitzer des größten Kürbisses. Hochgerechnet auf den Zeitaufwand im Vorfeld ergibt sich jedoch so oder so kein sonderlich guter Stundenlohn.
In Ludwigsburg werden die Atlantic Giants dann noch bis Anfang November zu sehen sein. Dann werden sie „geschlachtet“. Üblicherweise reißen sich die Fans um die Kerne und nehmen das Fruchtfleisch in zwei Kilo schweren Würfeln mit nach Hause.
„Besonders lecker ist das aber nicht“, sagt Matthias Würsching. Da schmecken die Hokkaidos und Butternuts weitaus besser, die auf dem Hof der Familie Würsching im Nebenerwerb verkauft werden. Insgesamt rund 180 Sorten baut der Betrieb an – auf einem Hektar Fläche in der Einhäuser Feldgemarkung, erläutert Matthias Wüschings Vater Josef Würsching. Neben den Speisefrüchten befinden sich darunter auch klassische Halloween-Köpfe zum Schnitzen und jede Menge Zierkürbisse in den unterschiedlichsten Formen und Farben. Dabei ist auch die kleinste Sorte der Welt: der gerade mal fünf bis sechs Gramm schwere „Spinning“.
Wie man einen Riesenkürbis züchtet
Im Frühjahr werden als Dünger auf einer 80 Quadratmeter großen Fläche zehn Kubikmeter Kompost eingearbeitet.
Ein sortenreiner Atlantic Giant-Kern wird ab Anfang April in einem Blumentopf vorgezogen.
Ende April wird die Pflanze in ein kleines Frühbeet für drei Wochen im Garten ausgepflanzt.
An ihrem endgültigen Platz dürfen nur die Haupt- und Seitentriebe wachsen. Alle anderen Triebe werden abgeschnitten.
Mitte Juni wird die weibliche Frucht etwa vier Meter von der Hauptwurzel entfernt per Hand bestäubt. Es darf nur ein Kürbis pro Pflanze wachsen.
Die Pflanze braucht insgesamt 80 Quadratmeter Platz und täglich bis zu 500 Liter Wasser.
Vor zuviel Wasser – etwa bei einem Starkregen – muss der Kürbis jedoch auch geschützt werden. Ansonsten kann er aufplatzen.
Regelmäßig muss Unkraut entfernt werden. Auch auf Krankheiten oder Schädlinge muss der Züchter achten.
Im Freiland schützt Matthias Würsching seine Riesenkürbisse mit großen Schirmen und Decken vor zu viel Hitze und Sonneneinstrahlung. Sonst kann die Schale des Kürbisses zu hart werden. red/kel
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