Großprojekt

Für die Deichsanierung bei Einhausen ist eine Bauphase von mindestens vier Jahren geplant

Das Planfeststellungsverfahren für die 30 Millionen Euro teure Erneuerung der Weschnitzdeiche zwischen Einhausen und Biblis hat begonnen. Am heutigen Mittwoch reichte der Gewässerverband Bergstraße die Antragsunterlagen ein.

Von 
Thomas Tritsch
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Bergstraße. Die Deiche der Weschnitz werden in den kommenden Jahren auf einem rund 6,5 Kilometer langen Abschnitt zwischen Biblis und Einhausen beidseitig saniert. Damit wird der Flusslauf sein Aussehen nachhaltig verändern und wieder ein Stück naturnaher durch die offene Landschaft plätschern. Im Moment gleicht der Fluss auf weiten Strecken einem Kanal. Nach dem Umbau wird sich das Gewässer an einigen Stellen weiter in die Landschaft ausbreiten. Die Kosten für die Maßnahme belaufen sich auf mindestens 30 Millionen Euro.

Rund 75 Prozent des Aufwands werden über Landesfördermittel geschultert, da die Maßnahme sowohl dem Hochwasser- als auch dem Umweltschutz dient. Den Rest muss der Gewässerverband Bergstraße bezahlen. Das Geld kommt von den Kommunen, die dem Verband angehören. Am Mittwoch hat der Verband die Unterlagen zum Start des Planfeststellungsverfahrens beim Regierungspräsidium Darmstadt eingereicht.

Regierungspräsidentin Brigitte Lindscheid nahm die Unterlagen – gemäß der finanziellen und landschaftlichen Prominenz des Projekts – persönlich in Empfang. Es handelt sich dabei um das bislang größte Bauvorhaben des Verbands, wie Landrat Christian Engelhardt in Darmstadt mitteilte. Engelhardt ist Verbandsvorsteher. Nach der Renaturierung der Weschnitz bei Einhausen, die 2015 begonnen hatte, wird das Gewässer durch die Maßnahme noch naturnaher werden, heißt es. Die Deiche werden teilweise versetzt, um mehr Platz für den Wasserlauf zu bieten. Dies dient dem Hochwasserschutz und ermöglicht gleichzeitig die Rückkehr zu einem naturnahen Gebiet. Die Planungen wurden seit 2019 wiederholt in den beiden Kommunen vorgestellt und diskutiert.

„Nicht mehr Stand der Technik“

Die technische Aufrüstung der Weschnitzdeiche ist sowohl dem Bauwerksalter als auch den stetig steigenden Sicherheitsanforderungen im Hochwasserschutz geschuldet, so der Wasserbauexperte und Projektleiter Holger Densky aus der Abteilung Umwelt im RP: „Die Deiche entsprechen nicht mehr dem Stand der Technik.“ Das Vorhaben sei aufgrund von Mängeln am vorhandenen System unbedingt erforderlich. Ohne eine Sanierung wäre der Hochwasserschutz langfristig nicht mehr sichergestellt. Der Gewässerverband Bergstraße hatte das RP daher bereits 2014 mit dem Projektmanagement beauftragt. Die Sektion Staatlicher Wasserbau verfüge aufgrund seiner Zuständigkeit für die landeseigenen Deiche an Rhein und Main, die bereits saniert wurden, über reichlich Expertise, so Brigitte Lindscheid.

Im Vorfeld der Sanierung wurden sechs Varianten untersucht und im Dialog mit allen relevanten Akteuren diskutiert, berichtet Densky. Die Lösung, die jetzt beim RP eingereicht wurde, sei es sehr gutes Konzept, das sowohl die Sicherheit der Menschen wie auch die Qualität der Natur berücksichtige. Sowohl für Fische wie auch für Vögel und Insekten biete ein sanierter und dynamisch angelegter Gewässerverlauf einen artenreichen Lebensraum.

Der Diplom-Ingenieur geht davon aus, dass im Falle eines zügigen Genehmigungsverfahrens und einer Offenlegung der Pläne im Herbst voraussichtlich in einem Jahr ein Planfeststellungsbeschluss zu erwarten sei. Beim nun startenden Prozess werden unter anderen die Planungsunterlagen veröffentlicht und alle Betroffenen sowie die Öffentlichkeit noch einmal beteiligt. Letztere wurde bereits im Vorfeld informiert, um eine größtmögliche Akzeptanz für das Vorhaben zu erreichen, heißt es aus Darmstadt.

Für die anschließende Bauphase, die – Stand heute – in vier bis sechs Abschnitten erfolgen soll, kalkuliert der Experte mit gut vier Jahren. Durch einen etappenweisen Sanierungsprozess will man die Funktion des Deichsystems weitestgehend erhalten. Zudem werde der Umbau auch von der dort beheimateten Tierwelt beeinflusst. Mit der abschnittsweisen Rückverlegung von Deichen werden Teilstrecken der seit über 60 Jahren vollständig begradigten Weschnitz wieder natürlicher gestaltet und zudem mehr Volumen für ein potenzielles Hochwasser-Szenario geschaffen. Da die Weschnitz oberhalb von Einhausen nicht mehr im direkten Einflussbereich des Rheins liege, müssten die Deiche dort statisch anders bemessen werden, so der Fachmann. Man habe jetzt die einmalige Chance, die gesamte Situation entlang dieses Abschnitts dauerhaft zu verbessern. Dazu gehören auch die Tier- und Pflanzenwelt sowie die Qualität des Grundwassers.

Gebiet soll auch schöner werden

„Es wird hinterher schöner aussehen“, betont auch Svenja Vollmer vom Gewässerverband, der für die Sanierung zuständig ist. Sie war gestern anstelle des Geschäftsführers Ulrich Androsch in Darmstadt dabei und bezeichnete die Maßnahme als einen weiteren Trittstein für einen besseren Hochwasserschutz und als wichtigen Schritt für die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Das rund 130 Hektar große Überplanungsgebiet werde nach dem Eingriff für Menschen und Tiere attraktiver sein, sagte sie. Unter anderem sollen Zugänge zum Gewässer und ein Informationspfad angelegt werden. Die Weschnitzauen im betreffenden Bereich würden insgesamt grüner, die Verluste an landschaftlich bewirtschafteten Flächen hielten sich in Grenzen. Auf dem Areal sollen künftig Auen, Wälder und Stillgewässer sowie Flächen für die Landwirtschaft entstehen. Zur Gestaltung als Naherholungsgebiet sind zudem Wasserspielplätze und Aufenthaltsflächen geplant. Innerhalb der Deichflächen werde es künftig keine Sonderkulturen mehr geben.

Westlich von Einhausen ist eine neue Querung für Fußgänger und Radfahrer vorgesehen, die von der Gemeinde finanziert wird. Sie soll die baufällige und nicht mehr nutzbare Heldenbrücke ersetzen, die derzeit kurz hinter der Gemarkungsgrenze auf Bibliser Gebiet steht. Biblis will sich an dem Neubau finanziell nicht beteiligen. In Einhausen hofft man auf Zuschüsse für das Projekt.

Das Land Hessen hat seine Deiche an Rhein und Main in den vergangenen Jahrzehnten bereits mit einer dreistelligen Millionen-Summe für ein Hochwasser ertüchtigt, das statistisch gesehen alle 200 Jahre vorkommt. Die kommunalen Rückstau-Deiche zwischen Biblis und Einhausen sollen ebenfalls für ein 200-jährliches Hochwasser ertüchtigt und über weite Strecken zurückverlegt werden.

„Wir müssen auf künftige Hochwasser-Ereignisse gut vorbereitet sein“, so Brigitte Lindscheid. Nicht nur an Main, am Rhein, sondern auch an den zahlreichen kommunalen Gewässern mit ihren jeweiligen Deichsystemen habe der Schutz der Bevölkerung oberste Priorität. Gleichzeitig soll der ökologische Zustand von Gewässern wie der Weschnitz weiter verbessert werden. Die Kooperation mit dem Gewässerverband habe sich bereits beim Projekt Weschnitzinsel bewährt, so die Regierungspräsidentin. Der größte Teil des Flüsschens verläuft durch den Kreis Bergstraße.

Landrat Engelhardt begrüßte den Fortgang des Projekts, das nun in seine nächste Phase gehe. Die Maßnahme sei ein Gewinn für Mensch und Natur. Die hohen Kosten entsprechen der Dimension des Vorhabens, betonten Lindscheid und Engelhardt.

Sanierungsprogramm in Hessen kostet jährlich zehn Millionen Euro

In den Einflussbereichen des hessischen Oberrheins (Hessisches Ried) und des hessischen Untermains, die eine Fläche von circa 400 Quadratkilometer umfassen, leben rund 600 000 Menschen. Dies entspricht einem Bevölkerungsanteil von etwa zehn Prozent des Landes Hessen.

Das Gebiet ist durch extreme Hochwasserabflüsse des Rheins und des Mains infolge starker Regenfälle betroffen.

Die ufernahen und meist baulich genutzten Flächen im Hessischen Ried sind überwiegend durch landeseigene Deiche geschützt. Die Unterhaltungsmaßnahmen werden durch das Dezernat „Staatlicher Wasserbau“ mit der zugehörigen Deichmeisterei Biebesheim geplant und durchgeführt.

Gemäß einer Vereinbarung mit den benachbarten Bundesländern wurde als Schutzziel ein Hochwasserereignis definiert, das statistisch gesehen einmal in 200 Jahren vorkommt.

Da dies heute noch nicht an allen Strecken gewährleistet ist, hat das Land Hessen ein umfangreiches Sanierungsprogramm aufgelegt, von dem bereits ein großer Teil abgearbeitet wurde. Das Bauprogramm, das eine generelle Deichsanierung entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Ziel hat, kostet den hessischen Steuerzahler jährlich rund zehn Millionen Euro.

Wenn die Weschnitz bei einem Rheinhochwasser nicht mehr abfließen kann, staut sie sich auf einer Strecke von bis zu 15 Kilometern auf – es kommt zu Überschwemmungen.

Von Biblis bis zum Rhein sind die Weschnitzdeiche bereits ausgebaut worden. Jetzt steht bei Einhausen das nächste Teilstück an. tr

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