Einhausen. Zum bereits dritten Ortsflohmarkt hatte die Gemeinde Einhausen für den gestrigen Sonntag geladen. Gut 100 Menschen aus dem Ort nutzten die Gelegenheit, lang verborgene Schätze aus ihren Kellern zu heben und zum Verkauf oder als Geschenk anzubieten – oft gemeinsam mit Nachbarn und Verwandten. Schnäppchenjäger aus Einhausen und der Region konnten neben Kleidung, Schmuck, Büchern und Spielzeug auch Raritäten aus vergangenen Zeiten entdecken.
Bei angenehm warmen Temperaturen ließ es sich entspannt durch die sonntäglich ruhigen Straßen bummeln. Durch die über den ganzen Ort verteilten Stände waren die Besucher keinem Stress durch Menschenansammlungen ausgesetzt. So blieb genug Zeit, um miteinander ins Gespräch zu kommen.
Am ersten Stand nach dem Ortseingang in der Waldstraße geht es schon um kurz vor 11 Uhr feucht-fröhlich zu. Mit Sekt stößt eine Gruppe von Nachbarn auf die bereits erzielten Verkaufserfolge an. Nadja Hölzel aus der Ringstraße am anderen Ende des Ortes verlässt mit einer Dreier-Packung Christbaumanhänger in Form von Froschköniginnen den Hof: „Fürs Schrottwichteln unter Kollegen.“ Die vergangenen beiden Jahren habe sie zu den Anbietern gehört, „diesmal wollte ich mich selber umschauen“, erzählt sie.
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Mit Kohle betriebenes Bügeleisen
Schon seit Beginn um 9 Uhr hätten die Menschen „auf dem Weg zum Brötchenholen“ vorbei geschaut, berichtet Holger Keller. Er bietet Handwerkszeug seines verstorbenen Nachbarn an, der Gipser war. In einer Kiste stapeln sich Metallrollen, mit denen früher Bordüren in verschiedenen Mustern auf die Tapete gezogen wurden.
Am Stand seiner Nachbarin findet sich ein mit glühender Kohle betriebenes eisernes Bügeleisen aus den 1920er-Jahren.
Weiter in Richtung Ortsmitte, in der Ernst-Ludwig-Straße, sitzt La Toya Schneider auf dem Gehweg auf einer kleinen Holzbank und pustet schillernde Seifenblasen in die Frühsommerluft. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite bietet die junge Frau unter leuchtend gelben Sonnenschirmen „Klamotten und ein paar alte Sachen von meiner Großmutter“ an. Disney-Zeichentrick-Bücher sei sie schon losgeworden. „Die Eltern haben ihren Kindern Geld gegeben, damit sie selbst handeln können – das fand ich süß“, berichtet sie.
Gerade zeigt Susanne Schneider aus Bensheim, die mit einer Freundin zum Bummeln gekommen ist, reges Interesse an einem weißen Leinenkleid ihrer Großmutter. Es hat lange Ärmel und eine kleine rote Stickerei. Ob es ein Nachthemd war oder ihre Oma es einst auf der Straße oder im Haus getragen hat, kann La Toya Schneider nicht sagen. Sie selbst wollte es eventuell auf einem Mittelalter-Festival anziehen, wozu es aber nicht kam. Der Bensheimer Interessentin gefällt es, „weil es etwas Besonderes ist und man so etwas nicht bei den großen Modeketten findet“. Fünf Euro würde sie dafür geben. Das ist der Besitzerin zu wenig, sie fordert das Doppelte. Schließlich treffen sich die beiden Namensvetterinnen La Toya Schneider und Susanne Schneider in der Mitte, und das Kleid wechselt für 7,50 Euro die Besitzerin. „Wenn ich es doch nicht anziehe, verkaufe ich es eben weiter“, meint Susanne Schneider. Verkehrt gemacht hat sie mit diesem Kauf also auf keinen Fall etwas.
Bettina Grüner hat gerade an ihrem Tisch nebenan einen „5er Leuchter-Satz aus Glas“ verkauft. So steht es auf dem Karton, den ihr Nachbar, der mit seiner Frau gekommen ist, gerade davonträgt. Es war eines der Geschenke, die Grüner zu ihrer Hochzeit im Jahr 2003 bekommen hat. „Nie benutzt“, schmunzelt sie. „Es soll wieder ein Geschenk werden“, habe der Nachbar verraten.
„Vier Stunden Keller ausgeräumt“
Auf ihrem Tisch steht auch „Geschirr aus den 60er- bis 80er Jahren“, das sie für ihren Onkel verkauft, weil es ihm in seinem Haus mit all den gesammelten Sachen langsam zu eng wurde. „Wir haben am Freitag vier Stunden seinen Keller ausgeräumt“, erzählt sie.
Ein paar Schritte weiter in der Gartenstraße sitzen die Mütter Sandra Hensche und Simone Drey neben blühenden Rosen vor ihrem Haus. Fünf und sieben beziehungsweise zehn und 13 Jahre alt sind ihre Kinder. Zu groß für Babykleidung, die auf einer Mauer aufgereiht ist und kostenlos mitgenommen werden darf. Laufrädchen und Fahrradanhänger, Spielsachen, Kostüme und Schlafsäcke haben die beiden Frauen außerdem im Angebot.
Am Ortsausgang in der Mathildenstraße in der Nähe des „Riesen-Giggels“ als Wahrzeichens des Ortes sind um 12 Uhr auf Heidi Arnolds Stand gehäkelte Hühnchen als Eierwärmer und bunte Topflappen verblieben. Das falle in die Kategorie Nostalgie, erzählt sie. Sie habe die Dinge in einem Koffer im Keller entdeckt. Ihr Vater habe zu DDR-Zeiten Verwandte in Magdeburg besucht. Diese wollten sich mit der Handarbeit für seine mitgebrachten Geschenke aus dem Westen bedanken. „1,50 Euro für das Paar Eierwärmer“ hat Heidi Arnold veranschlagt, das sei doch eigentlich ein guter Preis.
Ansonsten aber sei sie schon einen Teddy, Bratpfannen, ein 24-teiliges Edelstahl-Besteck und einen Kontaktgrill losgeworden. „Was man aktuell für Grillfeste braucht, läuft gut“, stellt sie fest. Dabei liegt ihr das Thema Nachhaltigkeit am Herzen: „Ich bin froh, dass die Leute Edelstahl nehmen statt Plastik.“ Ihre Enkelin Katharina sieht das genauso und sorgt mit lautem Trommeln auf dem Cajon dafür, dass die Vorbeibummelnden auf ihre Ware aufmerksam werden. Vielleicht hat sich dann sogar noch ein Käufer für die gehäkelten Giggel gefunden.
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