Einhausen. Sherlock Holmes kennt man aus unzähligen Filmen und Serien. Im vergangenen Jahr wurde jedoch auch Lena Holmes zum Fernsehstar. Die pfiffige Boston Terrier-Hundedame, die eigentlich Lena Lustig heißt, schlüpfte dazu in die Rolle der tierischen Meisterdetektivin und war zusammen mit Frauchen und Tanzpartnerin Anneke Freudenberger zu Gast bei „Hallo Hessen“. Eine ganze Sendung lang ging es beim Hessischen Rundfunk um den außergewöhnlichen Sport, den die beiden zusammen ausüben: Dogdance. Mensch und Tier verbinden dabei zur passenden Musik verschiedene Tricks und Kunststücke zu einer Choreographie.
Neben Teamwork, Ausstrahlung und Motivation geht es bei den Vorführungen um Dynamik, tänzerischen Ausdruck, Rhythmik und musikalische Interpretation.
200 Teilnehmer am Start
Die Einhäuser Tierkommunikatorin gehört in der Sportart zur deutschen Spitze, hat sich im November erst wieder für die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 2022 qualifiziert. Insgesamt rund 200 Teilnehmer aus Deutschland, Italien, Österreich und der Schweiz waren in verschiedenen Disziplinen bei dem Turnier im Rahmen der Messe „Animal“ in Stuttgart am Start.
Anneke Freudenberger war dabei unter anderem mit ihrer sechs Jahre alten Border-Collie-Hündin Sofina Sonnenschein in der Klasse „Heelwork to Music“ erfolgreich. Hier geht es darum, sich möglichst harmonisch zusammen mit dem Hund zu bewegen. Der tierische Tanzpartner soll sich immer in unmittelbarer Nähe befinden, also quasi an der Ferse (englisch: heel) des Menschen hängen. Die Wertungsrichter achten etwa darauf, dass sich der Hund bei mindestens 75 Prozent der Choreographie in einer der 18 vorgegebenen Fußpositionen befindet. Ziel ist ein möglichst nah am Menschen arbeitender Hund, der sich vor-, rückwärts sowie seitwärts bewegen soll.
Die Fußposition ist die Basis, auf der alles Weitere aufbaut. Wichtigste Bedingung: Die Distanz zwischen Hund und Mensch darf maximal 50 Zentimeter betragen.
In dieser Disziplin geht es für Anneke Freudenberger und Sofina Sonnenschein vom 21. bis 24. April 2022 zur WM, die diesmal im Rahmen der European Dog Show in Paris ausgerichtet wird. Die Einhäuserin hofft natürlich, dass ihr die Pandemie nicht erneut einen Strich durch die Rechnung macht. 2020 hatte sie bereits schon einmal die Qualifikation geschafft. Doch dann wurde die Dogdance-Weltmeisterschaft wegen Corona abgesagt.
Fast jeden Tag Training
Jetzt also der zweite Anlauf: Fünf bis sieben mal in der Woche trainiert Anneke Freudenberger mit ihren insgesamt vier Hunden. Neben der neun Jahre alten Lena Lustig, mit der sie den Sport Dogdance begonnen hat, und Sofina Sonnenschein gehört noch der Chinese Crested Dog Friedel Fröhlich zum aktuellen Wettkampf-Kader.
Damit die gelehrigen Vierbeiner im Slalom durch die Beine laufen, einen Handstand machen oder sich verbeugen sind jede Menge Geduld, Einfühlungsvermögen, aber auch Leckerlis gefragt. Denn das Erlernen der Tricks als Grundlage für die spätere Choreographie erfolgt per positiver Verstärkung. Will heißen: Für jede richtige Handlung gibt’s einen kleinen leckeren Happen für die Hunde, alternativ auch mal das Lieblingsspielzeug. Als Hilfsmittel nutzt Anneke Freudenberger einen Dressurstab, der einer ausziehbaren Antenne ähnelt, auf deren Spitze ein Gummiball aufgesetzt ist. Nach und nach lernen die Hunde, mit ihrer Schnauze dem Ball zu folgen und dabei beispielsweise auf die Hinterbeine zu steigen oder den Kopf zu einer Verbeugung auf den Boden zu senken. Später muss das Ganze dann auch ohne den Stab klappen. Ersetzt wird er dann durch andere Gegenstände zur Orientierung, beispielsweise Schuhe oder – wie bei der Detektiv-Nummer – durch ein in Form einer Lupe geformtes Stück Holz.
In den Wettkampfklassen sollten die Tricks dann auch ohne unmittelbare Belohnung funktionieren. Für alle, bei denen das noch nicht ganz so gut klappt, wird auch eine Fun-Klasse angeboten. Hier dürfen die tierischen Tanzpartner auch während der Choreographie zum Ansporn das eine oder andere Leckerli erhalten.
„Es ist ein sehr hundefreundlicher Sport“, betont Anneke Freudenberger. Dazu gehöre auch, dass man als Trainer auf die Vorlieben der Vierbeiner eingeht. Während Friedel Fröhlich gerne springt, bewegt sich Sofina Sonnenschein gerne in einem größeren Raum. Die kleine Lena Lustig mag hingegen lieber Tricks, die sie am Platz ausführen kann. Zur Holmes-Show gehört daher auch ein kleines Podest mit Treppe.
Balancieren auf dem Wackelbrett
Um fit zu sein für die Vorführungen und den Alltag, gehören für Lena, Sofina und Fiedel auch regelmäßige Gymnastikübungen zum Training. Das Balancieren auf einem Wackelbrett fördere alle Muskelpartien der Tiere, erläutert Freudenberger, die beruflich auch als Physiotherapeutin, Osteopathin und Tierakupunkteurin praktiziert.
Für die Einhäuserin ist Dogdance eine ebenso harmonische wie auch für die Hunde reizarme Sportart, die den Tieren sichtbar Freude bereite. Es gibt keine lauten Kommandos. Stattdessen wird der gemeinsame Rhythmus vom Menschen gelenkt und auf den Hund übertragen. Auch abseits von Training und Wettkampf werde der Umgang mit den Vierbeinern dadurch weitaus einfacher. „Der Sport schweißt das Team Hund und Mensch extrem zusammen“, sagt die Einhäuserin. Und so kann sie auch schnell auf die aktuelle Gemütslage ihrer Schützlinge reagieren. So war der Besuch beim Hessischen Rundfunk in Frankfurt für die kleine Lena Lustig doch ermüdend. Der Hundedame fielen zwischenzeitlich schon leicht die Augen zu.
„Da musste ich die Choreographie spontan anpassen“, berichtet Anneke Freudenberger. Ansonsten habe bei dem TV-Auftritt alles bestens gepasst. „Da waren alle total freundlich. Das war wirklich klasse“, sagt sie und würde sich freuen, wenn sie ihren ungewöhnlichen Sport auch noch mal bei anderen Gelegenheiten präsentieren könnte.
Eine Einladung ins Frühstücksfernsehen würde sie beispielsweise freuen. Aber auch in ihrem Heimatort Einhausen würde Anneke Freudenberger gerne einmal bei einer Veranstaltung eine Dogdance-Choreografie zeigen.
Sportart aus den USA
- Der Ursprung von Dogdance liegt in den USA
- Die Sportart stammt vom Obedience (Gehorsamstraining) ab. Vereint werden Elemente wie sehr aufmerksames „Bei-Fuß-Gehen“ mit speziellen Kunststücken zu einer tänzerischen, musikalisch präsentierten Choreographie
- Typische Kunststücke sind Beinslalom, Rückwärtsgehen, Seitengänge, Drehungen, Pfotenarbeit, Sprünge, Männchen machen und Polonaise. Der Hund wird durch Körpersignale und verbale Kommandos gelenkt
- Dogdance beinhaltet Aspekte des menschlichen Tanzes und schließt Elemente ein, die dem Dressurreiten entlehnt sind wie Traversalen oder spanischer Tritt
- Seit 2018 ist Dogdance offizielle Sportart im Verband fürs Deutsche Hundewesen (VdH). Er veranstaltet jährlich die Deutsche Meisterschaft, die Qualifikationen zur WM und zur European Open Championship
- Beim Dogdance gibt es zwei verschiedene Kategorien: Beim Freestyle kann aus allen Tricks und Fußpositionen frei ausgewählt werden. Beim Heelwork to Music soll sich der Hund mindestens 75 Prozent der Choreographie in einer der 18 vorgegebenen Fußpositionen befinden.
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