Einhausen. Der Wildpark neben dem Wasserwerk im Jägersburger Wald ist bekannt für die sich suhlenden Wildschweine, die stolzen Hirsche und scheuen Mufflons, die Tierfreunde hier – wenn nicht gerade wie aktuell wegen Corona geschlossen ist – in dem weitläufigen Gelände beobachten und füttern können. Einige Besucher steuerten aber über Jahre hinweg wegen eines ganz anderen Bewohners regelmäßig das Gehege in der westlichen Einhäuser Gemarkung an. Auf ihren Samtpfötchen spazierte 18 Jahre lang eine herrenlose weiß-graue Katze über das Gelände. Es war quasi ihr ganz persönliches Revier.
Doch ganz ohne menschliche „Dosenöffner“ kam der kleine Stubentiger ohne Stube dann doch nicht aus. Um ihr Wohlergehen kümmerte sich eine Gruppe von Menschen aus der Umgebung. Am 10. Juni ist „Schneeweißchen“, wie die Katze getauft wurde, nach einer schwereren Krankheit gestorben.
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Monika Schwerdt stockt noch immer die Stimme, wenn sie davon erzählt. „Ihre ältesten Freunde waren ein Mann aus Biebesheim und seine Enkeltochter“, sagt sie. Diese hätten der Katze auch den Namen gegeben. Über die Jahre hinweg sei die Katze dann von viele Leuten versorgt worden. „Es gab immer wieder Wechsel“, berichtet Monika Schwerdt, die mit handgeschriebenen Aushängen am Wildgehege regelmäßig über ihren vierbeinigen Liebling informierte. „Ihr dürft gerne mal Futter hinstellen oder auch ein Leckerli mitbringen“, war da zu lesen. Seit vier Jahren war „Schneeweißchens“ Dreh- und Angelpunkt ein kleines Katzenhäuschen, das etwas geschützt im Park neben dem Eingang stand. Es lag auch ein Tagebuch bereit, in das Besucher kleine Anekdoten rund um „Schneeweißchen“ hineinschreiben konnten.
WhatsApp-Gruppe gegründet
2018 gründete Monika Schwerdt zudem eine WhatsApp-Gruppe, deren Mitglieder sich seitdem regelmäßig absprachen, wer sich wann um die Fütterung und Pflege der Katze kümmert. „Minimum zwei Mal am Tag wurde Schneeweißchen versorgt“, berichtet Monika Schwerdt und fährt fort: „Sie erkannte schon von weitem unsere Autos. Kaum hatten wir vor dem Park angehalten, war sie auch schon im Auto, hat gefressen und hielt sich hier minimum eine halbe Stunde auf.“ Im Winter gab es schon mal „sechs Stunden Kuscheltime“ im warmen Fahrzeug.
An anderen Tagen kam es aber auch schon vor, dass die freiwilligen Katzenpfleger um den ganzen Park herumlaufen mussten, um ihrem Schützling das Futter vor die Nase zu stellen. „Das ließ sie sich gerne hinterhertragen“, so Monika Schwerdt. Um Wasser zu trinken war die Katze häufiger mal im Wildschweingehege unterwegs. Dessen borstige Bewohner haben ihr zwar nichts getan. „Doch wir haben immer wieder dabei die Luft angehalten“, erinnert sich Monika Schwerdt. Andererseits profitierten die Wildschweine aber auch von ihrer geschmeidigen Mitbewohnerin im Gehege. „Wenn man ,Schneeweißchen’ ruft, dann kommen noch jetzt die Schweine angelaufen, weil diese wissen, dass meist auch für sie was zum Fressen abfällt.“
In den letzten Jahren machte sich aber auch bei „Schneeweißchen“ das Alter bemerkbar. Im Januar 2020 nahm Monika Schwerdt die erkrankte Katze vorübergehend mit in ihre private Pflegestelle. Der Tierarzt diagnostizierte eine Lungen- und eine Darmentzündung. „Sie hat sich überraschenderweise sehr schnell erholt und konnte zu ihren Freunden in den Wald zurückkehren“, schrieb Monika Schwerdt seinerzeit auf den vor Ort ausgehängten Informationszettel.
Eineinhalb Jahre später ging es nicht so gut aus. Eine Krebserkrankung an den Ohren überlebte die Katzenseniorin trotz eines weiteren Aufenthaltes in der Pflegestelle nicht. „Wir sind alle sehr traurig“ steht auf dem letzten Aushang, den Monika Schwerdt am 17. Juni im Wald angebracht hat. kel/red
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