Natur - Im Oktober 2017 wurde erstmals einer der streng geschützten Nager bei der Wattenheimer Brücke fotografiert / Bei der Nahrungssuche legen die Tiere entlang der Weschnitz längere Strecken zurück

Biber besucht auch die Einhäuser Ortsmitte

Von 
Jörg Keller
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Einhausen/Lorsch. Tierische Holzfäller waren jetzt an der Weschnitz in der Einhäuser Ortsmitte zugange. Mehrere Zentimeter dicke Baumstämmchen wurden rundherum angenagt und sind dann umgefallen. Allem Anschein nach hat ein Biber der Gemeinde einen Besuch abgestattet und seine scharfen Zähne in das Holz geschlagen. Nicht aber, um mit dem Baumaterial einen Damm zu errichten, sondern um an die frischen Triebe an der Baumspitze zu kommen, wie der örtliche Naturschützer und Mitarbeiter beim Gewässerverband Bergstraße, Florian Schumacher, auf Nachfrage dieser Zeitung erläutert: „Das ist das Winterfutter der Tiere.“

Vor etwa vier Jahren ist der Biber vermutlich wieder an der Weschnitz bei Lorsch und Einhausen heimisch geworden. Die Nager werden auf der Vorwarnstufe der Roten Liste geführt und zählen zu den europarechtlich streng geschützten Tierarten. Ein erstes Exemplar wurde bei der Wattenheimer Brücke gesichtet, nachdem man bereits 2017 in dem Bereich erste Bissspuren an Bäumen gefunden hatte, berichtet Ulrich Androsch, Geschäftsführer des Gewässerverbandes. Mit Hilfe einer Fotofalle habe man seinerzeit mehrere Schnappschüsse des neuen Weschnitzbewohners machen können. Auf einem Bild sei noch ein weiteres Augenpaar im Hintergrund zu sehen gewesen. „Wahrscheinlich waren es damals bereits zwei Tiere“, sagt Androsch. Nach drei Jahren wäre es daher nur wahrscheinlich, dass es mittlerweile Nachwuchs bei Familie Biber gibt.

Auf Nahrungssuche

Dass sich ein junger oder ein weiterer zugewanderter Biber jetzt in der Einhäuser Ortslage ein Zuhause sucht ist nach Einschätzung von Florian Schumacher zwar denkbar, aber nicht sicher. Bei ihrer Nahrungssuche legen die auch im Winter aktiven Tiere durchaus längere Strecken zurück. Biberrevier – also der von einem Biberpaar und den Jungtieren bewohnte Bereich umfasst etwa drei Kilometer Flusslänge. So seien Spuren der Nager auch schon im Bereich der Betriebshofs des Gewässerverbandes im Südosten von Lorsch entdeckt worden.

Grundsätzlich geht Androsch davon aus, dass die ersten an der Wattenheimer Brücke angesiedelten Tiere vom Rhein über Biblis die Weschnitz hinaufgewandert sind. Eine andere theoretische Möglichkeit wäre, dass sie aus dem Odenwald kommen. Im Bereich Wald-Michelbach wurden vor einigen Jahren die ersten Bestände gemeldet. Auf dem Weg hinunter ins Ried müssten die Nager jedoch zahlreiche Hindernisse überwinden. Nach Einschätzung von Androsch ist das eher unwahrscheinlich. Andererseits gelten Biber als sogenannte Kulturfolger, wie Florian Schumacher erläutert. Die reinen Pflanzenfresser könnten durch das Nahrungsangebot durchaus von der Nähe zu Menschen profitieren. Allein in Berlin gebe es mittlerweile wieder 300 Biberpaare.

Verwechslung mit Nutria

So viele sind es im Kreis Bergstraße noch lange nicht. Und wer eines der dämmerungs- und nachtaktiven Tiere bei der Arbeit beobachten möchte, benötigt schon eine Menge Glück. So mancher, der bei einem Spaziergang entlang der Weschnitz einen Biber glaubt entdeckt zu haben, hat wahrscheinlich eher ein Nutria gesehen. Diese umgangssprachlich auch Biberratte oder Sumpfbiber genannten Nager sind im Gegensatz zum Europäischen Biber ursprünglich nicht in Deutschland heimisch und bei Naturschützern weitaus weniger beliebt.

Beim Gewässerverband hat man immer ein Auge auf die Population und Aktivitäten all dieser Weschnitzbewohner. Durch ihre unterirdischen Bauten können Biber wie Nutria die Standfestigkeit von Dämmen beeinflussen. Bei der anstehenden Erneuerung der Deiche zwischen Biblis und Einhausen werde daher ein spezieller Wühltierschutz in Form einer Steinschicht unter dem Gras angebracht, erläutert Androsch. Dort, wo das Flüsschen aufgrund der geplanten Renaturierungen stark aufgeweitet wird, sollen für die Biber aber dennoch gute Bedingen bestehen, sich anzusiedeln, so Androsch.

Eher unwahrscheinlich sei es, dass sich die Biber selbst als Dammbaumeister in der Weschnitz versuchen und das Wasser an ungewollten Stellen aufstauen. Dafür sei der Wasserspiegel schon jetzt zu hoch, erläutert Florian Schumacher. Mit ihren Dämmen aus Stämmen, Ästen und Zweigen beabsichtigen die Tiere nämlich, kleinere Bäche und Flüsschen soweit aufzustauen, dass die Eingänge zu ihren Behausungen unter Wasser liegen. Über mehrere Röhren geht es von dort aus in einen über dem Wasser liegenden Wohnkessel. Über eine weitere Röhre nach außen wird der Bereich belüftet. Ansonsten sind die sogenannten Biberburgen aber abgeschlossen, gut isoliert und trocken.

Für den Menschen gefährlich werden können die Aktivitäten der Biber, wenn größere Bäume beschädigt werden. Im Bereich der Wattenheimer Brücke wurden bereits dickere Stämme von den Bibern gefällt. Ein Baum sei soweit angenagt worden, dass er drohte irgendwann in Richtung Weschnitzdamm umzufallen. Die Mitarbeiter des Gewässerverbandes hätten den Bereich daraufhin abgesperrt, um zu verhindern, dass am Ende noch ein Spaziergänger erschlagen wird, berichtet Florian Schumacher.

Redaktion Redakteur, Ressorts Lorsch, Einhausen und Region

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