Hochstädten. Es war ein langer Weg von der „kalten Kantine“ zum Hochstädter Haus. Ein Marathon, der nahezu ausschließlich von Ehrenamtlichen bewältigt wurde. Die Geschichte des Hochstädter Hauses und das damit verbundene hohe lokale ehrenamtliche Engagement waren Thema des jüngsten Business-Treffen der Wirtschafts-Vereinigung Bensheim (WVB).
Eingeladen zu dem Meeting hatte die WVB ihre Mitglieder ins Hochstädter Haus unter der Überschrift: „Ambitionierte Projekte gemeinsam stemmen – Was Unternehmen und Ehrenamt voneinander lernen können“. WVB-Vorsitzender Jan Siefert steckte in seiner Begrüßung den Themenbereich der Veranstaltung ab. Zum einen galt der Blick projektbezogener ehrenamtlicher Tätigkeit wie beim Hochstädter Haus, zum anderen wurde auch „klassische Charity“ beleuchtet, für die das Team Bensheim der „Tour der Hoffnung“ steht.
Die Entwicklung der ehemaligen Kantine des Marmoritwerks zum barrierefreien Treffpunkt aller Generationen im Bensheimer Stadtteil zeichnete Susanne Sartorius nach, die 1. Vorsitzende des Fördervereins Hochstädten. Der Verein ist Eigentümer und Bauherr des Hochstädter Hauses. Rund 950 000 Euro flossen von 2013 bis zur Eröffnung 2019 in das Gebäude, dessen Wert laut Sartorius heute auf zwei Millionen Euro veranschlagt wird.
Mittelpunkt des Dorflebens
Etwa 10 000 Arbeitsstunden haben die Hochstädter Bürger und Bürgerinnen bei der Umsetzung der Maßnahme abgeleistet. Mit dem Hochstädter Haus habe man nicht nur einen Kristallisationspunkt für das Dorfleben geschaffen, sondern Kern- und Neubürger zusammengebracht und insgesamt die Gemeinschaft unter den 750 Einwohnern gestärkt. Der Wille, etwas gemeinsam für den Ort zu schaffen, habe das Projekt getragen, so Sartorius.
In Sachen „Personalmanagement“ vermittelte die Vorsitzende des Fördervereins interessante Einblicke. Das Reservoir der Beteiligten, die auf unterschiedliche Art und Weise zur Verwirklichung beitrugen, speiste sich aus verschiedenen Quellen: Tatkräftige Rentner und Ruheständler, mit dem nötigen handwerklichen Geschick und der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.
Ebenso wichtig waren visionäre Ideengeber, aber auch Bedenkenträger sowie junge Menschen (Schüler, Studenten, Berufstätige), die eine andere Perspektive eingebracht und den Planern und Organisatoren wertvollen Input gegeben hätten.
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Mitunter sei die Reise steinig und schwer, vergleichbar einer Bergtour mit vielen Anstiegen, gewesen. Der Betrieb des Dorfladens, zusammen mit dem inzwischen verpachteten Dorfcafé als finanzielles Fundament für das Hochstädter Haus vorgesehen, konnte auch wegen der Corona-Pandemie nicht wirtschaftlich weitergeführt werden. Ende 2021 wurde das Aus für den Dorfladen beschlossen.
Man habe sich bisweilen zu sehr auf die Erhaltung des Dorfladens fokussiert und darüber die ursprüngliche Intention des Projektes vernachlässigt, das Hochstädter Haus als Mittelpunkt des Dorflebens zu verankern. Eine lehrreiche Erkenntnis für den Förderverein, die Susanne Sartorius an die WBV weitergab: „Man darf nie das Ziel aus den Augen verlieren.“ Für die Rückkehr zu der 2013 am Startpunkt formulierten Zielsetzung „Von Hochstädtern für Hochstädter“ steht das umfangreiche Veranstaltungsprogramm, das für das Hochstädter Haus aufgelegt wurde.
„Motivation ist sensationell“
Ein regelmäßiger Termin ist der monatliche „durstige Donnerstag“ im Hochstädter Haus. Ende Oktober 2021 trafen dabei Helmut Richter vom „Team Bensheim“ der Tour der Hoffnung und Veit Held vom Förderverein Hochstädten aufeinander. „Nach zwei Bier war die Sache klar“, schilderte Richter der WVB die Entstehung eines gemeinsamen Projektes von Tour der Hoffnung und Förderverein: Die Idee zur „Tour de Montana 2022“ war geboren.
Ende Januar war die ganze Angelegenheit in trockenen Tüchern. Das kleine Tour der Hoffnung-Team war trotz zweier coronabedingter Tour-Absagen in den Vorjahren sofort Feuer und Flamme. „Die Motivation war sensationell“, lobte Richter seine Mannschaft. „Wir reden nicht lange, sondern machen einfach.“ Eine Herangehensweise, an der sich Unternehmen durchaus ein Beispiel nehmen könnten, meinte Richter.
Das Zusammenspiel mit den Genehmigungsbehörden bei der Ausarbeitung der Streckenführung lief reibungslos. Bensheimer Feuerwehr und das Deutsche Rote Kreuz, ohne die ein solches Event nicht durchführbar wäre, waren alsbald ebenfalls mit im Boot. Ein Trikot wurde entworfen und vermarktet. Die WVB-Mitglieder, alle Sponsoren der Tour der Hoffnung und nun auch der Tour de Montana, bekamen das neue Montana-Trikot im Hochstädter Haus präsentiert.
Jürgen Pfliegensdörfer erläuterte in Kurzform die beiden Strecken, die am 25. Juni vom Start- und Zielort Hochstädter Haus per Fahrrad beziehungsweise Mountainbike bewältigt werden können. Tour 1 geht über etwa 35 Kilometer, dabei sind mehr als 1000 Höhenmeter zu absolvieren. Die Fahrtzeit wird mit etwa dreieinhalb Stunden veranschlagt. „Das ist nichts für Weicheier“, sagte Pfliegensdörfer.
Tour 2 ist familienfreundlich und führt über knapp 20 Kilometer, auf denen 500 Höhenmeter erklommen werden müssen. Pfliegensdörfer rechnet mit 600 bis 750 Teilnehmern.
Bislang haben sich 400 Radler, überwiegend für die längere Etappe, angemeldet. Die Startgebühr beträgt pro Teilnehmer 55 Euro, Familienrabatte werden gewährt. Dafür erhalten die Starter das Montana-Trikot sowie einen Getränkegutschein.
Die Einnahmen der Veranstaltung, Startgebühr und gesammelte Spenden, fließen in die von der Tour der Hoffnung bereits unterstützten Projekte zugunsten krebskranker Kinder. Ein Teil des Erlöses geht an den Förderverein Hochstädten zur weiteren Finanzierung des Hochstädter Hauses.
Nach diesen Einsichten in ehrenamtliches Engagement wurde der Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen Ehrenamtlichen und der WVB-Community bei einem Imbiss im Hochstädter Haus fortgesetzt.
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