Übergabe

Zuwachs für das Bensheimer Familienzentrum

Von 
Dirk Rosenberger
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Das Familienzentrum übernimmt den städtischen Eltern-Kind-Treff. Unser Bild zeigt (v.l.) Vorsitzende Birgt Siefert, Hebamme Angelika Schuhmann, Frauenbeauftragte Marion Vatter und Bürgermeisterin Christine Klein. © Lotz

Bensheim. Für Marion Vatter ist es ein Abschied mit vielen Emotionen. Als Frau der ersten Stunde begleitete sie den städtischen Eltern-Kind-Treff seit 30 Jahren, verbunden mit allem, was dazugehört. Begegnungen mit jungen Familien, Sankt-Martins-Umzüge mit mehr als 150 Teilnehmern im Stadtpark, tolle Feiern. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Mit der Übergabe der „Bensheimer Institution“, wie Bürgermeisterin Christine Klein den Eltern-Kind-Treff bei einem Pressegespräch am Donnerstag nannte, an das Familienzentrum, geht eine Ära zu Ende und wird zugleich fortgesetzt. „Wir werden ihr Baby gut pflegen, damit es weiter wachsen kann“, versprach Vorsitzende Birgit Siefert. Für Klein und Siefert ist der Schritt folgerichtig. Man müsse Synergien schaffen und Doppelstrukturen abbauen, um „eine gemeinsame Familienarbeit aus einer Hand voranzubringen“, so Klein.

Angelika Schuhmann macht weiter

Beim Familienzentrum rannte die Rathauschefin damit die berühmten offenen Türen ein. Bei den Babygruppen verspricht sich die Vorsitzende Entlastung, es liegen viele Kursanmeldungen von jungen Müttern vor. „Wir platzen aus allen Nähten“, so Siefert. Das Angebot der Stadt kam demnach zum richtigen Zeitpunkt. Denn der Bensheimer Verein kann die Räume in der Rodensteinstraße 8 am Ritterplatz mietfrei nutzen, lediglich Reinigungskosten und das Honorar der Hebamme müssen übernommen werden.

Die Stadt spart sich dadurch jährlich knapp 8000 Euro. Angelika Schuhmann, bei Bensheimer Familien bestens bekannt, wird dem Treff erhalten bleiben und den Eltern weiter mit Rat und Tat zur Seite stehen – wie in den vergangenen 30 Jahren auch.

Angefangen hat alles 1990 mit einem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, zunächst kam der Eltern-Kind-Treff in der Hasengasse unter. Von 1996 bis 2006 fand man in der Grieselstraße ein größeres Domizil, seit 15 Jahren kommen die Säuglings- und Krabbelgruppen nun schon an den Ritterplatz.

„Wir sind stetig gewachsen, es ist viel passiert“, resümierte Marion Vatter. Für Bensheim sei der nun eingeschlagene Weg die beste Lösung. Sie sei dankbar, dass das Familienzentrum nun übernehme, „auch wenn es mir ein bisschen wehtut. Aber man muss loslassen können“, bemerkte die Frauenbeauftragte.

Von Bürgermeisterin Klein gab es viel Lob für den Einsatz mit viel Herzblut, Ideenreichtum und Idealismus. „Sie haben Großartiges geleistet“, betonte Klein und schloss in ihren Dank ausdrücklich Hebamme Angelika Schumann ein.

Mit dem Familienzentrum reicht man den Staffelstab an einen mehr als qualifizierten und bewährten Partner weiter. Birgit Siefert sieht sich und ihr Team für die neue Aufgabe bestens gerüstet. „Wir müssen soziale Räume schaffen, in denen sich Mütter und Väter treffen und austauschen können“, forderte sie. Orte für ungezwungene Treffen seien wichtig für eine Innenstadt, um der Individualisierung entgegenzuwirken.

Die Vorsitzende erinnerte sich daran, dass ihre erste Anlaufstelle nach dem Umzug in die Region Anfang der 1990er der Eltern-Kind-Treff in der Hasengasse gewesen sei. Ähnlich erging es Christine Klein nach eigenem Bekunden in den 1980er Jahren, die beim Eltern-Kind-Treff der Kübel-Stiftung Freunde fürs Leben fand.

Eine Erfolgsgeschichte auf allen Ebenen demnach, die nun fortgeschrieben werden soll und muss. Darauf wies Angelika Schuhmann hin. In der Corona-Pandemie habe die Vereinsamung vor allem junger Mütter zugenommen. „Sie lechzen jetzt nach Kommunikation. Die vergangenen Monate waren eine große Belastung, sie konnten nirgendwo hingehen und sich austauschen, saßen meistens alleine zu Hause“, berichtete die Hebamme quasi aus erster Hand.

Immerhin durften im Sommer 2020 die Säuglingsgruppen des Eltern-Kind-Treffs dank einer Sondergenehmigung öffnen, mehr als eine kleine Alternative zum ansonsten umfangreichen Angebot stellte dies aber auch nicht da.

Im Sommer 2021 sieht es nicht mehr ganz so trostlos aus. Mit der Übergabe an das Familienzentrum wird ein neues Kapitel aufgeschlagen. Die Vereinbarung zwischen Stadt und Verein, die von der Stadtverordnetenversammlung kürzlich einstimmig verabschiedet wurde, läuft zunächst für zwei Jahre. Die Rodensteinstraße 8 soll eine Interimslösung bleiben, „unser Ziel ist nach wie vor ein Haus für Familien in der Bensheimer Innenstadt“, verdeutlichte Birgit Siefert.

Keine Dauerlösung

Durch den Neuzugang ist der Verein auf drei Standorte verteilt, was alles andere als eine Dauerlösung sein kann. Das Café Storch im ehemaligen Bürohaus Werner erfreut sich zwar großer Beliebtheit, aber nach Auskunft der Vorsitzenden stößt man schon wieder an die Kapazitätsgrenzen. „So kann man auf Dauer nicht vernünftig arbeiten“, urteilte auch die Bürgermeisterin, die sicherlich ihren Beitrag leisten wird, um dem Familienzentrum zu helfen, eine neue, dauerhafte und angemessene Heimat im Bensheimer Zentrum zu finden.

Bleibt die Frauenbeauftragte Marion Vatter, die auch ohne den Eltern-Kind-Treff genug Arbeit hat und dennoch neuen Projekten offen gegenübersteht. „Wir haben schon ein paar Ideen“, erklärte Christine Klein. Am Donnerstag ging es aber zunächst darum, mit den berühmten lachenden und weinenden Augen Abschied zu nehmen.

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