„Partnerschaft für Demokratie“

Bensheim diskutiert über die Zukunft der Demokratie

Rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen am Samstag zu ersten Demokratiekonferenz in die ehemalige Kantine der Firma Sanner

Von 
Frederik Koch
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Die erste Demokratiekonferenz des Bündnisses „Partnerschaft für Demokratie“ fand am Samstag in der ehemaligen Kantine auf dem alten Sanner-Firmenglände statt. © Thomas Neu

Bensheim. Wie kann Demokratie in Bensheim in der Zukunft weiter gelebt und gestärkt werden? Diese Frage stand im Mittelpunkt der ersten Demokratiekonferenz in der ehemaligen Kantine der Firma Sanner in Bensheim, zu der am Samstag mehr als 100 Besucherinnen und Besucher zusammenkamen. Ziel der Veranstaltung war es, den Austausch zu Themen wie Teilhabe, Mitbestimmung und gesellschaftlichem Zusammenhalt zu fördern. Eingeladen hatte die „Partnerschaft für Demokratie Bensheim“ im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“.

Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Bildung und Zivilgesellschaft informierten sich über Projekte, diskutierten aktuelle Herausforderungen und entwickelten Ideen für eine gemeinsame demokratische Praxis in der Region. Zu Beginn der Veranstaltung begrüßten der ehrenamtliche Mitarbeiter des Bündnis „Partnerschaft für Demokratie Bensheim“, Norbert Brenner, und Magdalena Schumann von der Koordinierungs- und Fachstelle. Beide hoben den hohen Stellenwert der „Partnerschaft“ für das demokratische Miteinander in Bensheim hervor. Das Moderations-Team des Goethe-Gymnasiums – die Schüler Maralena Spangenberg, Nuno Wörrlein und Alessio Perez – führte durch das Programm und stellte die Grundregeln für einen respektvollen Rahmen der Demokratiekonferenz auf.

Was bedeutet Demokratie konkret?

Der Erste Stadtrat der Stadt Bensheim, Frank Daum, zeigte sich erfreut über die große Resonanz und betonte, dass die Stärkung der Demokratie eines der wichtigsten Ziele von Politik und Zivilgesellschaft sei. Demokratie beginne vor der eigenen Haustür, sagte er, und genau dort müsse sie gelebt und gefördert werden. Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und die damit verbundene Partnerschaft für Demokratie in Bensheim trügen aktiv dazu bei, Demokratie, Mitbestimmung, Vielfalt und gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland und in der Region zu stärken. Frank Daum hob drei Schwerpunkte für die Umsetzung hervor: Schulen als zentrale Orte demokratischer Bildung, Bensheim als Leuchtturm für die Region sowie die Einbindung der vielfältigen Vereinslandschaft.

Keynote-Referentin war die Kommunikationsexpertin Aisha Camara. © Thomas Neu

Im Anschluss an die Eröffnung folgte die Keynote von Aisha Camara, interdisziplinäre Kommunikationsexpertin und Executive Producerin des TikTok-Kanals der Bildungsstätte Anne Frank. Sie beschäftigt sich mit strategischem Campaigning, Beratung und Moderation und entwickelt Formate, die komplexe Themen wie Antisemitismus, Rassismus und Menschenrechte einem jungen Publikum zugänglich machen. In ihrem Vortrag stellte Camara die Frage, wie demokratische Räume erhalten und gestärkt werden können. Sie sprach darüber, was Begriffe wie Demokratie, Partizipation und Teilhabe konkret bedeuten – und wer in diesen Prozessen tatsächlich gehört wird.

Warnung vor „Romantisierung der Demokratie"

Demokratie sei ein positiv besetzter Begriff, dem jedoch oft eine klare Vorstellung fehle, wie sie für alle zugänglich gemacht werden kann. Partizipation bedeute mehr, als nur eingeladen zu werden: Sie setze voraus, mitgestalten zu dürfen, Ressourcen zu teilen und Macht abzugeben. Teilhabe funktioniere nur, wenn Strukturen und Zugänge entsprechend geöffnet werden. Demokratiearbeit könne nicht auf symbolische Gesten beschränkt bleiben, sondern müsse bestehende Machtverhältnisse und ungleiche Chancen mitdenken.

Camara warnte zugleich vor einer „Romantisierung der Demokratie“: Demokratiearbeit sei anstrengend, verlange Konfliktfähigkeit und gehe mit Verantwortung einher. Sie betonte, dass echte Teilhabe immer auch Machtverschiebung bedeute – und dass es wichtig sei, zu reflektieren, wer Entscheidungen trifft und wer über Ressourcen verfügt. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Rede lag auf dem Bildungsbereich. Bildung, so Camara, müsse politisch verstanden werden, da unpolitische Bildung gesellschaftliche Strukturen ausblende. Demokratische Bildung bedeute, Jugendliche zu befähigen, Position zu beziehen und gesellschaftliche Prozesse aktiv mitzugestalten.

Nach der Keynote folgten eine Fragerunde des Publikums und ein Auftritt der Schülerband „2B“ der Geschwister-Scholl-Schule. Schließlich stand eine Podiumsdiskussion zur Frage „Wie schützen wir unsere Demokratie – vor Ort und heute – und welche Rolle spielen dabei die klassischen und die neuen Medien?“ auf dem Programm, an der unter anderem Staatsminister Dr. Michael Meister teilnahm (ein ausführlicher Bericht hierzu folgt).

„Fabian Salars Erbe" berichtete über vielfältige Arbeit

Beim anschließenden „Markt der Möglichkeiten“ herrschte eine offene Atmosphäre. Das interaktive Format war als eine Art Networking-Plattform gedacht, bei der sich Besucher an verschiedenen Informations-Ständen, bei Mini-Aktionen und Mitmachangeboten über Initiativen aus der Region informieren konnten. Besonderes Interesse zog der Stand der „Omas gegen Rechts“ Bergstraße auf sich. Eine der Teilnehmerinnen erzählte, dass sich die Gruppe einmal im Monat zu Treffen zusammenfindet, bei denen unter anderem Argumentationstrainings auf dem Programm stehen. Aber auch praktische Aktionen gehören zum Engagement der Gruppe: So polieren die Mitglieder regelmäßig Stolpersteine in der Region, um die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus lebendig zu halten. Am Stand war ein großer Banner mit der Aufschrift „AfD-Verbot jetzt!“ zu sehen, daneben eine „Brandmauer“ aus roten Kisten, auf denen Zitate, Denkanstöße und Botschaften rund um Demokratie und Zivilcourage angebracht waren.

Ebenfalls vertreten war der Verein „Fabian Salars Erbe“, der über seine vielfältige Arbeit im Bereich der Demokratiebildung und Antidiskriminierung informierte. Besonders im Mittelpunkt standen dabei die angebotenen Workshops und Trainings, die sich mit Themen wie Zivilcourage und Vielfalt auseinandersetzen. Der Verein arbeite dabei eng mit Schulen, Jugendeinrichtungen und Vereinen zusammen, um junge Menschen für demokratische Werte zu stärken, so eine Sprecherin.

Auch das Antidiskriminierungsnetzwerk Südhessen (AdiNet) war mit einem Stand vertreten. Das Netzwerk setzt sich für Aufklärung, Beratung und Prävention im Bereich Diskriminierung ein – insbesondere in den Bereichen Bildung, Arbeitswelt, Verwaltung und Zivilgesellschaft. Es vernetzt lokale Initiativen und bietet Anlaufstellen für Betroffene. Ein weiterer zentraler Akteur war das Goethe-Gymnasiums. Am Stand informierte Lehrerin Anne-Sarah Mayer-Gaukler (Deutsch, Biologie sowie Politik & Wirtschaft) über das Demokratielernen am Goethe. Durch Workshops mit externen Bildungspartnern, aber auch Radikalisierungsprävention, regelmäßige Projekttage und den jährlich am 19. September stattfindenden „Tag der Zivilcourage“ sollen Schüler für gesellschaftliches Engagement sensibilisiert werden.

Freier Autor für den Bergsträßer Anzeiger – ressortübergreifend an der gesamten Bergstraße tätig.

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